IV. Befunde im Umland von Bubon

von Oliver Hülden

Im Verlauf des extensiven archäologischen Surveys im Umland von Bubon wurden zwischen 2004 und 2006 neben fünf als befestigt charakterisierten Plätzen (KIB 252, KIB 255, KIB 256, KIB 257 und KIB 258), ein Gehöft (KIB 190/1) mit einem ›Löwensarkophagdeckel‹ (KIB 190/2) und einem Grabaltar (KB 190/3) sowie Siedlungsreste mit einem mutmaßlichen Ares-Heiligtum (KIB 254) dokumentiert und mehr oder weniger ausführlich publiziert[1]. Im Rahmen des epigraphischen Surveys wurden darüber hinaus registriert[2]:

  • In Elmalıyurt (früher: Pırnaz): elf mit Inschriften versehene Grabsäulen (bzw. Fragmente von solchen), eine beschriftete und mit der Büste eines Jünglings verzierte Grabstele sowie ein rechteckiger, von einem Grabmonument stammender Inschriftenblock[3].

  • In Yeşildere/İbecikdere: zwei Grabsäulen/Grabaltäre mit Inschriften, eine beschriftete Grabstele in der Form eins Naiskos und eine stark bestoßene Steinplatte mit Grabinschrift[4].

  • In Sofular: zwei Grabsäulen/Grabaltäre mit Inschriften[5].

  • In Çameli: sechs beschriftete Grabsäulen/Grabaltären und eine Kalksteinplatte mit Grabinschrift[6].

  • An verschiedenen Orten nordwestlich von Bubon: vier Grabsäulen mit Inschriften und ein rechteckiger Block mit Grabinschrift[7].

  • In Altınyayla/Dirmil: sieben Grabsäulen/Grabaltäre mit Inschriften, eine Grabinschrift unbekannter Form, eine Grabstele mit Inschrift und Frauenrelief sowie zwei Weihungen, von denen sich die eine auf einer Stele mit Blitzbündel an einen unbekannten Adressaten richtet und die andere auf einem Reiterrelief an den Gott Alandros[8].

Ein Großteil der Inschriftenfunde hat also einen sepulkralen Bezug, wobei es sich mehrzählig um Grabsäulen oder Grabaltäre handelt[9]. Nur zwei Inschriften, die beide aus Altınyayla/Dirmil stammen, enthalten Weihungen an Gottheiten. Die Mehrzahl der Inschriftenblöcke ist wohl verschleppt, und bei allen sind die genaue Herkunft und der ehemalige Aufstellungskontext unbekannt. Die in Elmalıyurt angetroffenen Steine dürften allerdings ein antikes Dorf oder einen Weiler anzeigen[10], wie dies auch bei dem oben unter den Ortschaften nordwestlich von Bubon subsumierten rechteckigen Block der Fall sein dürfte. Er trägt eine Inschrift für einen verstorbenen (?) Diodoros und wurde von C. Naour auf dem Schulhof von Hekimler gesehen[11]. Ursprünglich wohl aus hellenistischer Zeit stammend, wurde der Stein sekundär als Türschwelle oder -sturz verwendet und soll mit einer Fundstelle nahe Hekimler in Verbindung stehen, die aus Bauresten und einer Scherben- sowie Ziegelstreuung besteht und somit auf die Existenz eines antiken Dorfes hindeutet. Im Schulhof hat Naour zudem Teile von Sarkophagen und Säulen sowie einen offenbar vollständigen kleinen Sarkophag (eine Ostothek [?]) mit Reliefs eines Rundschilds, zweier Speere und einer Scheintür beobachtet, die wohl ebenfalls von diesem Fundort stammten.

Während wir diesen beiden mutmaßlichen antiken Siedlungsplätzen im Verlauf unserer Feldforschungen nicht nachgehen konnten, haben wir 2012 jedoch die ländlichen Fundstellen im Umfeld von Bubon um die Siedlung KIB 189 westlich von Elmalıyurt erweitern können (Abb. 189. 3). Außerdem wurde das Gehöft KIB 190/1 bei Divre mit seinen beiden Gräbern erneut von uns autopsiert (Abb. 190. 2). Weiterhin außen vor blieb hingegen das ebenfalls durch Naour bekannt gemachte Felsgrab bei Kirazlıyayla (KIB 277; Abb. 277. 1).

Eine auf Vollständigkeit abzielende Erfassung von Fundstellen ist demnach nicht erfolgt. Trotz ihres nur punktuellen Charakters geben unsere Untersuchungen aber wichtige Einblicke in den zuvor fast völlig unbekannten ländlichen Raum um Bubon.

Karte 2 Fundstellenkarte des Gebiets von Bubon [Bildquelle: © ÖAW-ÖAI/Kibyratis-Projekt]
 

Die Siedlungsreste im Bereich des Kale Tepe

Östlich des Dikmen Tepe steigt das Gelände in der Form einer niedrigen bewaldeten Hügelkette an, durch die ein geschwungener kleiner Taleinschnitt, dem heute die moderne Straße folgt, zu einer ca. 70 ha großen Hochebene überleitet (Abb. 254. 4). Das östliche Ende dieser Ebene markiert ein großer, von Westen aus gesehen kegelförmiger Hügel, der den Namen Kale Tepe trägt und dessen Gipfel die beachtlichen Überreste einer befestigten Anlage (KIB 252) einnehmen (Abb. 252. 3).

Nachdem sie die Ebene gequert hat, verläuft die moderne Straße entlang dem Fuß dieses Hügels (Abb. 254. 2), um anschließend hinab in die Ebene von Altınyayla/Dirmil und damit in Richtung Balbura zu führen. Ein anderer Abzweig bildet dagegen die Verbindung zum südlich gelegenen türkischen Dorf Ballık und in der weiteren Verlängerung zum antiken Araxa. Da die Geländesituation kaum andere Möglichkeiten der Wegführung zulässt, folgt die moderne Überlandverbindung zweifellos antiken Routen[12]. Auf der gegenüberliegenden Seite des Kale Tepe wird die Straße ebenfalls von einem Hügel flankiert, wodurch eine Engstelle entsteht, in der die Fundstelle KIB 254 liegt[13].

Ihre Baureste, die von einem stark zerstörten Siedlungsplatz zeugen, verteilen sich über den weitgehend ebenen, teils dicht überwachsenen Hangfuß nördlich der Straße und sind im Gelände teilweise nur schwer auszumachen. Da eine genaue Aufnahme der einzelnen Befunde mit einem zu hohen Aufwand verbunden gewesen wäre, musste davon Abstand genommen werden. Das hat zur Folge, dass sich über die Ausdehnung und Struktur der Siedlung lediglich vage Aussagen treffen lassen.

Das ungefähre Zentrum der Siedlung bildet ein mindestens dreiräumiges Gebäude, dessen Mauern aus eher kleinteiligem und teils mit Mörtel verbundenem Bruchsteinmaterial bestehen. Gleiche Machart zeigen auch die stellenweise noch höher anstehenden Mauerzüge der umgebenden Bauten. Das zentrale Gebäude wurde 1956 von G. E. Bean erstmalig erwähnt, und in ihm haben er und F. Schindler rund zehn Jahre später zwei kaiserzeitliche Statuenbasen mit Inschriften gefunden, bei denen es sich wohl in beiden Fällen um Weihungen der ἀγορανόμοι von Bubon an Ares handelt[14].

