Initiativen

Gefährdete Wissenschaft

Stipendien für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Krisengebieten

In vielen Regionen der Welt verlassen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aufgrund von krisenhaften politischen oder militärischen Entwicklungen ihre Hochschulen und versuchen, ihre akademische Karriere im Ausland fortzusetzen. Als international engagierte Förderinstitution leistet die Gerda Henkel Stiftung in mehreren Krisensituationen einen Beitrag und unterstützt Forscherinnen und Forscher dabei, sich außerhalb ihrer Heimatländer neu zu orientieren. Ausgelöst durch die Fluchtbewegung aus Syrien hat sie im Jahr 2015 einen „Temporären Förderschwerpunkt für gefährdete und geflohene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Krisengebieten“ auf den Weg gebracht, in dem in den Folgejahren unter anderem Promotions- und Forschungsstipendien für Historiker und Archäologen aus Syrien, dem Irak, dem Jemen und der Türkei vergeben wurden. Im Berichtsjahr hat sich die Stiftung in weiteren Ländern engagiert, in denen sich die Situation von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern akut verschlechtert hat.

 

Afghanistan

Als im August 2021 die Taliban die Macht in Afghanistan übernahmen, entschied das Kuratorium der Gerda Henkel Stiftung binnen weniger Wochen über die Einrichtung eines „Temporären Förderschwerpunkts für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Museumspersonal und Intellektuelle aus Afghanistan“. In dem mit 1,5 Millionen Euro ausgestatteten Programm konnten bislang rund 50 Stipendien für Studien- und Forschungsaufenthalte von Afghaninnen und Afghanen aus den Bereichen Wissenschaft, Politik, Kultur und Kunst an Institutionen in Deutschland, dem europäischen Ausland und den USA vergeben werden. Ein Schwerpunkt liegt auf der Unterstützung von Frauen. In Zusammenarbeit mit der Max Planck Foundation for International Peace and the Rule of Law wurden Stipendien an 24 Mitglieder der Afghan Women Judges Association vergeben, die sich, begleitet von Vertreterinnen der jeweiligen nationalen Richterinnenvereinigungen, in Großbritannien, Irland, Rumänien und Deutschland, auf eine berufliche Zukunft außerhalb Afghanistans vorbereiten.

 

Äthiopien

Rund 30 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Forschungshilfskräfte aus den Geschichts- und Kulturwissenschaften an der Universität Mekelle (Tigray, Äthiopien) werden in einer von Prof. Dr. Wolbert Smidt (Jena/Mekelle) aufgelegten Initiative gefördert, die auf einer langjährigen akademischen Verbundenheit zwischen Deutschland und Äthiopien aufbaut. Die Geförderten erhalten die Gelegenheit während des militärischen Konflikts und des prekären Waffenstillstands im Regionalstaat Tigray ihr Studium bzw. ihre Promotions- und Forschungsprojekte an gastgebenden Hochschulen in Deutschland und weiteren europäischen Ländern mit in der Regel zweijährigen Stipendien fortzusetzen. Angesichts der Beeinträchtigung der akademischen Programme an den vom Krieg durch Plünderung und Schließung direkt betroffenen nordäthiopischen Universitäten sichert die Initiative das akademische Überleben von Kooperationen und Forschungen, auf denen später im Frieden aufgebaut werden kann. Für diejenigen Stipendiaten, die bereits in Europa eingetroffen sind, richtete das Forschungskolleg Transkulturelle Studien der Universität Erfurt am 20. und 21. Oktober 2022 in Gotha eine von Prof. Dr. Iris Schröder zusammen mit Professor Smidt und den Gothaer Stipendiaten koordinierte Jahrestagung aus, die dem akademischen Austausch und der gegenseitigen Vernetzung diente. Die Stiftung hat für die Initiative in den Jahren 2021 und 2022 Fördermittel in Höhe von einer Million Euro zur Verfügung gestellt.

Jahrestagung der äthiopischen Stipendiaten in Gotha am 21. Oktober des Berichtsjahrs

 

Ukraine

Für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Ukraine hat die Stiftung Anfang März ein mit 2,2 Millionen Euro dotiertes Förderprogramm mit drei Schwerpunkten initiiert. In einem eigenen Stipendienprogramm unterstützt die Stiftung vorrangig aktuell und ehemals geförderte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf dem Gebiet der Historischen Geisteswissenschaften. Sie ermöglicht ihnen den Aufenthalt an Forschungseinrichtungen und Universitäten in Deutschland sowie weltweit und bittet sie um Empfehlungen zur Hilfe für andere an ukrainischen Hochschulen Beschäftigte. Das Programm richtet sich auch an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Russland und Belarus, die aus politischen Gründen nicht mehr arbeiten dürfen, bedroht werden oder das Land verlassen müssen. Bislang wurden insgesamt 44 Stipendien vergeben. Darüber hinaus unterstützt die Stiftung die Philipp Schwartz-Initiative der Alexander von Humboldt-Stiftung für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die in ihren Herkunftsländern erheblicher und anhaltender persönlicher Gefährdung ausgesetzt sind. Der Verein MitOst e.V. erhält Fördermittel für humanitäre Hilfe, den Schutz von Kulturerbe sowie ein neu aufgelegtes Stipendienprogramm zur Unterstützung zivilgesellschaftlicher Akteure aus der Ukraine und deren Vernetzung mit deutschen und europäischen Partnerorganisationen.

Dokumentation geretteter Notizen und Skizzen von jungen ukrainischen Künstlerinnen und Künstlern