Ausgehend von der Prämisse, dass die Existenz der Schubriegel eine frühere Datierung ausschließt, bietet sich zunächst eine chronologische Einordnung von Siedlung KIB 252 in die hellenistische Zeit an. Tatsächlich finden sich auch trotz der Verwendung nur weniger Binderblöcke Gemeinsamkeiten mit den ›rustikaleren‹ Abschnitten des hellenistischen Stadtmauerrings von Balbura. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich aber, dass dort selbst die gröber zugerichteten Blöcke ordentlicher in den Mauerverband eingefügt wurden und die Fugen überaus moderat ausfallen. Am Kale Tepe hingegen sind bei Befestigungs- wie Gebäudemauern die Fugen oftmals klaffend, weshalb sie mit kleineren, heute oftmals ausgebrochenen Bruchsteinen verschlossen waren (z. B. Abb. 252. 9; 252. 37).
Im Umland von Balbura sind ebenfalls einige Befunde registriert worden, die sich von ihrem Mauerwerk her als Vergleiche heranziehen lassen, und die J. J. Coulton unter den Begriffen »heavy masonry buildings« und »heavy masonry enclosures« zusammengefasst hat. Bei ihnen handelt es sich allerdings keineswegs um eine homogene Gruppe, und ihre Mauern zeigen in den Details, etwa beim Fugenschluss, zum Teil größere Unterschiede. Außerdem reicht keine der Anlagen an die Komplexität und Größe der befestigten Siedlung vom Kale Tepe heran.
Alle diese Fundstellen zeichnet aus, dass an ihnen größere Mengen an Gefäßfragmenten gefunden wurden, die der mittelhellenistischen Zeit zugewiesen werden können . Das hat Coulton dazu motiviert, die massiven Bauten jeweils als Zeugnisse der frühesten Siedlungsphase aufzufassen und mit den hellenistischen Keramikfunden zu verbinden, wohingegen er ebenfalls angetroffene spätere Scherben als Hinweise auf eine Weiterbenutzung wertet oder mit Um- und Anbauten in anderer Bauweise korreliert. Die »heavy masonry buildings« und »heavy masonry enclosures« sollen demnach mehrzählig aus der ersten Phase nach der Gründung von Balbura stammen, und Coulton möchte sie als »powerful statements of ownership and status in a territory newly claimed, protecting people, animals and goods from raiding neighbours« betrachten. Obgleich bei der befestigten Siedlung auf dem Kale Tepe so eindeutige Hinweise auf eine hellenistische Datierung wie im Territorium von Balbura fehlen, können die dortigen Befunde und ihre Interpretation sicherlich als Stütze für die Möglichkeit betrachtet werden, dass auch im Umland von Bubon zur selben Zeit eine ähnliche Entwicklung stattgefunden hat, als deren Ausdruck sie dann zu betrachten wäre.
Eine spätere chronologische und historische Einordnung ist allerdings ebenso wenig von der Hand zu weisen, und ein nachhellenistischer Datierungsansatz ist für die befestigte Siedlung KIB 252 auch früher schon in Erwägung gezogen und sogar favorisiert worden. Im Wesentlichen gründete er auf historischen Argumenten: Die anhaltende Gefahr durch Räuber und mitunter separatistisches Brigantentum, mit der die Bevölkerung von Bubon offensichtlich gegen Ende des 2. Jhs. n. Chr. zu kämpfen hatte, könnte die Ursache für den Bau der Siedlung auf dem Gipfel des Kale Tepe gewesen sein. Dorthin hätten sich die Menschen, die um das Heiligtum des Ares siedelten, temporär zurückgezogen, bis es schließlich gelang, den Räubern das Handwerk zu legen, wovon eine in Bubon gefundene Inschrift zeugt, die einen entsprechenden Dankesbrief des Kaisers Commodus an die Bürger von Bubon wiedergibt.
Dem ist hinzuzufügen, dass in der Region auch in den folgenden Jahrhunderten eine vergleichbare, zumindest punktuelle innere Gefährdungslage immer wieder auftrat, wobei das Sicherheitsgefühl – wie andernorts in Kleinasien – zudem durch Angriffe äußerer Feinde beeinträchtigt wurde, obwohl die eigentlichen Kriegsschauplätze gewöhnlich weit entfernt lagen. Das führte zwischen dem 3. und dem 6. Jh. n. Chr. dazu, dass Stadtmauern an vielen Orten renoviert oder neu errichtet wurden, und in diesen Zeitabschnitt werden auch die späten Befestigungsmauern von Balbura und Oinoanda eingeordnet. Am ländlichen Raum ging diese Entwicklung ebenfalls nicht spurlos vorüber, und so kam es dort gleichermaßen zur Befestigung von Dörfern, Weilern und mitunter von Einzelgehöften. Aus historischer Sicht könnte die Siedlung auf dem Kale Tepe also auch zwischen dem 3. und dem 6. Jh. n. Chr. angelegt worden sein.
