Projekt
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Techno-Totalitarismus und disruptive neue Technologien

Techno-Totalitarismus und disruptive neue Technologien

Technologisch vermittelte, Kulturformen des Widerstands gegen Myanmars wandelbare physische, psychologische und elektronische Kriegsführung

Projektleitung

Prof. Dr. Anthony Ware
Prof. Dr. Monique Skidmore
Prof. Dr. Costas Laoutides

Institution

Deakin University, Melbourne (Australien)

Förderung

Die Gerda Henkel Stiftung unterstützt das Vorhaben durch die Übernahme von Personal-, Reise, Sachkosten.

Seit dem Militärputsch des Generals Ne Win 1962 wird die Kommunikation zwischen Individuen und Gruppen in Myanmar durch ein weitverzweigtes Netz an Propaganda und Gegenpropaganda bestimmt.  Besonders deutlich wurde dies bei der Verfolgung der Minderheit der Rohingya im Jahr 2017. Über den gezielten Einsatz von Sprache, Karikaturen, Memes oder grafischen Inhalten beeinflusste das Regime die sozialen Einstellungen und schürte Intoleranz und Gewalt gegen die Rohingya, vor allem auf der Social-Media-Plattform „Facebook“. Auch mit dem jüngsten Militärputsch vom 1. Februar 2021 hat sich an dieser Dynamik nichts geändert – vielmehr brach ein Kampf um die Hoheit über den Cyberspace zwischen neuen Verschlüsselungs- und Überwachungstechnologien aus.

„Ein weitverzweigtes Netz an Propaganda und Gegenpropaganda“

Nachdem die Junta anfangs lediglich ihre bisherige Propaganda und psychologische Kriegsführung in den Cyberspace verlagert und die Internetverbindung gedrosselt hatte, um die Kommunikation der Opposition zu stören, begann sie nach dem Putsch 2021 neue Technologien zur Cyberüberwachung aus China, Russland, den USA, Israel und Schweden zu importieren. Dagegen setzen sich die zivilen Widerstandsbewegungen des Landes durch den Einsatz neuer, disruptiver Verschlüsselungstechnologien zur Wehr – mit Erfolg. Damit ist Myanmar das erste ostasiatische Konfliktgebiet, in dem soziale Medien und Verschlüsselungstechnologien entscheidende Faktoren in einer neuen Art des Bürgerkriegs werden könnten.

Die Konfliktforscher Prof. Dr. Anthony Ware, Prof. Dr. Monique Skidmore und Prof. Dr. Costas Laoutides untersuchen anhand der zivilen Konflikte des Landes den Einsatz und die Auswirkung neuer Technologien in der Auseinandersetzung zwischen einem Militärstaat mit techno-totalitären Ambitionen und einer Widerstandsbewegung, die sich als ein Labyrinth von neu gegründeten und alten bewaffneten Organisationen darstellt. Dabei versuchen die Forscher, folgende Frage zu beantworten: Auf welche Weise ermöglichen neue Technologien den Widerstand und die Widerstandsfähigkeit gegen autoritäre Kontrollstrukturen in Myanmar? Denn wer in dieser sich entwickelnden Reihe von Konflikten online die Oberhand gewinnen wird, ist ungewiss, ebenso wie das Ausmaß, in dem das Internet die physischen Ergebnisse beeinflusst.

Durch die Kombination von Interviews und Umfragen innerhalb einer möglichst repräsentativen Stichprobe untersuchen die Forscher mittels diskursanalytischer Methoden, wie soziale Medien von demokratischen Kräften genutzt werden und wie sie dazu beitragen, eine rivalisierende Armee zu schaffen, die von der neu gebildeten Nationalen Einheitsregierung im Exil kontrolliert wird. Darüber hinaus wollen sie dokumentieren, wie die Junta versucht, einen techno-totalitären Staat zu etablieren. Abschließend werden die Algorithmen der sozialen und künstlichen Intelligenz zur Kommunikation und Kontrolle analysiert, die gegenwärtig sowohl in Myanmar als auch in der politischen Diaspora eingesetzt werden, um die Erfolgswahrscheinlichkeit der verschiedenen politischen Visionen – und der dazugehörigen technologischen Infrastruktur – zu quantifizieren.

Die so gewonnenen Erkenntnisse sollen der Identifizierung von Handlungsoptionen für Politik und Zivilgesellschaft dienen und in Fachartikeln veröffentlicht werden.