 

Schindler verband in der Folge die beiden Weihungen an den Kriegsgott, die topographische Situation und die auf dem Kale Tepe gelegene befestigte Anlage KIB 252 miteinander und interpretierte die Örtlichkeit insgesamt als Festung, die den Verkehr auf der Straße zwischen Bubon und Balbura insbesondere gegen Überfälle von Räubern geschützt habe[15]. Bei seiner Interpretation war er aber nur in geringem Maße auf die archäologischen Befunde eingegangen, was sich erst im Zuge der Forschungen unter der Leitung von C. Kokkinia änderte. Diese hat in der Folge dann auch dafür plädiert, den Fundort der Inschriften mit dem ursprünglichen Aufstellungsort zu identifizieren und diesen als ländliches Heiligtum des Ares zu interpretieren[16].

Gewisse Zweifel an diesem Vorschlag klingen bei Kokkinia allerdings selbst an, weil die Gleichzeitigkeit von Gebäude und Inschriften nicht erwiesen ist[17]. Ebenso ist es nämlich denkbar, dass das ursprüngliche Heiligtum zerstört worden war und die beiden Basen erst sekundär in dem erhaltenen Gebäude verbaut wurden. Für dieses wäre infolgedessen eine andere Zeitstellung und wohl auch Funktion zu postulieren. Diesen Eindruck gewann offensichtlich auch A. S. Hall bei seinem Besuch, weshalb er eine Interpretation des Baus als Kirche in Betracht zog[18] – eine Vermutung, die sich wohl nur durch eine Ausgrabung klären ließe. Trotz dieser Unwägbarkeiten wird man allerdings davon ausgehen dürfen, dass sich das Ares-Heiligtum ehemals irgendwo am Fuß des Kale Tepe befand und die weihenden ἀγορανόμοι von Bubon dort für das Abhalten von Markt- und Festaktivitäten verantwortlich waren[19].

Die architektonischen Reste der das Heiligtum umgebenden dörflichen Siedlung zeigen eine unspezifische Bauweise, die nur eine grobe zeitliche Einordnung erlaubt. Die Verwendung von Mörtel legt aber immerhin eine nachhellenistische und teils sicherlich nachkaiserzeitliche Datierung nahe. Keramikscherben wurden 2006 bei einer nur flüchtigen Suche an der größtenteils mit Laub und Humus bedeckten Oberfläche nicht angetroffen, weshalb keine weiteren chronologischen Anhaltspunkte vorliegen.

Trotz der dünnen Belegsituation mag die Siedlung erst in der Kaiserzeit und vielleicht im Zusammenhang mit dem Bau des Heiligtums entstanden sein, um anschließend bis in die Spätantike oder sogar byzantinische Zeit zu überdauern. Wenn zudem Halls Eindruck von dem zentralen Gebäude zutrifft, könnte das pagane Heiligtum in dieser Spätzeit auch tatsächlich in eine Kirche umgewandelt worden sein. Die Lebensgrundlage der Siedlung dürfte die westlich des Kale Tepe gelegene, heute noch landwirtschaftlich stark genutzte Hochebene (Abb. 254. 4) gebildet haben – vorausgesetzt natürlich, dass das heutige Landschaftsbild dem antiken weitgehend entspricht.

Abb. 252. 1 İbecik/Kale Tepe: Plan der befestigten Höhensiedlung KIB 252 [Bildquelle: © ÖAW-ÖAI/Kibyratis-Projekt]
 

Im Gegensatz zur Talsiedlung sticht die schon genannte befestigte Anlage KIB 252 auf dem Gipfel des Kale Tepe unter sämtlichen im Umland von Bubon registrierten Fundstellen durch ihren guten Erhaltungszustand hervor und ist auch deutlich besser dokumentiert worden[20]. Eine erste detaillierte Beschreibung erfolgte 2006, in deren Rahmen auch ein Gesamtplan erstellt wurde[21], der jetzt in einer leicht modifizierten Fassung wiedergegeben werden kann (Abb. 252. 1).

Die Anlage mit ihren zwei Hauptachsen erweckt den Eindruck, von Grund auf geplant und in einem Zug errichtet worden zu sein. Hinweise auf Bauphasen, Reparaturen, Erneuerungen oder Erweiterungen fehlen ebenso wie differenziertere Bauten, die beispielsweise einen administrativen oder sakralen Charakter erkennen ließen. Auch Wirtschaftsanlagen sind – abgesehen davon, dass einige wohl als Höfe zu deutende Freiflächen zumindest partiell als Viehpferche und/oder Arbeitsflächen genutzt werden konnten – nicht zu erkennen. Ungeklärt ist ferner die Wasserversorgung, da Zisternen oder anderweitige Installationen dafür zu fehlen scheinen. Im gesamten Siedlungsareal finden sich schließlich nur sehr wenige unspezifische Keramikscherben und keine Hinweise auf Dachziegel.

Die zurückgezogene Lage auf dem Rücken des Kale Tepe deutet gemeinsam mit dem wehrhaften und kompakten Charakter der ca. 0,6 ha großen Anlage auf ein nicht unerhebliches Schutzbedürfnis hin. Die Wehrhaftigkeit ist aber zugleich begrenzt, da die Befestigungsmauer und die Tore zwar von einer gewissen Massivität sind, darüber hinausgehende fortifikatorische Instrumente aber fehlen. So existieren weder Türme oder Bastionen, noch zeigt der Mauerverlauf Versprünge, um Angreifer in der Flanke fassen zu können. Dennoch scheint die Anlage nicht nur auf ihre eigene Sicherheit bedacht gewesen zu sein, sondern mit der Kontrolle des Passes im Osten von Bubon eine strategisch durchaus wichtige Position eingenommen zu haben. So spricht die topographische Situation dafür, dass die Grenze zum Polisterritorium von Balbura in dem kleinen Nord-Süd orientierten Tal nur wenig östlich des Passes verlief[22]. Gleichwohl erweckt die Anlage in ihrer gesamten Struktur nicht den Eindruck einer befestigten Garnison, und es wäre angesichts der Größe auch zu fragen, wie Bubon eine solche Festung dauerhaft mit Soldaten hätte bestücken können.

Das Muster der Innenbebauung und die vollständige Steinbauweise der einzelnen Bauten zeugen davon, dass die Anlage auf Dauerhaftigkeit angelegt war. Das macht auch eine Funktion als Fluchtburg in Gefahrenzeiten unwahrscheinlich und spricht für eine Interpretation als befestigte Siedlung. Obgleich sich einige Räume in ihrem Zentrum zu Gebäudekomplexen zusammenschließen, scheint die insgesamt aber gleichförmige Bauweise der einzelnen Gebäude auf eine sozial wenig differenzierte Personengruppe als Bewohner hinzudeuten. Außerdem finden sich keine Hinweise auf Umbauten oder Renovierungen, weshalb der Siedlung offenbar keine allzu lange Lebensdauer beschieden war. Da auch keine Zerstörungen festzustellen sind, wurde sie vielleicht nach einer gewissen Zeit aufgegeben, wobei die Gründe dafür im Dunklen bleiben. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang das fast völlige Fehlen von Keramikscherben, was an eine Mitnahme der Gefäße bei dem Auflassen der Siedlung denken lässt. Auf dieselbe Ursache mag auch das Fehlen von Ziegeln zurückgehen, wobei eine alternative Erklärung auch sein kann, dass die Dächer der einzelnen Gebäude trotz ihrer Ausführung in Stein über eine Abdeckung aus Holz in Form von Langhölzern oder Schindeln verfügten.