Was die unruhigen Zeiten zumindest des 3. Jhs. n. Chr. anbelangt, so ist dazu erst kürzlich von G. Labarre, M. Özsait und I. Güceren der Vorschlag unterbreitet worden, mit ihnen zwei befestigte Plätze auf dem Territorium des pisidischen Tymbriada zu verbinden. Ausgangspunkt der Überlegungen ist der Gedanke, dass sich das Räuberwesen oder Brigantentum in der Region auch im archäologischen Befund niedergeschlagen haben müsse, wobei nicht nur an Abwehrmaßnahmen zu denken sei, sondern auch an die Frage, wo eigentlich die Urheber der Übergriffe selbst gelebt haben. Um diese Frage zu beantworten, wird vorgeschlagen, die Befestigung des einen Ortes (Yuvalı) als Maßnahme zum Schutz des südlichen Territoriums von Tymbriada zu begreifen, wohingegen der andere befestigte Ort (Çukurköy) Briganten, und damit dem Gegner, als Unterschlupf gedient habe. Aus archäologischer Sicht ist die Belegsituation für diese Deutung überaus dünn, da die Befestigungsmauern nicht eindeutig zu datieren sind und auch dem bloßen Verweis auf die Existenz kaiserzeitlicher Oberflächenkeramik nur eine geringe Aussagekraft zukommt. Nichtsdestotrotz liegt hier aber ein möglicher Lösungsansatz für eine berechtigte Frage vor.
Schon etwas älter ist hingegen der Versuch, eine weitere befestigte Anlage vor einem ähnlichen Hintergrund zu betrachten und als Vergleich zu der Gipfelbefestigung vom Kale Tepe heranzuziehen. Sie liegt beim türkischen Dorf Ovacık östlich der Ebene von Elmalı und wurde nach früheren kursorischen Beschreibungen von M. Harrison bekannt gemacht. Ihre Wehrmauern sind ebenfalls aus groben Bruchsteinen ohne Mörtel aufgeschichtet, zeigen aber aufgrund des offenbar plattenartig brechenden lokalen Gesteins ein etwas anderes Erscheinungsbild als diejenigen vom Kale Tepe. Auch der Plan weicht etwas ab, da die Innenbebauung mit einer Ausnahme ausschließlich aus an die Innenschale des Befestigungsrings angesetzten Räumen besteht. Ungeachtet dessen überwiegen die Gemeinsamkeiten, was die Verbindung mit weiteren Siedlungsbefunden miteinschließt. So ist die Anlage von Ovacık auf einer Anhöhe zwischen einem kleineren kaiserzeitlich datierten Siedlungsplatz und einer »late Roman town« situiert, die beide im Tal lagen und offenbar unbefestigt waren. Das erinnert durchaus an die Situation am Kale Tepe, und hier wie dort ist das genaue Verhältnis der Orte zueinander schwierig zu bestimmen.
Es existieren dennoch einige Anhaltspunkte, die M. Zimmermann zu dem Versuch einer recht konkreten historischen Einordnung veranlasst haben. Den Ausgangspunkt seiner Überlegungen bildet eine Inschrift, die 1975 von M. Harrison in Ovacık gefunden wurde und deren Inhalt sich auf die Belagerung des pisidischen Kremna sowie die damit verbundene erfolgreiche Bekämpfung von Räubern in den späten 270er Jahren n. Chr. bezieht. Zimmermann hat nicht nur die Datierung des Texts entsprechend berichtigt (Harrison ging zunächst von einem Datum im 4. Jh. n. Chr. aus), sondern auch den Bezug zur Gipfelbefestigung und der Talsiedlung von Ovacık hergestellt:
Im Zuge der Übergriffe isaurischer Räuberbanden auf den ländlichen Raum sei es nämlich zum Einsatz kleinerer, wohl lokaler taktischer Militäreinheiten gekommen, die dort von befestigten Plätzen aus operiert hätten. Ein solcher Platz, ein φρούριον, liege nun mit der befestigten Anlage vor, wobei die nebeneinander aufgereihten Räume der Innenbebauung als Unterkünfte für die stationierten Soldaten gedient hätten. Die größere Talsiedlung, die sich vermutlich mit einem Dorf namens Askura identifizieren lässt, sei zur selben Zeit als Ergebnis eines Zentralisierungsprozesses entstanden, in dessen Verlauf sich die verstreut lebende Bergbevölkerung unter den Schutz dieser Befestigungen begeben habe. Zwei weitere ebenfalls in Ovacık gefundene Texte belegten schließlich ein Andauern des Gefahr, wobei das erfolgreiche Verteidigungskonzept eine Siedlungskontinuität bis in das 5./6., wenn nicht gar 7. Jh. n. Chr. erlaubt habe.
