Dass Politik sich durch verschiedene Arten des Wortgebrauchs vollzieht, erscheint heute selbstverständlich. Doch bis weit in das 18. Jahrhundert hinein war Politik mit Schweigsamkeit konnotiert, mit kluger Verstellung und dem Privileg, nicht Rede und Antwort stehen zu müssen. Erst im Laufe des langen 19. Jahrhunderts setzte sich vor dem Hintergrund des Aufstiegs des parlamentarischen Konstitutionalismus und der Massenpolitik ein Politikverständnis durch, infolge dessen wir es heute gewohnt sind, Politik als „Debatte“ zu betrachten und politische Macht mit dem Recht und der Pflicht identifizieren, sich zu Wort zu melden. Schon Zeitgenossen erschien das 19. Jahrhundert als siècle des mots, in dem sich verschiedene Modi des government by speaking oft mühsam, aber schließlich doch unumgänglich über den europäischen Kontinent ausbreiteten. Umgekehrt galt dieser Prozess in doppelter Hinsicht als Kampf gegen das Schweigen: gegen die auferlegte Unmündigkeit zugunsten der politischen Redefreiheit sowie gegen das hoheitliche Arkanum zugunsten politischer Transparenz und Rechenschaft. Auch wenn die Legitimität des Schweigens im politischen Raum strukturell zunehmend in Frage gestellt wurde, verschwand diese Praxis keineswegs aus dem Repertoire politischer Akteure. Im Gegenteil: Gerade als die Erwartungen an das politische Wort immer höher geschraubt wurden, wurde das Schweigen überhaupt erst zum Politikum, und es bildeten sich neue Formen und Funktionen politischen Schweigens heraus.