Die befestigte Anlage auf dem Gipfel des Kale Tepe wird hier demnach als eine Art Wehrdorf gedeutet, und es ist jetzt der Frage nachzugehen, wie sich dieses einordnen und vor allem datieren lässt[23]. Die zweischalige Trockenbauweise der Mauern aus mittel- bis großformatigen, nur wenig bearbeiteten Bruchsteinen bietet kaum chronologische Anhaltspunkte. Ein besonderes Merkmal stellt die Eckbildung dar, die bei der Befestigungsmauer wie der Innenbebauung gleichermaßen auftritt. Bei ihr stechen einerseits die aufeinandergetürmten Felsblöcke durch ihre Größe hervor. Andererseits führt die abwechselnd gegenläufige Ausrichtung zu einer Verzahnung der Eckblöcke mit dem anschließenden kleinsteinigeren Mauerwerk (s. etwa Abb. 252. 24; 252. 48). Auch diese Bauweise allein taugt nicht als Kriterium für eine bestimmte zeitliche Einordnung, wie sich auch das altertümliche Erscheinungsbild nicht als zwingender Beleg für eine frühe Datierung heranziehen lässt[24]. Den Weg weisen vielmehr die Aussparungen für die hölzernen Schubriegel in den Torlaibungen (Abb. 252. 14; 252. 20), die für eine Datierung in die nachklassische Zeit sprechen[25]. Damit eröffnen sich verschiedene Möglichkeiten, um die Siedlung auf dem Gipfel des Kale Tepe zeitlich und in der Folge historisch einzuordnen[26].

 

Ausgehend von der Prämisse, dass die Existenz der Schubriegel eine frühere Datierung ausschließt, bietet sich zunächst eine chronologische Einordnung von Siedlung KIB 252 in die hellenistische Zeit an[27]. Tatsächlich finden sich auch trotz der Verwendung nur weniger Binderblöcke Gemeinsamkeiten mit den ›rustikaleren‹ Abschnitten des hellenistischen Stadtmauerrings von Balbura[28]. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich aber, dass dort selbst die gröber zugerichteten Blöcke ordentlicher in den Mauerverband eingefügt wurden und die Fugen überaus moderat ausfallen. Am Kale Tepe hingegen sind bei Befestigungs- wie Gebäudemauern die Fugen oftmals klaffend, weshalb sie mit kleineren, heute oftmals ausgebrochenen Bruchsteinen verschlossen waren (z. B. Abb. 252. 9; 252. 37).

Im Umland von Balbura sind ebenfalls einige Befunde registriert worden, die sich von ihrem Mauerwerk her als Vergleiche heranziehen lassen, und die J. J. Coulton unter den Begriffen »heavy masonry buildings« und »heavy masonry enclosures« zusammengefasst hat[29]. Bei ihnen handelt es sich allerdings keineswegs um eine homogene Gruppe[30], und ihre Mauern zeigen in den Details, etwa beim Fugenschluss, zum Teil größere Unterschiede. Außerdem reicht keine der Anlagen an die Komplexität und Größe der befestigten Siedlung vom Kale Tepe heran.

Alle diese Fundstellen zeichnet aus, dass an ihnen größere Mengen an Gefäßfragmenten gefunden wurden, die der mittelhellenistischen Zeit zugewiesen werden können[31] . Das hat Coulton dazu motiviert, die massiven Bauten jeweils als Zeugnisse der frühesten Siedlungsphase aufzufassen und mit den hellenistischen Keramikfunden zu verbinden, wohingegen er ebenfalls angetroffene spätere Scherben als Hinweise auf eine Weiterbenutzung wertet oder mit Um- und Anbauten in anderer Bauweise korreliert. Die »heavy masonry buildings« und »heavy masonry enclosures« sollen demnach mehrzählig aus der ersten Phase nach der Gründung von Balbura stammen, und Coulton möchte sie als »powerful statements of ownership and status in a territory newly claimed, protecting people, animals and goods from raiding neighbours« betrachten[32]. Obgleich bei der befestigten Siedlung auf dem Kale Tepe so eindeutige Hinweise auf eine hellenistische Datierung wie im Territorium von Balbura fehlen, können die dortigen Befunde und ihre Interpretation sicherlich als Stütze für die Möglichkeit betrachtet werden, dass auch im Umland von Bubon zur selben Zeit eine ähnliche Entwicklung stattgefunden hat, als deren Ausdruck sie dann zu betrachten wäre.

Eine spätere chronologische und historische Einordnung ist allerdings ebenso wenig von der Hand zu weisen, und ein nachhellenistischer Datierungsansatz ist für die befestigte Siedlung KIB 252 auch früher schon in Erwägung gezogen und sogar favorisiert worden. Im Wesentlichen gründete er auf historischen Argumenten[33]: Die anhaltende Gefahr durch Räuber und mitunter separatistisches Brigantentum, mit der die Bevölkerung von Bubon offensichtlich gegen Ende des 2. Jhs. n. Chr. zu kämpfen hatte, könnte die Ursache für den Bau der Siedlung auf dem Gipfel des Kale Tepe gewesen sein. Dorthin hätten sich die Menschen, die um das Heiligtum des Ares siedelten, temporär zurückgezogen, bis es schließlich gelang, den Räubern das Handwerk zu legen, wovon eine in Bubon gefundene Inschrift zeugt[34], die einen entsprechenden Dankesbrief des Kaisers Commodus an die Bürger von Bubon wiedergibt.

Dem ist hinzuzufügen, dass in der Region auch in den folgenden Jahrhunderten eine vergleichbare, zumindest punktuelle innere Gefährdungslage immer wieder auftrat[35], wobei das Sicherheitsgefühl – wie andernorts in Kleinasien – zudem durch Angriffe äußerer Feinde beeinträchtigt wurde, obwohl die eigentlichen Kriegsschauplätze gewöhnlich weit entfernt lagen[36]. Das führte zwischen dem 3. und dem 6. Jh. n. Chr. dazu, dass Stadtmauern an vielen Orten renoviert oder neu errichtet wurden[37], und in diesen Zeitabschnitt werden auch die späten Befestigungsmauern von Balbura und Oinoanda eingeordnet[38]. Am ländlichen Raum ging diese Entwicklung ebenfalls nicht spurlos vorüber, und so kam es dort gleichermaßen zur Befestigung von Dörfern, Weilern und mitunter von Einzelgehöften[39]. Aus historischer Sicht könnte die Siedlung auf dem Kale Tepe also auch zwischen dem 3. und dem 6. Jh. n. Chr. angelegt worden sein.

Was die unruhigen Zeiten zumindest des 3. Jhs. n. Chr. anbelangt[40], so ist dazu erst kürzlich von G. Labarre, M. Özsait und I. Güceren der Vorschlag unterbreitet worden, mit ihnen zwei befestigte Plätze auf dem Territorium des pisidischen Tymbriada zu verbinden[41]. Ausgangspunkt der Überlegungen ist der Gedanke, dass sich das Räuberwesen oder Brigantentum in der Region auch im archäologischen Befund niedergeschlagen haben müsse, wobei nicht nur an Abwehrmaßnahmen zu denken sei, sondern auch an die Frage, wo eigentlich die Urheber der Übergriffe selbst gelebt haben. Um diese Frage zu beantworten, wird vorgeschlagen, die Befestigung des einen Ortes (Yuvalı) als Maßnahme zum Schutz des südlichen Territoriums von Tymbriada zu begreifen, wohingegen der andere befestigte Ort (Çukurköy) Briganten, und damit dem Gegner, als Unterschlupf gedient habe. Aus archäologischer Sicht ist die Belegsituation für diese Deutung überaus dünn, da die Befestigungsmauern nicht eindeutig zu datieren sind und auch dem bloßen Verweis auf die Existenz kaiserzeitlicher Oberflächenkeramik nur eine geringe Aussagekraft zukommt. Nichtsdestotrotz liegt hier aber ein möglicher Lösungsansatz für eine berechtigte Frage vor.

