Posen, Kopfhaltung und Blick folgten sicherlich den Anweisungen der Fotograf/inn/en, wurden aber auch durch Wiederholung eingeübt und konnten dann bei anderen Gelegenheiten erneut aufgeführt werden. Zwar ging es später beim Fotografieren (und Filmen) der High Society nicht mehr so explizit um Verkleidungen und derart theatrale Requisiten und Kulissen, doch kam es auf eben diejenigen Körperpraktiken an, die Larry bereits als Kind im Fotostudio lernte: Körper, modische 52Kleidung und diverse Accessoires (Schmuck, Zigaretten, Cocktailgläser) mussten gekonnt präsentiert werden, während der smarte Ort, an dem man sich gerade aufhielt, im Hintergrund sichtbar werden sollte.
In den Fokus der Presse geriet Larry schließlich als Siebzehnjähriger nach dem Tod seiner Mutter. Diese machte ihn zu ihrem Alleinerben; als Minderjähriger konnte er jedoch nicht frei über das Vermögen verfügen und musste mit einer gerichtlich festgelegten jährlichen Auszahlung auskommen. Im März 1916 gelang es Larry, die offenbar zu gering kalkulierte Summe gerichtlich auf 25.000 Dollar (heute rund 560.000 Dollar) pro Jahr anheben zu lassen. Über das Urteil informierten zahlreiche Zeitungsartikel, die aber nicht auf den Society Pages erschienen, sondern zusammen mit weiteren aktuellen Meldungen. Larry begnügte sich allerdings nicht mit diesen Berichten und verfasste selbst einen zweiseitigen Text für das Day Book, der Anfang April erschien. Hier legte er ausführlich seine jährlichen Ausgaben dar (Miete und Haushalt: $17.000, Benzin- und Chauffeurkosten: $3.500, Reisen: $ 2.000, Bildung: $1.500, Kleidung: $1.200) und setzte sich mit dem öffentlichen Interesse an seiner Person auseinander: »The public, it seems, wishes to know in what way I would spend the $25,000 a year that I have asked the court to grant me […]. […] I, in turn, ask the public why it chooses to look upon this request as extraordinary.« Dabei unterschied sich Larrys gewählte Ausdrucksweise deutlich vom lockeren Sprachstil, der im Day Book sowie in der Gesellschaftsberichterstattung im Allgemeinen vorherrschte. Bezeichnenderweise fand er das öffentliche Interesse an sich nicht unangebracht.
Mit seinem Text scheint Larry wiederum das Interesse von Mary Brush Williams geweckt zu haben, die für das Chicago Tribune-Syndikat über Gesellschaft, Mode und Schönheitstipps schrieb. Rund einen Monat nach der Veröffentlichung im Day Book druckte die Chicago Tribune nämlich ein ganzseitiges Interview mit dem jungen Erben, das noch einmal seinen exklusiven Lebensstil beleuchtete und insgesamt ein sehr positives Bild von dem Jungen zeichnete. Hier deutete sich bereits an, was in den 1920er und 1930er Jahren typisch für die Gesellschaftsberichterstattung sein sollte: ein ausgesprochen großes Interesse am Privatleben der High Society – an pri53vaten Räumen, Gefühlen und ihrem Alltag. Während es in den 1930er Jahren beispielsweise üblich war, dass Journalist/inn/en in den Wohnungen der High Society ein und aus gingen und Fotograf/inn/en Bilder von den Zimmern machten, musste sich Mary Brush Williams damit begnügen, Larrys Park Avenue-Apartment ausführlich zu beschreiben: »The apartment […] is quite magnificent. There is an elevator in it almost as big as a hall room. We were […] at once aware that we were in the shadow of the habitat of a great deal of […] carved furniture, silver plate Japanese art, and expensive magnificence.« Darüber hinaus interessierte sie sich für Larrys Hochzeitspläne und schlug stellenweise einen recht sentimentalen Ton an, wenn sie erläuterte: »He has not seen his father in ten years«, oder: »he is simply the heir or the victim, as you choose to regard him, of an ancestry of great wealth, and he accepts his lot.«
