Kulturerbe in Gefahr

Ausschreibung „Emergency Preparedness for Cultural Heritage under Threat“ mit dem Prince Claus Fund, Amsterdam

Der ursprüngliche Eingang des Wangduechhoehling-Palastes in Bhutan

Archive, Bibliotheken, Museen, archäologische Stätten und historisch bedeutende Gebäude sind weltweit durch Natur- oder menschengemachte Katastrophen bedroht. Erdbeben, Überschwemmungen und Brände, aber auch Kriminalität und Krieg führen dazu, dass Kulturerbe in seinem Bestand gefährdet ist oder vernichtet wird. Eine gute Vorbereitung der lokal Verantwortlichen auf mögliche Szenarien kann in vielen Fällen jedoch dazu beitragen, dass Schäden und Verluste geringer ausfallen und wertvolle Sammlungen oder Stätten geschützt werden.

Gemeinsam mit dem Prince Claus Fund, Amsterdam, hat die Stiftung im Berichtsjahr eine Ausschreibung zur Krisenprävention für materielles Kulturerbe in Ländern Afrikas, Asiens, Lateinamerikas und der Karibik auf den Weg gebracht. Beide Stiftungen engagieren sich für den Erhalt kulturellen Erbes in Krisenregionen – der Prince Claus Fund in seinem Programm Cultural Emergency Response, das auf rasche und effektive Notfallhilfe ausgerichtet ist, die Gerda Henkel Stiftung in ihrem Förderschwerpunkt Patrimonies. Unter dem Titel „Emergency Preparedness for Cultural Heritage under Threat“ waren Kulturinstitutionen und zivilgesellschaftliche Organisationen dazu eingeladen, Vorschläge zur Verhinderung oder Minimierung von Schäden an Sammlungen, Stätten und Gebäuden einzureichen. 143 Bewerbungen aus 57 Ländern gingen ein, neun Projekte aus acht Ländern wurden in die Förderung aufgenommen.

Die Bewahrung historischer Strukturen für Trinkwasser und Landwirtschaft steht im Zentrum von Projekten in Kenia und Indien: Die Marakwet Community Heritage Group plant, die historischen Bewässerungsgräben im Kerio-Tal gegen Erdrutsche zu schützen. Die indische NGO Gram Bharati Samiti kümmert sich um den Erhalt des reichhaltig verzierten Sayeed-Stufenbrunnens in Jaipur, Rajasthan, und nimmt ihn wieder in Betrieb. Vorsorge zum Schutz historisch wertvoller Gebäude wird in Bhutan, Indien und Peru getroffen: Die Bhutan Foundation entwickelt einen Brandschutzplan für den Wangduechhoeling-Palast, eines der wichtigsten historischen Monumente des Landes. Durch eine enge Zusammenarbeit mit der Polizei werden die Ergebnisse dieses Pilotprojekts anschließend auch für weitere hölzerne Bauten in Bhutan zur Verfügung stehen. In der indischen Stadt Shimla sollen das 1887 im viktorianisch-gotischen Stil erbaute Gaiety-Theater und seine Besucherinnen und Besucher gegen Ereignisse wie Brände, Erdbeben, Erdrutsche und Massenpaniken geschützt werden. Die Organisation Friends of Art in the Andes in Peru kümmert sich um zehn katholische Kirchen von historischem Wert, die im täglichen Leben und in der lebendigen Alltagskultur ihrer Gemeinden eine zentrale Rolle spielen. Mit der Förderung wird sie zehn lokale Teams in Katastrophenvorsorge und Krisenreaktion ausbilden, um die Kirchen im Falle eines Erdbebens oder Feuers schützen zu können.

Um den Erhalt von Museen und Archiven geht es in Projekten in Simbabwe, Jamaika, Surinam und Jemen: Das Natural History Museum of Zimbabwe in Bulawayo entwickelt einen Katastrophenplan zur Bewahrung seiner bedeutenden Sammlung von Naturzeugnissen und kulturellen Artefakten vor Bränden und Überflutung. Das National Museum of Jamaica sieht sich vielfältigen Bedrohungen wie Wirbelstürmen, Überflutungen und Erdbeben ausgesetzt und wird die aus über 17.000 Objekten zur jamaikanischen Geschichte bestehende Sammlung durch Ausbildungsmaßnahmen zur Risikobewertung, Priorisierung von Rettungsmaßnahmen und Digitalisierung schützen. Die National Archives of Suriname möchten dabei helfen, Katastrophen- und Notfallvorsorgepläne für zwanzig Kulturerbestätten in der Region Paramaribo zu entwickeln, denen von steigenden Meeresspiegeln, Stürmen, Bränden und Überschwemmungen Gefahr droht. Im Jemen wiederum wird die Imam Zaid Bin Ali Cultural Foundation das Personal öffentlicher und privater Handschriftensammlungen aus- und weiterbilden. Inmitten des anhaltenden bewaffneten Konflikts plant sie Maßnahmen zur Dokumentation, Digitalisierung und Inventarisierung.

Angesichts des großen Bedarfs und Interesses haben der Prince Claus Fund und die Gerda Henkel Stiftung die Initiative „Emergency Preparedness for Cultural Heritage under Threat“ im Frühjahr 2020 zum zweiten Mal ausgeschrieben.