Submarine Bilder

Studien zu Materialitäten und Milieus des Wissens (1870–1930)

Stipendiatin

Dr. Franziska Brons, Lüneburg

Förderung

Die Gerda Henkel Stiftung unterstützt das Projekt durch die Gewährung eines Forschungsstipendiums sowie die Übernahme von Reise- und Sachkosten.

Die Unterwasserwelt wird traditionell gedeutet als Heimstätte des Wunderbaren und Fremden, als Reich gefahrvoller Untiefen, verborgener Schrecken und unfassbarer Tiefe. Metaphern, Utopien und Phantasien zum Leben unter dem Meeresspiegel sowie dessen Wahrnehmung durchziehen die Literatur- und Ideengeschichte. Ein weniger bekanntes Kapitel der modernen Bildgeschichte erstreckt sich auf Photographien, Gemälde und Filme, welche die Tiefsee nicht mehr nur imaginieren halfen, sondern tatsächlich am Grund der Ozeane produziert wurden.

Louis Boutan, Darstellung der Aufnahme von Unterwasseransichten mit Hilfe von Magnesium-Licht, 1900
Louis Boutan, Photographie einer Unterwasserlandschaft, Bucht von Banyuls, 1893

Dr. Franziska Brons untersucht in ihrem kunsthistorischen Forschungsvorhaben submarine Bilder im Zeitraum von 1870 bis 1930 und geht dabei der Frage nach, wie Naturforscher und Künstler unter den erschwerten Bedingungen von Dunkelheit und Salzwasser gearbeitet haben. Ausgehend von den Versuchen des Ingenieurs und Erfinders Wilhelm Bauer, Bilder aus einem von ihm konstruierten Unterseeboot heraus anzufertigen, beschäftigt sie sich mit den Aufnahmen, Apparaturen und Schriften des französischen Biologen Louis Boutan sowie der britischen Naturforscher William Thompson und Francis Ward. Die ersten visuellen Vorstöße in aquatische Regionen fanden in der Regel an ozeanographischen bzw. meeresbiologischen Forschungsstationen wie dem „Laboratoire Arago“ in Banyuls-sur-Mer oder der „Stazione Zoologica Anton Dohrn“ in Neapel statt. Es ging dabei aber vorrangig nicht um die am Meeresboden vorgefundenen Organismen oder Zustände, sondern um das jeweilige Verfahren der Bildgewinnung, welches in idealisierenden Illustrationen auch einer breiteren Öffentlichkeit vermittelt wurde. Die Forscher und Konstrukteure, so eine These von Dr. Brons, arbeiteten in erster Linie an den photographischen Prozessen und den optischen Instrumenten, mit denen sie in ganz unterschiedlichen Gewässern Fauna, Flora und mineralische Formationen bildlich zu fixieren versuchten. Das photographische Bild avancierte zur Machbarkeitsstudie seiner selbst. Auch im submarinen Film zeigte sich der Verweis auf die medialen und materiellen Bedingungen der Produktion. Bereits in den ersten, 1914 präsentierten kinematographischen Unterwasseraufnahmen der Brüder John Ernest und George Williamson tritt das genuin filmische Element der Bewegung im Modus der Entschleunigung zu Tage. Dieser Effekt beherrscht auch das Œuvre des Filmemachers Jean Painlevé, dessen zoologische Lehrfilme sowohl im Aquarium in Paris als auch an der bretonischen Küste entstanden.

Zarh Pritchard, Angel Fish, Tahiti, 1923, Öl auf Leder, ca. 60x37 cm

Neben der submarinen Photographie und Kinematographie nimmt Dr. Brons auch die scheinbar kuriose und bislang in der kunsthistorischen Forschung kaum untersuchte peinture en pleine mer in den Blick. Im Zwischenbereich von naturwissenschaftlicher Exploration und ästhetischem Experiment hatten beispielsweise der österreichische Diplomat und Naturforscher Eugen von Ransonnet-Villez sowie der französische Expeditionskünstler Jean-Baptiste Henri Durand-Brager in den 1860er und 1870er Jahren noch versucht, ozeanisches Leben in eigens kreierten Taucherglocken auf die Leinwand zu bannen oder in Lithographien zu vermitteln. Erst der US-amerikanische Künstler Zarh Pritchard aber vermochte es ab dem Jahr 1905, malerische Studien direkt auf dem Meeresgrund anzufertigen. Entstanden seine Unterwasseransichten (Fischschwärme, Riffe und Felsen) anfänglich noch aus dem Gedächtnis an pro Motiv mehrfach wiederholten Tauchgängen, so experimentierte er in der Folge mit Materialien und Prozeduren, die es ermöglichen sollten, den Ort der Kreation auf den Meeresboden zu verlagern.

Marcel Lecoultre, Darstellung des Malers Zarh Pritchard auf dem Meeresgrund, 1921

Dr. Brons verbindet die formale Betrachtung von submarinen Bildern mit einer eingehenden Analyse und Rekonstruktion der technischen Materialitäten. Die Bildproduzenten im Skaphander sahen sich zum einen wiederholt durch Druckverhältnisse und Meeresfauna bedroht, zum anderen ließ die dunkle Tiefsee beispielsweise den für jede Photographie unabdingbaren Faktor Licht zwangsläufig zur Herausforderung werden – Film und Platte mussten gegen die Auswirkungen von (Salz-)Wasser geschützt werden. Ihre Untersuchung von Apparaturen und Verfahren der Forscher und Künstler verspricht neue Erkenntnisse über ein Milieu, das sich erst durch die experimentelle Adaptation eines Bildmediums an eine Umwelt formierte, die dessen Einsatz immens komplizierte.