Dr. Bernheimer wird als Grundlage für ihre geplante systematische Studie zu Formen religiösen Extremismus‘ in der konstituierenden Phase des Islam sowohl die Quellenbasis als auch die Methode weiter fassen. Wie viele andere frühislamische extremistische Bewegungen ließen auch die Kharijiten Münzen prägen, um ihrer Legitimität eine Grundlage zu verschaffen. Die Geldstücke geben Hinweise auf Ziele, Publikum und Umfeld der Gruppe; sie enthalten Informationen zum Ort ihrer Prägung, zum Auftraggeber und zu den religiösen Wahlsprüchen, die in der Regel ausgesucht wurden, um sich von den seitens der Autoritäten verwendeten Münzen abzugrenzen. Die Prägungen des kharijitischen Wahlspruchs lā hukma illā lillāh („es gibt keinen Richter außer Gott“) gehören zu den ersten überhaupt überlieferten Belegen für Material zum Koran, so dass die Münzen auch Ansätze für eine bessere historische Einordnung der Entwicklung des Islam im Allgemeinen bieten. Darüber hinaus wird Dr. Bernheimer prosopographische Daten in ihre Untersuchung mit einbeziehen. Die schriftlichen arabischen Quellen enthalten eine Vielzahl an Informationen zur Einbindung von Personen in Familien und Stämme, die es erlauben, neues Licht auf den sozialen Hintergrund und die Netzwerke der frühen muslimischen Extremisten zu werfen. In einem weiter gefassten methodischen Kontext möchte Dr. Bernheimer die Kharijiten in das religiöse Panorama der Religionen in der Spätantike einordnen und die Anfänge des Islam in Beziehung zu zeitgenössischen Entwicklungen in christlichen und jüdischen Gemeinschaften setzen.
Um ihre Studie in einen breiteren Forschungskontext einzubetten, wird Dr. Bernheimer im Sommer 2019 Forscherinnen und Forscher zur Geschichte religiös motivierter Gewalt in der vormodernen Welt zu einer wissenschaftlichen Tagung zusammenbringen. Ziel ist es, dieses Phänomen aus unterschiedlichen Blickwinkeln und Disziplinen zu betrachten und sowohl Muster für extremistische Gedanken und Aktionen zu identifizieren als auch das Verständnis für die Zusammenhänge zwischen extremistischen Bewegungen und moderatem Mainstream zu schärfen. Die Geschichte des frühen Islam und insbesondere der Kharijiten ist dabei auch für aktuelle Diskussionen von großer Bedeutung: Zeitgenössische Konflikte in der muslimischen Welt werden häufig mit Ereignissen aus der Frühzeit der Religion erklärt, und diese Argumentation verkennt sowohl die Heterogenität der frühislamischen Jahrhunderte als auch die enge Einbindung des Islam in die Welt der Spätantike.