Diese Deutung ist zweifellos bestechend und wegen des inhaltlichen Bezugs der am Ort gefundenen Inschrift auch deutlich konkreter als im Fall der Überlegungen zu den befestigten Anlagen auf dem Gebiet von Tymbriada, die aus derselben Zeit stammen sollen. Auch Zimmermann kommt jedoch nicht umhin, mit den unvollständigen und etwas unpräzisen Angaben zu den archäologischen Befunden hantieren zu müssen, sodass er ebenfalls gewisse Widersprüchlichkeiten nur unzureichend auflösen kann. So hat sich Harrison stets für ein zeitliches Nacheinander von befestigter Anlage und Siedlung ausgesprochen und die Befestigung als spätrömisch/frühmittelalterlich bezeichnet, wohingegen Zimmermann diese Möglichkeit zwar auszuklammern versucht, aber nicht gänzlich entkräften kann. Insofern ist auch das spätere, also frühbyzantinische Datum für die Befestigung von Ovacık keineswegs ausgeschlossen.
Lassen sich diese Überlegungen nun für die Einschätzung der Situation am Kale Tepe nutzen? Diese Frage ist eindeutig zu bejahen, zumal sich der späte zeitliche Ansatz durch einen bisher unbekannten Befund im Umland von Bubon von archäologischer Seite weiter stützen lässt. Es handelt sich um die vormals unbekannte Siedlung KIB 189 bei Elmalıyurt (Arslantaş), die erst weiter unten in ihrer Gesamtheit besprochen wird, auf die hier aber vorzugreifen ist. Unter ihren Überresten findet sich eine Gebäudeterrasse, deren Bauweise – gemeint ist konkret die Ecklösung – große Übereinstimmung mit derjenigen der Bauten von Siedlung KIB 252 aufweist (Abb. 189. 11; 189. 14).
Für sich genommen, besitzt diese Gemeinsamkeit sicherlich keine allzu große Aussagekraft. Im Gegensatz zu den Befunden vom Kale Tepe liegt von der Fundstelle KIB 189 aber eine kleine ›grab collection‹ von Scherben vor, mit deren Hilfe sich zumindest der zeitliche Rahmen der Siedlung abstecken lässt. Das Spektrum umfasst ausschließlich die Kaiserzeit und die Spätantike, wohingegen am Ort keine Hinweise auf eine frühere Siedlungstätigkeit entdeckt werden konnten. Damit fällt die unbefestigte, in ihrem Kernbereich aber offenbar dennoch gesicherte Siedlung (s. dazu u. ausführlicher) genau in jenen Zeitraum, der in der vorangegangenen Diskussion im Zentrum stand.
Die erneute Betrachtung der Befunde vom Kale Tepe führt demnach zur weiteren Untermauerung einer zumindest nachhellenistischen Datierung mit einer Fokussierung auf der späteren Kaiserzeit bis Spätantike. Den historischen Hintergrund dürfte eine regionale Bedrohungslage bilden, die von Räuberbanden und Briganten ausging und zu der zunehmend auch eine Gefährdung von außen hinzukam. Die Gipfelbefestigung KIB 252 mag dabei zur Übernahme einer ähnlichen Schutzfunktion für die Talsiedlung KIB 254 mit dem Heiligtum des Ares angelegt worden sein wie die befestigte Anlage von Ovacık. Vielleicht ist das Ares-Heiligtum aber auch erst im Zusammenhang mit der Räubergefahr und mit deren Beseitigung gegründet worden. Die befestigte Anlage auf dem Kale Tepe dürfte jedenfalls aufgrund ihrer Struktur kein reiner Militärposten mit stationierten Soldaten gewesen sein, sondern eine Wehrsiedlung, deren wehrhafte Bewohner sich selbst ebenso wie andere schützen konnten und damit zur Verteidigung des Territoriums von Bubon an strategisch wichtiger Stelle beitrugen. Wann genau die befestigte Siedlung entstanden ist und mit welchen konkreten Ereignissen ihre Erbauung und ihre Auflassung zu verbinden sind, kann ohne weitere Anhaltspunkte jedoch nicht gesagt werden.