Schon etwas älter ist hingegen der Versuch, eine weitere befestigte Anlage vor einem ähnlichen Hintergrund zu betrachten und als Vergleich zu der Gipfelbefestigung vom Kale Tepe heranzuziehen. Sie liegt beim türkischen Dorf Ovacık östlich der Ebene von Elmalı und wurde nach früheren kursorischen Beschreibungen von M. Harrison bekannt gemacht[42]. Ihre Wehrmauern sind ebenfalls aus groben Bruchsteinen ohne Mörtel aufgeschichtet, zeigen aber aufgrund des offenbar plattenartig brechenden lokalen Gesteins ein etwas anderes Erscheinungsbild als diejenigen vom Kale Tepe. Auch der Plan weicht etwas ab, da die Innenbebauung mit einer Ausnahme ausschließlich aus an die Innenschale des Befestigungsrings angesetzten Räumen besteht[43]. Ungeachtet dessen überwiegen die Gemeinsamkeiten, was die Verbindung mit weiteren Siedlungsbefunden miteinschließt. So ist die Anlage von Ovacık auf einer Anhöhe zwischen einem kleineren kaiserzeitlich datierten Siedlungsplatz und einer »late Roman town« situiert, die beide im Tal lagen und offenbar unbefestigt waren[44]. Das erinnert durchaus an die Situation am Kale Tepe, und hier wie dort ist das genaue Verhältnis der Orte zueinander schwierig zu bestimmen.

Es existieren dennoch einige Anhaltspunkte, die M. Zimmermann zu dem Versuch einer recht konkreten historischen Einordnung veranlasst haben[45]. Den Ausgangspunkt seiner Überlegungen bildet eine Inschrift, die 1975 von M. Harrison in Ovacık gefunden wurde und deren Inhalt sich auf die Belagerung des pisidischen Kremna sowie die damit verbundene erfolgreiche Bekämpfung von Räubern in den späten 270er Jahren n. Chr. bezieht. Zimmermann hat nicht nur die Datierung des Texts entsprechend berichtigt (Harrison ging zunächst von einem Datum im 4. Jh. n. Chr. aus), sondern auch den Bezug zur Gipfelbefestigung und der Talsiedlung von Ovacık hergestellt:

Im Zuge der Übergriffe isaurischer Räuberbanden auf den ländlichen Raum sei es nämlich zum Einsatz kleinerer, wohl lokaler taktischer Militäreinheiten gekommen, die dort von befestigten Plätzen aus operiert hätten. Ein solcher Platz, ein φρούριον, liege nun mit der befestigten Anlage vor, wobei die nebeneinander aufgereihten Räume der Innenbebauung als Unterkünfte für die stationierten Soldaten gedient hätten. Die größere Talsiedlung, die sich vermutlich mit einem Dorf namens Askura identifizieren lässt, sei zur selben Zeit als Ergebnis eines Zentralisierungsprozesses entstanden, in dessen Verlauf sich die verstreut lebende Bergbevölkerung unter den Schutz dieser Befestigungen begeben habe[46]. Zwei weitere ebenfalls in Ovacık gefundene Texte belegten schließlich ein Andauern des Gefahr, wobei das erfolgreiche Verteidigungskonzept eine Siedlungskontinuität bis in das 5./6., wenn nicht gar 7. Jh. n. Chr. erlaubt habe[47].

Diese Deutung ist zweifellos bestechend und wegen des inhaltlichen Bezugs der am Ort gefundenen Inschrift auch deutlich konkreter als im Fall der Überlegungen zu den befestigten Anlagen auf dem Gebiet von Tymbriada, die aus derselben Zeit stammen sollen. Auch Zimmermann kommt jedoch nicht umhin, mit den unvollständigen und etwas unpräzisen Angaben zu den archäologischen Befunden hantieren zu müssen, sodass er ebenfalls gewisse Widersprüchlichkeiten nur unzureichend auflösen kann. So hat sich Harrison stets für ein zeitliches Nacheinander von befestigter Anlage und Siedlung ausgesprochen und die Befestigung als spätrömisch/frühmittelalterlich bezeichnet[48], wohingegen Zimmermann diese Möglichkeit zwar auszuklammern versucht, aber nicht gänzlich entkräften kann[49]. Insofern ist auch das spätere, also frühbyzantinische Datum für die Befestigung von Ovacık keineswegs ausgeschlossen[50].

Lassen sich diese Überlegungen nun für die Einschätzung der Situation am Kale Tepe nutzen? Diese Frage ist eindeutig zu bejahen, zumal sich der späte zeitliche Ansatz durch einen bisher unbekannten Befund im Umland von Bubon von archäologischer Seite weiter stützen lässt. Es handelt sich um die vormals unbekannte Siedlung KIB 189 bei Elmalıyurt (Arslantaş), die erst weiter unten in ihrer Gesamtheit besprochen wird, auf die hier aber vorzugreifen ist. Unter ihren Überresten findet sich eine Gebäudeterrasse, deren Bauweise – gemeint ist konkret die Ecklösung – große Übereinstimmung mit derjenigen der Bauten von Siedlung KIB 252 aufweist (Abb. 189. 11; 189. 14).

Für sich genommen, besitzt diese Gemeinsamkeit sicherlich keine allzu große Aussagekraft. Im Gegensatz zu den Befunden vom Kale Tepe liegt von der Fundstelle KIB 189 aber eine kleine ›grab collection‹ von Scherben vor, mit deren Hilfe sich zumindest der zeitliche Rahmen der Siedlung abstecken lässt[51]. Das Spektrum umfasst ausschließlich die Kaiserzeit und die Spätantike, wohingegen am Ort keine Hinweise auf eine frühere Siedlungstätigkeit entdeckt werden konnten. Damit fällt die unbefestigte, in ihrem Kernbereich aber offenbar dennoch gesicherte Siedlung (s. dazu u. ausführlicher) genau in jenen Zeitraum, der in der vorangegangenen Diskussion im Zentrum stand.

Die erneute Betrachtung der Befunde vom Kale Tepe führt demnach zur weiteren Untermauerung einer zumindest nachhellenistischen Datierung mit einer Fokussierung auf der späteren Kaiserzeit bis Spätantike. Den historischen Hintergrund dürfte eine regionale Bedrohungslage bilden, die von Räuberbanden und Briganten ausging und zu der zunehmend auch eine Gefährdung von außen hinzukam. Die Gipfelbefestigung KIB 252 mag dabei zur Übernahme einer ähnlichen Schutzfunktion für die Talsiedlung KIB 254 mit dem Heiligtum des Ares angelegt worden sein wie die befestigte Anlage von Ovacık. Vielleicht ist das Ares-Heiligtum aber auch erst im Zusammenhang mit der Räubergefahr und mit deren Beseitigung gegründet worden[52]. Die befestigte Anlage auf dem Kale Tepe dürfte jedenfalls aufgrund ihrer Struktur kein reiner Militärposten mit stationierten Soldaten gewesen sein, sondern eine Wehrsiedlung, deren wehrhafte Bewohner sich selbst ebenso wie andere schützen konnten und damit zur Verteidigung des Territoriums von Bubon an strategisch wichtiger Stelle beitrugen. Wann genau die befestigte Siedlung entstanden ist und mit welchen konkreten Ereignissen ihre Erbauung und ihre Auflassung zu verbinden sind, kann ohne weitere Anhaltspunkte jedoch nicht gesagt werden.

