Projekt
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Mit Pfeil und Bogen

Mit Pfeil und Bogen

Auf den Spuren der Verbreitung der Pfeilbogen-Technik in den südlichen Anden

Projektleitung

Dr. Erik Marsh

Institutionen

CONICET, Mendoza
Universidad Nacional de Cuyo, Mendoza

Förderung

Die Gerda Henkel Stiftung unterstützt das Vorhaben durch die Gewährung eines Forschungsstipendiums für die wissenschaftliche Bearbeiterin Dr. Silvina Celeste Castro. Reisekosten sowie Kosten für die isotopischen und Radiokarbonanalysen werden ebenfalls von der Stiftung übernommen.

„Pampa de Canota“, Hochgebirgsweide im nördlichen Mendoza, Argentinien

Die Erfindung von Pfeil und Bogen markiert einen Wendepunkt in der Geschichte der Menschheit: Sie läutet gemeinsam mit weiteren Markern den Beginn des Neolithikums ein. Die Verwendung dieser Technik ist ein den Menschen in allen Weltregionen gemeinsamer, in der Menschheitsgeschichte ganz wesentlicher und doch unterschätzter Prozess. Als Speere durch Pfeil und Bogen ersetzt wurden, war dies die radikalste Veränderung im Werkzeugkasten des Homo sapiens – denn die Waffe ist präziser und kann mit höherer Geschwindigkeit und über größere Entfernungen abgefeuert werden. Sie erwies sich als effektiver für verschiedene Jagdsysteme in fast jeder Umgebung und ermöglichte es den Menschen so, beinahe jedes Ökosystem auf dem Planeten zu besetzen. Begünstigt durch den Gebrauch von Pfeil und Bogen und in Einklang mit anderen Merkmalen des Neolithikums, wuchsen die Populationen, wurden die Menschen sesshafter und die Ressourcenbasis diversifizierte sich.

„Als Speere durch Pfeil und Bogen ersetzt wurden, war dies die radikalste Veränderung im Werkzeugkasten des Homo sapiens.“

Geschossspitze vom Standort Khonkho Wankane, Bolivien, südlich des Titicaca-Sees. Auf etwa 200–700 v. Chr. datiert.
Hinteres Ende eines Pfeilschafts aus Chusquea Culeou, chilenischem Bambus, von der archäologischen Stätte El Mallin, Mendoza. Datiert auf etwa 500 n. Chr.

Das Forschungsteam um Dr. Erik Marsh vom Instituto Interdisciplinario de Ciencias Básicas in Mendoza, Argentinien, und Dr. Silvina Celeste Castro als Research Fellow interessiert sich bei der Nutzung von Pfeil und Bogen insbesondere für die Andenregion und konzentriert sich auf Chile, Argentinien, Peru und Bolivien. In diesen Gebieten wurde, besonders in der südlichen Region, bislang noch überraschend wenig über die Ausbreitung der Technologie geforscht – und das, obwohl die Vermutung nahe liegt, dass der Bogen hier, genauer in der Nähe des Titicaca-Sees in den zentralen Anden in Peru und Bolivien, vor etwa 3.500 Jahren erstmals eingesetzt wurde. In den Amerikas wurde der Bogen unabhängig von anderen Weltregionen erfunden, wenngleich bislang wissenschaftlich nicht erwiesen ist, wann und wo. Es ist auch plausibel, dass die Technologie unabhängig voneinander in verschiedenen Teilen Amerikas angewendet wurde. Dr. Marsh verfolgt die These einer zunächst langsamen Ausbreitung über die Trockendiagonale in der Atacama Wüste, von Chile bis nach Argentinien. Darauf folgte Jahrtausende später, als der Bogengebrauch das nördliche Patagonien erreichte, eine raschere Verbreitung. Um diese Hypothesen zu überprüfen, untersucht sein Team die Form von Geschossspitzen. Außerdem analysiert die Forschungsgruppe ethnographische Produktionsprozesse in der Herstellung von Pfeil und Bogen und erstellt Karten, die die Verteilung der erforderlichen Rohstoffe anzeigen.

„In den Amerikas wurde der Bogen unabhängig von anderen Weltregionen erfunden, wenngleich bislang wissenschaftlich nicht erwiesen ist, wann und wo.“

In den gesamten südlichen Anden scheint die Einführung von Pfeil und Bogen nicht zeitgleich mit anderen neolithischen Veränderungen stattgefunden zu haben, wie beispielsweise der Verwendung von Keramik, die hier fast ein Jahrtausend früher nachgewiesen werden kann. Solche Ausnahmen von globalen Trends machen die Region zu einem besonders faszinierenden Untersuchungsgebiet, um Ausbreitungsraum und -zeitraum von Pfeil und Bogen zu untersuchen.

Die Forschungsergebnisse des Projekts werden in spanisch- und englischsprachigen Fachzeitschriften publiziert und sollen dazu beitragen, die bislang spärliche Datenlage für die Andenregion und somit auch das Verständnis weiträumiger Veränderungen in Südamerika in der Zeit des Neolithikums zu erweitern.