Selbst während seines Aufenthalts als Krankenwagenfahrer in Frankreich im Ersten Weltkrieg arbeitete Larry an seiner medialen Sichtbarkeit und verfasste einen Artikel für das New York Evening Telegram, der sich wie ein distinguierter Abenteuerbericht liest: »By crawling cautiously up to the top of our abri we get a fine view of the trenches […]. We hear the sharp crack of some field piece […] see the cloud of dirt and debris arise […] followed by the crashing roar of the shell as it strikes.« Hier machte sich Larry erneut zum Autor und Gegenstand eines Zeitungsartikels, doch auch die Mitarbeiter/innen des Evening Telegram wussten inzwischen, wie sie an Larrys Bekanntheit anknüpfen konnten und den Artikel markieren mussten. Die Überschriften »Wealthiest ›Infant,‹ Now in France« und »Youth with $25,000 Allowance« dürften den meisten Leser/inne/n in Erinnerung gerufen haben, mit wem sie es hier zu tun hatten. Zudem konnte Larry auf die große Popularität der freiwilligen amerikanischen Ambulanzdienste in den USA und das mediale Interesse an den Krankenwagenfahrern zählen. Dabei ging es bei der freiwilligen Kriegsteilnahme aber nicht nur um mediale Sichtbarkeit. Mit dem Norton-Harjes Ambulance Corps hatte sich Larry einer sehr exklusiven Organisation angeschlossen. Ihr Gründer, Richard Norton, wünschte sich Mitstreiter von einem vornehmen Gentleman-Typ mit Ivy League College-Abschluss und erwartete zudem, dass die freiwilligen Krankenwagenfahrer aus gutsituierten Familien kamen, um selbst für Überfahrt und Ausrüstung zahlen zu können. Dass Larry im Sommer 1917 nach Amerika zurückging, mag weitere Gründe gehabt haben, seine Rückkehr lag aber wohl auch daran, dass der Dienst bei der Army oder dem Roten Kreuz – die die Freiwilligen übernahmen – weniger prestigeträchtig war.
54Axel Jansen interpretiert in diesem Kontext den freiwilligen »Kriegseinsatz als Möglichkeit der Erneuerung einer amerikanischen Elite […], die sich durch ihre Bewährung im Krieg ihrer Exklusivität versichern wollte«. Mit dieser Elite verband Larry seine Familie, sein Wohnort auf der Upper East Side, sein Bildungsweg durch traditionelle Upper Class-Institutionen sowie seine Sprache. Dass er als junger Erwachsener nichtsdestotrotz stärker auf seinen High Society-Status bedacht war als auf ein kultiviertes Clubman-Image, illustriert eine Begebenheit im Februar 1918 eindrücklich: Kurz nach seiner Rückkehr in die USA betrat Larry ein Grandhotel in Begleitung eines Wolfs und verlangte vom Personal, das Raubtier mit den besten Speisen des Restaurants zu verköstigen. Mit diesem bewusst exzentrischen Verhalten scheint er sich seinen skandalträchtigen Onkel Harry zum Vorbild genommen zu haben, von dem es in der Gesellschaftsberichterstattung hieß, er sei einmal mit einem – weit ungefährlicheren – Pferd in die Eingangshalle des Union League Club in New York geritten. Bezeichnenderweise stellten jedenfalls die Zeitungsredakteur/inn/e/n diesen Zusammenhang her, indem sie titelten: »Nephew of Harry Thaw has Wolf for a Pet«.
Larry, so wurde deutlich, nutzte als junger Mann unterschiedliche Strategien, um das Interesse der Medien zu erregen und zu beeinflussen oder sich selbst sichtbar zu machen. Medienkonsument, -produzent und Gegenstand der Berichterstattung zugleich zu sein, war dabei typisch für die High Society, ging es doch gerade um Insiderwissen. Nicht nur Reporter/innen konnten selbst zu Protagonist/inn/en ihrer Artikel und Teil der High Society werden. Auch die Mitglieder der High Society versuchten sich zunehmend selbst als Medienschaffende. Das reichte von einzelnen Autorschaften wie in Larrys Fall bis hin zu tatsächlichen Karrieren in den Medien. Cornelius »Neily« Vanderbilt jr. (1898-1974) etwa arbeitete als Reporter für den New York Herald und die New York Times, war Herausgeber von Boulevardzeitungen und Autor von Büchern über die High Society. Mary »Molly« Van Rensselaer Cogswell (1902-1983) schrieb als Madame Flutterby die Society-Kolumne im New York Journal. Mit dem Studium und der anschließenden Tätigkeit bei Wood, Struthers & Co. wurde es allerdings ruhig um Larry. Nur noch kurze Meldungen berichteten über die Teilnahme an Dinnerpartys oder Tanzveranstaltungen. In seiner Jugend fiel Larry aufgrund außergewöhnlicher Ereignisse in seinem Leben auf, als junger Mann und vor allem als Junggeselle konnte er dagegen das Interesse der Medien an Lieb55schaften und distinktivem Konsumverhalten kaum bedienen. Zugleich war der Tagesablauf eines arbeitenden Mannes nicht unbedingt kompatibel mit dem sozialen Kalender, und so ist es kaum verwunderlich, dass es Larry nicht gelang oder er wenig Interesse daran hatte, seine Stellung in der High Society in den frühen 1920er Jahren zu professionalisieren.