 

Um die Betrachtung der Befunde vom Kale Tepe abzuschließen, ist noch das leicht separiert ungefähr im unteren Drittel des Hanges gelegene Gebäude KIB 256 in die Diskussion einzubeziehen. Seine durchaus eindrucksvollen Überreste bestehen aus einem fast quadratischen Kernbau und einer unregelmäßig kreisförmigen Einfriedung[53]. Der vor allem auf der südöstlichen Frontseite hoch erhaltene Kernbau zeichnet sich durch die gleiche überaus stabile und massive Bauweise aus, die vor allem der Befestigungsmauer von Siedlung KIB 252 zu eigen ist[54]: An den Ecken sind besonders große Felsblöcke in versetzter Ausrichtung so aufeinandergetürmt, dass sie mit dem dazwischenliegenden etwas kleinformatigeren Bruchsteinmauerwerk leicht verzahnen (Abb. 256. 5; vgl. dazu Abb. 252. 42); dieses Bauprinzip findet sich ebenfalls bei den beiden Laibungen des auf der Frontseite gelegenen Eingangs. Abgesehen davon, dass diesem Eingang eine kleine Baustruktur unbekannter Funktion vorgelagert ist, weist der Bau keine architektonischen Besonderheiten auf. Soweit zu erkennen, besaß er trotz seiner Größe auch keine Binnenunterteilung.

Die Einfriedung (Abb. 256. 9), die ein sehr unregelmäßiges Mauerwerk aus mittelformatigen Bruchsteinen zeigt, umfasst einen 0,2 ha großen Hof. Dessen Zuschnitt und Gestaltung lassen am ehesten an eine Nutzung als Viehgehege denken, womit der Kernbau folglich als Wohnbereich eines Gehöfts zu identifizieren ist. Die Größe der verwendeten Steine und die Stärke des Mauerwerks von ca. 1,20 m verleihen ihm zudem einen wehrhaften Charakter und könnten für einen turmartigen Aufbau sprechen, der aus Stein, aber auch aus einem vergänglicheren Material ausgeführt gewesen sein kann. Wir haben demnach vermutlich das Turmgehöft eines Viehhalters vor uns[55], der durchaus noch andere Formen der Landwirtschaft betrieben haben mag, auch wenn sich dafür, abgesehen von der Nähe zu der westlich gelegenen Fruchtebene, keine konkreten Anhaltspunkte mehr ergeben.

Aufgrund einer ähnlichen Ausgangslage und der weitgehend übereinstimmenden Bauweise können für das mutmaßliche Gehöft die gleichen Überlegungen im Hinblick auf die Datierung und historische Einordnung angestellt werden wie für die befestigte Siedlung auf dem Gipfel des Kale Tepe. Bestehen bleibt dabei jedoch das Grundproblem, dass diese Fragen nur auf der Basis des Mauerwerks und historischer Szenarien diskutiert werden können, während weitere Datierungskriterien wie etwa Oberflächenfunde fehlen. Erschwerend kommt das ungeklärte zeitliche wie anderweitige Verhältnis zwischen Gehöft, Gipfel- und Talsiedlung hinzu.

Die Zeitansätze und Erklärungsmodelle, die hier vorgeschlagen werden können, basieren also auf denselben Grundlagen, die zuvor für die Siedlung KIB 252  diskutiert worden sind, gestatten aber nicht wie dort die Fokussierung auf ein bestimmtes Szenario. Das bedeutet, dass einerseits eine mittelhellenistische Datierung für das Gehöft in Frage kommt, was eine Identifizierung des Besitzers als Vertreter jener neuen Gruppe von Landbesitzern zur Folge hätte, die nach der Gründung von Bubon eine Neuordnung des ländlichen Raumes vorgenommen haben soll[56]. Andererseits lässt sich das Gehöft wegen seines wehrhaften Charakters ebenso mit der seit dem 2. Jh. n. Chr. virulenten Räubergefahr im ländlichen Raum verbinden, weshalb es durchaus in dieser Zeit, aber auch noch später, etwa in der Spätantike, entstanden sein kann[57].

 

Die Gipfelbefestigung von Kızılağaç

Die ebenfalls auf einem Gipfel platzierte befestigte Anlage KIB 258 liegt nur knapp 2 km Luftlinie entfernt vom Kale Tepe. Ihre Struktur ist derjenigen von Höhensiedlung KIB 252 überaus ähnlich, und sie wirkt mit ihren ca. 0,12 ha beinahe wie deren verkleinerte Ausgabe. Auch beim Bruchsteinmauerwerk finden sich Übereinstimmungen, wobei in Kızılağaç der Erhaltungszustand schlechter ist und markante Ecklösungen wie am Kale Tepe fehlen. Außerdem fand hier und da eine verhältnismäßig weicher Mörtel beim Bau Verwendung (Abb. 258. 8). An einer Stelle sind darüber hinaus deutlich besser bearbeitete Blöcke mit schrägem Fugenschnitt zu beobachten, die sorgfältig zwischen anstehende Felsen eingefügt wurden (Abb. 258. 10). Dieser kurze Mauerabschnitt scheint nicht mit den übrigen Mauern zu korrelieren. Sein Hintergrund lässt sich aber nicht klären, weil sich der Mauerverlauf zwar noch ein wenig anhand von Felsbettungen verfolgen lässt, dann aber im Gelände verliert.

Datierung und Interpretation erweisen sich erneut als schwierig. Die der Anlage auf dem Kale Tepe ähnliche Struktur kann ebenfalls auf eine befestigte Siedlung im Sinne eines Wehrdorfes  hinweisen. Die Lage ist aber deutlich abgeschiedener (Abb. 258. 2), was auch das räumliche Verhältnis zu landwirtschaftlich nutzbaren Flächen betrifft. Auffällig ist zudem der gute Rundumblick, durch den sowohl das im Norden anschließende Hochtal in Richtung Altınyayla/Dirmil als auch das schmalere südliche Tal mit dem Passweg nach Araxa kontrolliert werden konnten[58]. Insofern mag bei der Gipfelbefestigung vielleicht doch der Aspekt militärischer Sicherung im Vordergrund gestanden haben.

Von historischer Seite bietet sich ein Zusammenhang zwischen dem Bau der Anlage und jenem Krieg an, den Araxa um die Mitte des 2. Jhs. v. Chr. gegen Bubon unter dem Tyrannen Moagetes führte[59]. Die Gipfelbefestigung mag zu dieser Zeit allerdings etwas anders ausgesehen haben, da ihrer ersten mittelhellenistischen Bauphase vermutlich nur der weiter oben beschriebene Mauerzug zuzurechnen ist, der sich deutlich von den übrigen Bauresten unterscheidet[60]. Erst später dürfte die Anlage dann ihre heute erkennbare Struktur erhalten haben[61], wobei dieser Umbau wohl irgendwann zwischen Kaiserzeit und Spätantike stattgefunden hat. Damit ist er wahrscheinlich mit derselben von Räubern und Briganten ausgehenden Bedrohungslage zu verbinden, die den möglichen Hintergrund für die Errichtung der befestigten Siedlung KIB 252 bildete. Unklar bleibt dabei, in welchem Verhältnis die beiden nicht allzu weit entfernt voneinander gelegenen Anlagen zueinander standen. Mit der Gipfelbefestigung KIB 258 könnte jedenfalls eine jener Verteidigungseinrichtungen in der Region vorliegen, die bis in die hellenistische Zeit zurückreichen sollen und auf die man in späterer Zeit wieder zurückgriff[62].

 

Die Gipfelbefestigung auf dem Taraklı Tepe

In ca. 3 km Entfernung fast genau südlich von Bubon liegt der Taraklı Tepe am Rand der sich vom Dikmen Tepe aus nach Südwesten erstreckenden ausgedehnten Fruchtebene. Der Hügel ist nicht allzu hoch und schroff, flankiert aber von Westen einen kleinen Taleinschnitt, der zu weiteren kleinen Hochtälern in östlicher Richtung überleitet.

