Projekt
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Die Cityscape Vulcis vor dem neuen Tempel

Die Cityscape Vulcis vor dem neuen Tempel

Frühe Urbanisierungsprozesse einer etruskischen Metropolis

Projektleitung

Dr. Mariachiara Franceschini
Dr. Paul Pasieka

Institution

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Förderung

Die Gerda Henkel Stiftung unterstützte das Vorhaben durch die Übernahme von Personal-, Reise- und Sachkosten.

Keine zehn Kilometer vom Tyrrhenischen Meer entfernt am rechten Ufer des Flusses Fiora auf einem erhöhten Plateau liegt Vulci – eine der zwölf Städte des etruskischen Bundes und in vorrömischer Zeit eines der wichtigsten urbanen Zentren der italischen Halbinsel. Die Nekropolen der Stadt legen seit ihrer ersten Ausgrabung 1828 reiches Zeugnis über ihre historische, politische sowie ökonomische Bedeutung ab und zeichnen das Bild einer Stadt im Zentrum weitreichender mediterraner Netzwerke. 

Seit 2020 untersuchen die Archäologen Dr. Mariachiara Franceschini und Dr. Paul Pasieka in ihrem Projekt „Vulci Cityscape“ die Stadt in einer größeren Fläche und gehen dabei über die Grenzen der Nekropole und Oberflächenfunde hinaus. Aus den Besiedlungsspuren, die bis in die Anfangszeit der Stadt zurückreichen, sollten so wertvolle Informationen über den Urbanisierungsprozess und die verschiedenen Etappen der Stadtentwicklung gewonnen werden. Bei der geomagnetischen Prospektion und der Untersuchung des Bodens mit einem sogenannten Bodenradar stießen die Archäologen nördlich des decumanus, der Hauptstraße der Stadt, auf einen monumentalen Tempel. Der Neufund war mit circa 40×27 Metern fast genauso groß wie der in den 1950ern entdeckte tempio grande, von dem man bislang angenommen hatte, er sei der Haupttempel der Stadt gewesen. Eine etruskische Stadt mit zwei Haupttempeln wäre ein bemerkenswerter Befund. Aber mehr noch: Auch ein weiteres, 22×13 Meter messendes Gebäude wurde entdeckt, das ebenfalls öffentlichen, gegebenenfalls kultischen Handlungen vorbehalten war. Vulci, so die bisherigen Ergebnisse, verfügte offenbar über ein regelrechtes Sakralquartier.

„Vulci verfügte offenbar über ein regelrechtes Sakralquartier.“

Basierend auf den Ergebnissen einer von der Fritz Thyssen Stiftung geförderten Vorgrabung im Jahr 2021 begannen die Archäologen im Berichtsjahr eine Grabungskampagne, um die frühen Phasen Vulcis über einen gezielten, hochauflösenden Ausgrabungsschnitt in den Blick zu nehmen. Der Bau des neuen Tempels in spätarchaischer Zeit bot dabei einen sicheren terminus ante quem am Ende des 6. Jahrhunderts vor Christus für die darunter liegenden Schichten. Beim Bau des Tempelpodiums waren große Mengen Dachterrakotten als Füllmaterial verwendet worden, die gemeinsam mit anderen Funden auf eine sakrale Nutzung des Areals bereits vor dem Bau des Tempels hinweisen. Auch Verkleidungsplatten mit figürlichem Dekor waren darunter, die zu früheren Monumentalgebäuden gehört haben müssen. Durch die großflächige Ausgrabung ließen sich auch die Felsabarbeitungen untersuchen. Von besonderem Interesse war dabei, ob sich die Abarbeitungen zu größeren Strukturen zusammenfügen lassen und ob sie beispielsweise zu Bauten aus vergänglichen Materialien wie Hütten gehörten. Diese Informationen zusammengenommen geben Aufschluss darüber, wie genau sich die Nutzung des Areals entwickelte.

Die Kampagne trug wesentlich dazu bei, am Beispiel von Vulci Fragen der Stadtwerdung in Etrurien zu beantworten. Sie erweiterte das Verständnis architektonischer Formen der frühen Eisenzeit beziehungsweise der orientalisierenden Zeit – vor allem der Ausbildung öffentlich-sakraler Areale als wesentlicher Etappen der gesellschaftlichen Formation der Etrusker. Die Ergebnisse des Projekts werden bei der Tagung „Vulci. Work in Progress 2“ im Frühjahr 2023 vorgestellt und zunächst als Vorbericht im entsprechenden Tagungsband publiziert.