Vorwort

Das Jahr 2022 war für uns alle eine Herausforderung. Die Welt befindet sich im Wandel und wir haben in den letzten Monaten erlebt, wie schnell vermeintliche Sicherheit zu Unberechenbarkeit werden kann. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine war nicht nur auf internationaler und politischer Ebene eine harte Zäsur, sondern auch – und vor allem – im Leben und in der Kultur der direkt betroffenen Menschen. Eine Situation, auf die wir als international agierende Stiftung reagieren wollten. Um schnelle und unbürokratische Abhilfe zu schaffen, hat die Gerda Henkel Stiftung aufbauend auf den Erfahrungen aus früheren Krisen beschlossen, ein Soforthilfeprogramm zur Unterstützung geflohener und gefährdeter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aufzulegen (siehe S. 9), durch das bislang 44 Stipendien vergeben werden konnten. Darüber hinaus werden Mittel für die Rettung und den Erhalt gefährdeter ukrainischer Kulturgüter bereitgestellt.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse wird die Bedeutung Historischer Geisteswissenschaften umso deutlicher. Nur durch das Verständnis der Vergangenheit können wir die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten. Dieses Verständnis möchten wir mit einem im Berichtsjahr neu eingerichteten Förderschwerpunkt zum Thema „Flucht“ erweitern. Dabei soll die theoretische Grundlagenforschung mit Konzepten verbunden werden, die für die aktuelle gesellschaftliche, humanitäre und politische Praxis Bedeutung haben. Zwölf Projekte mit einem Gesamtfördervolumen von rund einer Million Euro wurden anlässlich der Herbstsitzung der Gremien bereits bewilligt.

Gerade in unsicheren Zeiten ist es uns ein Anliegen, für unseren Stiftungszweck – die Förderung der Wissenschaft – einzutreten, weshalb die Stiftung 2022 eine Rekordfördersumme von mehr als 22 Millionen Euro für wissenschaftliche Vorhaben weltweit bereitgestellt hat – trotz der Volatilitäten auf den globalen Finanzmärkten, die sich auch auf das Kurswertvermögen der Gerda Henkel Stiftung auswirkten. Von 690,2 Millionen Euro zum 31.12.2021 fiel es erneut auf 624,5 Millionen Euro zum 31.12.2022.

Aber auch erfreuliche Ereignisse gab es im letzten Jahr. So war es endlich möglich, den Gerda Henkel Preis an die Wissenschaftshistorikerin und ehemalige Direktorin des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte in Berlin, Prof. Dr. Dr. h.c. Dr. h.c. Lorraine Daston, zu verleihen. Die Auszeichnung war ihr bereits 2020 zugesprochen worden, konnte jedoch aufgrund der Corona-Pandemie nicht früher überreicht werden. An dieser Stelle möchten wir der aus den Mitgliedern des Wissenschaftlichen Beirats der Stiftung sowie stiftungsunabhängigen Persönlichkeiten bestehenden Preisjury unter Vorsitz von Prof. Dr. Peter Funke danken.

Ebenso gebührt unser Dank den Gremien der Stiftung – Kuratorium, Wissenschaftlichem Beirat, Fachbeiräten und Finanzausschuss –, die die Arbeit des Vorstands sowie der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Geschäftsstelle wieder konstruktiv begleitet und neue inhaltliche Impulse gesetzt haben. Auch allen Kolleginnen und Kollegen sei an dieser Stelle herzlich für ihren Einsatz und ihr hohes Engagement gedankt!

Wir blicken zuversichtlich in die Zukunft und sind fest davon überzeugt, dass wir auch im kommenden Jahr unserem Förderauftrag wieder gerecht werden – überall auf der Welt. Denn, um mit unserer diesjährigen Preisträgerin Lorraine Daston zu sprechen, „der Traum von der Einheit der Wissenschaftler (…) ist nach wie vor höchst lebendig.“