Das leicht felsige Gipfelplateau des Taraklı Tepe nehmen fast vollständig die Überreste einer kleinen Anlage ein (KIB 255; Abb. 255. 1), die offenbar von zwei Seiten zugänglich war und aus einem schlichten Mauerring aus Bruchsteinen unter partieller Einbeziehung von anstehendem Fels bestand. Hinweise auf eine Innenbebauung existieren nicht. Aufgrund der geringen Größe scheint die Anlage als Fluchtburg wenig geeignet, und auch einen Viehpferch wird man in ihr schwerlich erkennen wollen. Vielmehr dürften die guten Sichtverbindungen – im Norden nach Bubon (Abb. 255. 7) sowie nach Westen in Richtung des Durchbruchs zum nördlichen Teil der Ebene bei Siedlung KIB 189 (Abb. 255. 10) – und die Platzierung an einem der Zugänge zur Ebene für die Deutung einer aus Sicherheitsgründen errichteten Gipfelbefestigung sprechen.

Die Zeitstellung der Anlage ist wegen fehlender baulicher Merkmale und der völligen Absenz von Oberflächenkeramik unklar. Grundsätzlich kommen sämtliche der zuvor für die anderen befestigten Anlagen in Bubon beschriebenen und von hellenistischer Zeit bis in die Spätantike reichenden Bedrohungslagen als Hintergrund für die Errichtung in Frage. Tendenziell ist aber vielleicht ein späteres, also kaiserzeitliches oder spätantikes Bau- und Nutzungsdatum zu präferieren[63].

 

Die Siedlung auf dem Arslantaş

Den östlichen Ausgang der Ebene von Elmalıyurt dominiert eine kreisförmige Ansammlung von Hügeln, die teilweise durch Winterbachtäler voneinander getrennt sind und ein kleines Hochtal umschließen (Abb. 189. 20). Der höchste nördliche Hügel dieser Ansammlung wird von einem kleinen felsigen Plateau bekrönt, um das sich ein antiker Siedlungsplatz erstreckte (KIB 189; Abb. 189. 1).

Auf dem Plateau selbst konnten keine Baureste entdeckt werden, und auch Felsabarbeitungen sind dort allenfalls noch zu erahnen (Abb. 189. 4). Gleichermaßen fehlen Keramik- oder Ziegelfragmente auf der Felsoberfläche, was aber damit erklärt werden kann, dass diese im Laufe der Zeit herabgefallen sind und heute am Fuß der Felsformation liegen. Obwohl demnach keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dürfte das Plateau in irgendeiner Weise bebaut gewesen sein. Schwerlich will es nämlich einleuchten, dass dieser leicht zu sichernde höchste Punkt nicht baulich genutzt worden ist, wo man doch grundsätzlich an einer gewissen Sicherheitslage bei der Auswahl des Siedlungsplatzes interessiert gewesen zu sein scheint. So erinnert die Situation ein wenig an jenes kleine Felsplateau, das den Gipfel des Dikmen Tepe bildet und auf dem sich offenbar ehemals eine kleine Burganlage erhob, die möglicherweise den Beginn der Siedlungsentwicklung des archaisch/klassischen Bubon markiert (Abb. 250. 6)[64].

Der keramische Befund der Fundstelle KIB 189 lehrt allerdings, dass kein so frühes Einsetzen der Siedlungsaktivitäten vorliegt, sondern dass deren Anfang frühestens in die späthellenistische Zeit, wahrscheinlicher aber in die frühe Kaiserzeit fällt[65]. Eine regelrechte Burganlage wird man daher auf dem Felsplateau kaum erwarten wollen. Stattdessen ist vielleicht von einem Rückzugsort im Falle drohender Gefahr auszugehen, wobei die weitgehende Unzugänglichkeit wohl schon ausreichenden Schutz für die wie auch immer geartete Bebauung des Plateaus bot.

Hinweise auf das postulierte Sicherheitsbedürfnis der Bewohner von Siedlung KIB 189 scheinen sich auch am Fuß der zentralen Felsformation zu finden. Während von der Bebauung des spornartigen, durch eine felsige Geländekante begrenzten Bereichs im Norden an der Oberfläche kaum noch etwas zu erkennen ist, erstreckt sich parallel zur Ostseite des Felsplateaus eine mit einigem Aufwand geschaffene ca. 5–6 m breite Terrassierung (Abb. 189. 8), auf der sich offenbar einzelne einräumige Gebäude aneinanderreihten. Zwei von ihnen (Bau 3 und 4) sind noch in ihrem Grundriss nachzuvollziehen, wobei der Bau 3 das am besten erhaltene Gebäude der Siedlung darstellt (Abb. 189. 12). Seine östliche Außenmauer (wohl die Rückwand) liegt ebenso wie bei Bau 4 auf gleicher Linie mit der Terrassenmauer, die sich – einer felsigen Geländekante folgend – ehemals entlang der gesamten Ostflanke der Siedlung entlanggezogen (Abb. 189. 7) und eine Einfriedung mit durchaus wehrhaftem Charakter gebildet haben könnte.

 

Südlich der zentralen Felsformation bietet sich ein etwas anderes Bild. Dort verteilen sich die Reste einzelner rechteckiger Gebäude über den eher flachen Hangbereich, und es ist nicht zu erkennen, dass hier irgendwelche Befestigungsmaßnahmen ergriffen worden wären (Abb. 189. 3). Sämtliche der Bauten, von denen sich zwei (Bau 1 und 2) einigermaßen gut an der Oberfläche erfassen lassen (Abb. 189. 5), scheinen nur über eine geringe Größe und einen einzigen Raum verfügt zu haben, wohingegen Hinweise auf komplexere Bauten im gesamten Areal der Siedlung fehlen. Gräber sind ebenfalls nicht auszumachen.

Insgesamt haben wir demnach eine in Teilen offene Streusiedlung mit vermutlich dörflichem Charakter vor uns, die aber eine Sicherheitslage einnahm und im Kern an ihrem höchstem Punkt einen besonders geschützten Bereich besaß, der als letzter Rückzugsort genutzt werden konnte[66]. Da die aufgehenden Teile der Bauten fehlen, lassen sich zu ihnen nur Mutmaßungen anstellen. Die Versturzmengen am Ort halten sich in Grenzen, weshalb in einem hohen Maße Steinraub stattgefunden haben müsste. Möglich ist das zwar, aber wegen der etwas zurückgezogenen Lage der Siedlung eher unwahrscheinlich. Insofern ist wohl nicht davon auszugehen, dass die Gebäude vollständig in Stein ausgeführt waren. Gedeckt waren ihre Dächer jedenfalls mit Ziegeln, von denen sich zahlreiche Fragmente an der Oberfläche finden[67]. Anzeichen für Umbauten oder Reparaturmaßnahmen sind nicht zu entdecken, was in diesem Fall aber größtenteils dem schlechten Erhaltungszustand geschuldet sein kann. Eine zeitliche Differenzierung der einzelnen Bauten lässt sich ebenfalls nicht vornehmen.

Auf welchen wirtschaftlichen Grundlagen die Siedlung existierte, lässt sich nur allgemein beantworten. Nördlich und nordwestlich des Hügels erstreckt sich die große fruchtbare Ebene, die von İbecik aus nach Südwesten zieht (Abb. 189. 17; 189. 18). Auf der anderen Seite öffnet sich hinter dem Hügel und von der Ebene aus nicht einsehbar aber das kleine, geschützte und mit einer Quelle versehene Hochtal, das vielleicht als Weidegrund für Viehherden tauglicher erscheint denn als Anbaufläche für Feldfrüchte (Abb. 189. 20). Hinweise auf Pressanlagen oder anderweitig mit Ackerbau zu verbindende Installationen fehlen jedenfalls.

Der trotz dünner Belegsituation landwirtschaftlichen Ausrichtung der Siedlung entspricht das Keramikspektrum, das sich durch einen hohen Anteil an Gebrauchswaren auszeichnet[68]. Besonders häufig vertreten sind Bruchstücke von Pithoi und anderen Gefäßen für die Vorratshaltung. Die Qualität der Keramik zeugt zudem von eher bescheidenen Verhältnissen, was ebenso mit dem baulichen Eindruck, den die Siedlung vermittelt, übereinstimmt.

