Bleibende Wunden?

Immaterielle Auswirkungen von Konflikten auf Kinder

Projektleitung

Dr. Roos van der Haer

Institution

University of Leiden, Political Science

Förderung

Die Gerda Henkel Stiftung unterstützt das Projekt durch die Übernahme von Personal-, Reise- und Sachkosten.

Poster mit der Aufschrift „Krieg: ein Kinderspiel?“, DR Kongo

Gewalt und bewaffnete Konflikte prägen auf tragische Weise den Alltag von Kindern auf der ganzen Welt. Sie werden zu Zeugen grausamer Ereignisse und sind oft auch aktiv an Kriegshandlungen beteiligt. In vielen Konflikten tragen Kinder Waffen, staatliche und nichtstaatliche Armeen setzen sie als Soldaten ein. Kriege haben zum einen gravierende materielle Auswirkungen auf das Leben von Kindern, zum anderen kann ihre Entwicklung durch immaterielle Konsequenzen Schaden nehmen: Die Teilnahme an einem gewaltsamen Konflikt beeinflusst kollektive Normen, individuelle Entwicklungen, persönliche Bindungen sowie das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Gruppe und wirkt sich langfristig auf das sogenannte „soziale Kapital“ eines Menschen aus. Ein kriegsbedingter Verlust von Normen und Bindungen hat sowohl Folgen für das Denken und Handeln jedes Einzelnen, darüber hinaus aber auch für die langfristige ökonomische und soziale Entwicklung von Postkonflikt-Gesellschaften: Starke soziale Zersetzung erhöht die Wahrscheinlichkeit dafür, dass Gewalt zu einem späteren Zeitpunkt erneut ausbricht.

Dr. Roos van der Haer untersucht in ihrem Forschungsvorhaben, wie sich Kriege auf das soziale Kapital von Kindern auswirken und welche Rolle bewaffnete Gruppen bei der Entwicklung sozialer Bindungen von Kindersoldaten spielen. Im Mittelpunkt steht die bislang in der Forschung wenig untersuchte Frage, inwiefern sich die Auswirkungen von Krieg und Gewalt auf Erwachsene und Kinder unterscheiden und ob es einen Zusammenhang zwischen dem Alter der Kinder zum Zeitpunkt des Konflikts und dem Grad der Entwicklung ihres sozialen Kapitals gibt. Da sich bei Kindern emotionale, kognitive und soziale Kompetenzen noch ausbilden und sie über weniger physische und intellektuelle Fähigkeiten verfügen, sich selbst zu schützen und Mechanismen zur Bewältigung traumatischer Erlebnisse anzuwenden, könnten sie deutlich verwundbarer sein als Erwachsene. Bewaffnete Einheiten, die oft mit sozialer Integration in die Gruppe als neue „Familie“ werben, könnten auf der anderen Seite dazu beitragen, den Verlust sozialen Kapitals auszugleichen. Die bisherige Forschung hat bislang zu widersprüchlichen Ergebnissen geführt: Zum einen gibt es Belege dafür, dass sowohl die direkte Beteiligung an Kriegshandlungen als auch der Verlust der Bindung an Eltern und die gewohnte Gemeinschaft bei Kindersoldaten dazu führt, dass ihr soziales Kapital weit stärker abnimmt als jenes von Kindern, die den Konflikt indirekt erleben. Zum anderen zeigen Studien, dass die teilweise starke Bindung von Kindersoldaten an ihre Kommandanten eine ausgleichende Wirkung haben kann.

Um die Zusammenhänge zwischen der Belastung durch Krieg und der Entwicklung sozialen Kapitals bei Kindern genauer zu untersuchen, beschäftigt sich Dr. van der Haer in ihrer geplanten Studie mit der Demokratischen Republik Kongo. Das Land gilt weltweit als eines der schlimmsten Krisengebiete für den Schutz von Kindern und Jugendlichen. Bewaffnete Gruppen, darunter auch die staatliche Armee, rekrutieren nach wie vor Kinder, UN-Berichte weisen auf das absichtliche Töten und Verletzen von Kindern sowie die gezielte Zerstörung von Schulen in Teilen des Landes hin. Durch strukturierte Interviews mit 300 Kindern und Jugendlichen, darunter 150 ehemalige Kindersoldaten, wird Dr. van der Haer die Entwicklung des sozialen Kapitals Heranwachsender in der Provinz Süd-Kivu untersuchen. Lokale Organisationen zum Schutz von Kindern sind als Kooperationspartner in das Vorhaben eingebunden. Die Ergebnisse werden auf Grundlage des „Social Capital Integrated Questionnaire (SC-IQ)“, eines von der Weltbank entwickelten Messinstruments, ausgewertet und sowohl wissenschaftlich publiziert als auch Nichtregierungsorganisationen im Bereich des Kinderschutzes zur Verfügung gestellt. Die Gerda Henkel Stiftung fördert das Projekt im Rahmen ihres Sonderprogramms Sicherheit, Gesellschaft und Staat.

Raum zur Durchführung von Interviews mit vom Krieg beeinträchtigten Kindern