Zeitlich decken die Keramikfunde bei Berücksichtigung teils langer Laufzeiten einen Zeitraum ab, der vielleicht schon im 1. Jh. v./1. Jh. n. Chr. beginnt und bis hinauf in das 7. Jh. n. Chr. reichen kann. Orientiert man sich stärker an den zeitlichen Überlappungen der Stücke, so wird man die Nutzungsdauer der Siedlung auf die Spanne zwischen dem 2./3. und dem 5./6. Jh. n. Chr., vielleicht mit einem gewissen Schwerpunkt in der Kaiserzeit, eingrenzen wollen.

Der spärliche architektonische Befund steht dieser Datierung nicht entgegen, vielmehr ist festzustellen, dass bestimmte bauliche Charakteristika offensichtlich nicht epochenspezifisch sind. Dazu zählt als eines der wenigen in der Siedlung vorkommenden markanten architektonischen Merkmale die massive Ecklösung bei Bau 3 (Abb. 189. 14). Sie kommt in ähnlicher Form an dem als Turmgehöft gedeuteten Bau am unteren Hang des Kale Tepe (KIB 256; Abb. 256. 4) sowie an der Befestigungsmauer und an Bauten der am selben Ort gelegenen Höhensiedlung KIB 252 (Abb. 252. 30) vor und ist weiter oben ausführlich diskutiert worden. Dabei ist der durch den keramischen Befund vorgegebene Datierungsrahmen für die Siedlung wegen der weitgehend analogen Ecklösungen auch auf die beide Befunde vom Kale Tepe übertragen worden, um dort die postulierte nachhellenistische Datierung weiter zu stützen.

Die Siedlung KIB 189 lässt sich aufgrund ihrer Lage im Randbereich der ausgedehnten Fruchtebene südwestlich von İbecik, die sicherlich als unmittelbarer landwirtschaftlicher Einzugsbereich von Bubon zu betrachten ist, wohl am ehesten als abhängiges kleines Dorf oder Weiler einordnen. Insofern ist es vielleicht auch wenig überraschend, dass zumindest zum Gipfelbereich des Dikmen Tepe eine Sichtverbindung besteht.

 

Das Gehöft von Divre Mevkii und das oberhalb gelegene (befestigte [?]) Gebäude

Über das ursprüngliche Aussehen des in dem großen Tal leicht südwestlich von Elmalıyurt gelegenen Siedlungsplatzes KIB 190/1 (Abb. 190. 1) lässt sich mangels Oberflächenbefunden und moderner Überformung nur wenig aussagen[69]. Die Interpretation als Einzelgehöft legt einerseits die vergleichsweise geringe Größe des auf einem kleinen Hügelplateau gelegenen Kernbereichs von ca. 1,6 ha nahe[70]. Andererseits spricht die Einbettung in landwirtschaftliche Nutzflächen in Form von möglicherweise schon in der Antike gestalteten Geländeterrassen für diese Deutung. Hinzu kommt eine lockere Scherbenstreuung, deren Zusammensetzung sich insofern als weitgehend homogen erweist, als sämtliche wahrgenommenen Stücke der Gebrauchskeramik zuweisbar sind[71] und einige Fragmente von großen Vorratsgefäßen stammen[72]. Komplettiert wird das Bild durch die Überreste zweier Grabmonumente (KIB 190/2 und KIB 190/3), die bezeugen, dass die Fundstelle nicht auf reine Wirtschaftsinstallationen ohne einen Wohnbereich zurückgeht.

Bemerkenswert ist der Fund eines Fragments eines Tonrohrs, das zu einer Wasserleitung gehört haben könnte (934; Abb. 934. 1). Der konkrete Hintergrund einer solchen Leitung im Kontext des Gehöfts muss jedoch wegen der Unkenntnis des Streckenverlaufs und der fehlenden Verbindung mit konkreten baulichen Strukturen offenbleiben. Vielleicht stand das Tonrohr auch gar nicht in Verbindung mit der Frischwasserversorgung, sondern diente der Drainage[73].

Bei dem ersten der beiden Grabmonumente handelt es sich um die Überreste eines ›Löwensarkophags‹ (KIB 190/2; Abb. 190. 9). Da der Deckel, ein großes Kastenfragment und ein großer, wohl mit dem Unterbau zu verbindender Quader nah beieinander liegen, kann der ehemalige Aufstellungsort vielleicht in nicht allzu großer Entfernung verortet werden. Der mit einem einfach gerahmten Dreiecksgiebel (einer davon verziert mit dem Relief einer Phiale) und Seitenakroteren ausgestattete Deckel mit dem darauf gelagerten Löwen fällt vergleichsweise flach aus.

Die Tierskulptur ist eher schlicht gestaltet, und der Körper wirkt wie ausgeschnitten. Auf die Angabe körperlicher Details hat der Bildhauer weitgehend verzichtet. Die hintere Tatze auf der Rückseite ist gut erhalten und zeichnet sich durch ihre besonders langen, aber schematisch wirkenden Glieder aus[74]. Da der Kopf fast vollständig abgeschlagen ist, lassen sich nur aus den Resten des Mähnenkranzes im Hals- und Schulterbereich noch Rückschlüsse ziehen. So bestand die Mähne aus voneinander abgesetzten, breiten Strähnen, deren einzelne Haare durch parallel laufende, schmale Rillen herausgearbeitet wurden. Darin liegt eine grundsätzliche Ähnlichkeit zur Haargestaltung des Löwen auf dem Sarkophagdeckel im Hof der Forstverwaltung von İbecik (KIB 191; Abb. 191. 1), die einzelnen Strähnen sind aber weniger geschwungen, und die Mähne wirkt längst nicht so kunstvoll[75]. Der Löwe weist demnach eine etwas geringere Qualität als sein Pendant aus der Nekropole von Bubon auf, woraus aber nicht zwingend auf ein Stadt-Land-Gefälle geschlossen werden sollte.

Die mögliche symbolische Bedeutung solcher Löwen ist bereits im Zusammenhang mit dem Deckel KIB 191 diskutiert worden und braucht daher nicht wiederholt zu werden[76]. Gleiches gilt für den Datierungsrahmen solcher Sarkophage, der sich zwischen ca. 150 und 230 n. Chr. bewegt. Ob das Exemplar aus Divre Mevkii dem 2. oder dem 3. Jh. n. Chr. zuzurechnen ist, lässt sich wie im Fall von KIB 191 nicht sagen. Trotz des qualitativen Unterschieds könnten beide Stücke wegen der Ähnlichkeit der Haarbehandlung aber durchaus annähernd gleichzeitig entstanden sein.

 

Das zweite Grabmonument, bei dem es sich um einen Rundaltar handelt (KIB 190/3)[77], wurde ganz in der Nähe angetroffen, weshalb auch in seinem Fall von einer Aufstellung in unmittelbarer Nachbarschaft auszugehen ist. Erhalten geblieben ist nur der obere Teil des Altars mit dem größtenteils abgeschlagenen Kopfprofil (Abb. 190. 25). Auf dem Schaft lässt sich die vierzeilige Grabinschrift fast vollständig lesen, und die Reliefs zweier Personen, die mit den Köpfen in diese hineinragen, können trotz erheblicher Beschädigung und Verwitterung noch als ein Mann und eine Frau bestimmt werden. Offenbleiben muss allerdings, ob diese frontal stehend dargestellt oder auf Büsten reduziert sind[78].

Der Inschrift zufolge hat den Stein eine Nanas für ihre Tochter Artemisia (?) auf deren Grab aufgestellt. Die Reliefdarstellung auf dem Schaft scheint dazu in einem gewissen Widerspruch zu stehen, weil der Mann und die Frau am naheliegendsten als Ehepaar zu identifizieren sind. Vielleicht handelt es sich aber auch um Darstellungen der Tochter und ihres (ebenfalls verstorbenen [?]) Vaters Troilos[79]?

Wie der ›Löwensarkophag‹ lässt sich auch der Grabstein eindeutig der Kaiserzeit zuweisen, wobei in seinem Fall keine Festlegung auf das 2. oder 3. Jh. n. Chr. erfolgen kann. Damit bezeugen beide Grabmonumente eine Nutzung des Gehöfts in dieser Epoche. Die am Ort aufgesammelten Keramikfragmente sind zwar nicht zahlreich[80], ein Teil von ihnen fügt sich aber in dieses Bild ein (Abb. 935. 1). Da ältere Funde fehlen, könnte das Gehöft auch erst in der Kaiserzeit entstanden sein. Der andere Teil der Scherben legt hingegen ein Fortbestehen des Anwesens bis in die spätantike oder frühbyzantinische Zeit nahe (Abb. 936. 1).

Südwestlich oberhalb des Gehöfts liegt auf einem heute bewaldeten Hügelplateau ein isolierter Bau (KIB 257), der aufgrund seiner Geschlossenheit und starken Außenmauern (Abb. 257. 8) einen sehr massiven Eindruck erweckt[81]. Durch Raubgrabungen ist die Binnenaufteilung teilweise nachzuvollziehen, und es zeigt sich, dass das Gebäude über mehrere Räume verfügte, die sich entlang der Längsachse rechts und links eines durchgehenden Korridors (Abb. 257. 2) verteilten und wohl nur von diesem aus betretbar waren. Wie der Bau selbst zugänglich war, ist hingegen nur zu vermuten: Wahrscheinlich lag der Eingang auf der nordwestlichen Schmalseite. Einer der Räume nahe der Nordwestecke könnte über eine Zisterne verfügt haben, was aber keineswegs gewiss ist. Im unmittelbaren Umfeld des Baus zeugen Mauerreste von weiteren Nebengebäuden (Abb. 257. 10), deren Grundrisse sich aber nicht mehr erschließen lassen.

Interpretation und Zeitstellung der Anlage sind unklar. Das mörtellose und sonst unspezifische Bruchsteinmauerwerk erweckt zwar einen altertümlichen Eindruck, woraus aber keine bestimmte Datierung abgeleitet werden sollte. Da der Boden dicht mit Nadeln und Humus bedeckt ist, sind an der Oberfläche auch keine Keramikscherben zu beobachten. Der Bau nimmt wegen seiner erhöhten Position eine Sicherheitslage ein, was durch seine Massivität noch unterstrichen wird. Dennoch sollte das nicht zu Rückschlüssen auf einen etwaigen militärischen Charakter verleiten. Vielmehr mag es sich um ein befestigtes Gehöft gehandelt haben, und vielleicht bestand auch ein unmittelbarer Zusammenhang (im Sinne von Zugehörigkeit) mit dem in Sichtweite unterhalb gelegenen kaiserzeitlich/spätantiken Anwesen KIB 190/1.

Sollte diese Verbindung nicht bestehen, so müsste das Gebäude wegen der räumlichen Nähe zeitlich früher oder später anzusetzen sein. Aufgrund seiner Größe und seines Charakters hat es J. J. Coulton jedenfalls mit zwei Anlagen in der Balburike in Verbindung gebracht, die aus mittelhellenistischer Zeit stammen sollen und zu jenen Bauten gehören, die er als »heavy masonry enclosures« bezeichnet[82]. Als Vergleich hinzugefügt werden kann sicher noch ein von der Komplexität seines Grundrisses ähnliches Gebäude mit der Bezeichnung Kale, das ebenfalls mittelhellenistisch sein kann, bei dem vier Scherben der südwestanatolischen Keramikware aber auch auf ein älteres Baudatum hinweisen können[83].

Alle diese Bauten zeigen allerdings von ihrem Mauerwerk her deutliche Abweichungen, weshalb der Vergleich mit ihnen für die Datierung und Funktion des Baus von Divre Mevkii keinen wirklichen Erkenntniszuwachs mit sich bringt. Gleiches gilt für den Umstand, dass das Gebäude ebenso wie das Gehöft KIB 190/1 an einer von Telmessos (Fethiye) nach Bubon führenden wichtigen Straßenverbindung lag, die über einen etwas weiter südlich von Divre Mevkii gelegenen Pass führte[84].

Abb. 257. 1 Elmalıyurt/Divre Mevkii: Planskizze des (befestigten [?]) Gebäudes KIB 257 [Bildquelle: © ÖAW-ÖAI/Kibyratis-Projekt – NHRF/IHR Bubon-Projekt/M. Stoll]
 

Das lykische Felsfassadengrab von Kirazlıyayla

Einen vollkommen isolierten Befund stellt das Grab KIB 277 dar. Es ist liegt beinahe 20 km westlich des Dikmen Tepe, soll aber zumindest seit hellenistischer Zeit zu dem Territorium von Bubon gehört haben[85]. Das Grab konnte von uns weder zwischen 2004 und 2006 noch 2011/2012 untersucht werden, und es lassen sich auch keine Angaben über seine Zugehörigkeit zu einem Siedlungsplatz machen.

Seine Fassade stellt die Übertragung lykischer Holzarchitektur an eine Felswand dar, sodass es schon beim Versuch der Einordnung der beiden mit Bubon assoziierten Felsgräber KIB 251 (Abb. 251. 1) und KIB 259 (Abb. 259. 1) eine gewisse Rolle gespielt hat[86]. Das Grab gehört zu jener kleinen, aber zuletzt angewachsenen Gruppe lykischer Felsfassadengräber, die in der Kabalis/Kibyratis und damit außerhalb des lykischen Kernlandes registriert worden sind[87]. Sie werden mit einer möglichen Eroberung der Region durch den lykischen Dynasten Perikle von Limyra in Verbindung gebracht, weshalb auch das Grab von Kirazlıyayla vor diesem Hintergrund gesehen wird[88]. Im Gegensatz zu den übrigen lykischen Felsgräbern weist dieses Grab aber die Besonderheit auf, eine griechische Inschrift auf seiner Fassade zu tragen (Abb. 277. 2). Der Text enthält zwar keinen Datierungshinweis, aber die Buchstabenform steht einer Einordnung in das 4. Jh. Chr. nicht entgegen[89].

Auch hinsichtlich seiner architektonischen Gestaltung ist das Grab als ungewöhnlich zu bezeichnen. So besitzt es eine äußere Fassade, die lediglich aus zwei starken Seitenständern, einem Sturz- und einem (wohl verschütteten) Schwellbalken besteht. Dahinter öffnet sich eine kleine Vorhalle mit einer zweiten Fassade, die aufgrund ihrer Dreiteiligkeit vielleicht als Variante des Fassadentypus 2e aufzufassen ist, wie er in der Nekropolen von Limyra auftritt[90]. Darüber hinaus liegt eine weitere Besonderheit darin, dass die äußere Fassade über einem Dreifaszienarchitrav noch von einem einfach gerahmten Dreiecksgiebel bekrönt wird. Damit stellt das Grab eine Kombination von lykischer Holzbauweise mit einem griechischen Architekturelement dar[91]. Ein Dreiecksgiebel kommt bei keinem der anderen Gräber mit lykischen Architekturelementen in der Region vor. Das verbindet das Grab ebenso wie die Vorhalle mit dem Felsgrab KIB 251, eine Verbindung, die jedoch allgemeiner Natur ist und wegen der anderweitigen Unterschiede keine weiteren Rückschlüsse gestattet[92].