Peggys frühe High Society-Karriere verlief entlang anderer Etappen als Larrys; das hatte vor allem geschlechtsspezifische Ursachen, doch wirkten sich hier auch die unterschiedlichen familiären Hintergründe aus. Peggys Eltern Agnes Graves (1876-1964) und Edward Martin Stout (1874-1949) stammten aus New Brighton, Staten Island. Die Stouts waren eine durchaus wohlhabende Familie, die sich das luxuriöse New Yorker Leben jedoch oftmals nur mit Mühe leisten konnte und deren Vermögen und Lebensstil kaum mit dem der Thaws vergleichbar waren. Das bedeutet auch, dass Peggys Eltern oder andere Verwandte nur äußerst selten das Interesse der Medien erregten, sodass es kaum Informationen zu den Stouts gibt. Als Peggy am 17. Juni 1902 zur Welt kam, lebten Agnes und Edward bereits in New York. Peggy wuchs als Einzelkind in einem Apartment direkt unterhalb des Central Park in der Nähe des Plaza Hotels auf. Wie noch im Gilded Age umfasste eine standesgemäße Erziehung und Ausbildung insbesondere die französische Sprache und Kultur. Aus diesem Grund engagierten Peggys Eltern nicht nur ein französisches Kindermädchen für ihre Tochter; 1913 besuchte die Elfjährige zudem eine Klosterschule in Tours. In New York ging Peggy auf die Spence School for Girls, eine etablierte Upper Class-Institution auf der Upper East Side, die noch zu Peggys Schulzeiten mit dem Slogan warb: »[P]upils come from wealthy families of all sections«. Zudem war Peggy als junge Frau Mitglied der New York Junior League, einer äußerst elitären Frauenwohltätigkeitsorganisation. Im Frühjahr 1920 schloss sie die Schule ab und wurde im Winter desselben Jahres im Rahmen eines Debütantinnenballs in die New Yorker Gesellschaft eingeführt. Einen Namen in der High Society und in der amerikanischen Presse machte sie sich allerdings erst in den frühen 1920er Jahren als Amateurschauspielerin in Tanz- und Kabarettaufführungen.
56Im Gegensatz zu Larry war Peggy in jungen Jahren kaum in den Massenmedien präsent, führte ihre Familie doch kein besonders spektakuläres Leben. Als Frau in den späten 1910er Jahren musste sie zudem ihr sogenanntes coming out im Rahmen eines formellen Debütanntinnenballs abwarten, bevor sie in den Massenmedien in Erscheinung treten konnte. Dagegen lernte auch Peggy schon in ihrer Kindheit, vor der Kamera ihrer Eltern und im Fotostudio zu posieren. Dass sich die fünfzehnjährige Peggy intensiv mit den Massenmedien und ihren Funktionsweisen beschäftigte und diese einen wichtigen Deutungsrahmen für ihre eigenen Erfahrungen bereitstellten, illustriert Peggys Tagebuch von 1917 anschaulich. Hier sammelte sie etwa Artikel über ihre Lieblingsschauspielerin Julia Sanderson und stellte fest: »They [the articles, J.H.] show her popularity by the number!« Peggy wählte allerdings nicht nur Artikel über berühmte Zeitgenoss/inn/en aus. An der Hochzeit ihrer Cousine Dorothea Parsons nahm sie als Blumenmädchen teil und wurde zusammen mit den Brautjungfern in der Zeitung genannt: »The bridesmaids were the Misses […]. Their short frocks were made of mauve taffeta, with tulle sleeves, and their mauve crêp hats matched that of the maid of honor. Miss Peggy Stout […] was the flower girl, in a ruffled frock of white silk net.« In diesem Zusammenhang ist es wenig erstaunlich, dass Peggy einige Zeit später ein neues Kleid für erwähnenswert hielt: »I have a darling gray taffeta dress with silver slippers and I will admit that I looked better than I have ever seen myself look.« Aus Artikeln wie demjenigen über die Hochzeit ihrer Cousine und von den Modeseiten der Sonntagsbeilagen wusste Peggy, welch große Bedeutung die Garderobe einer Frau für ihren High Society-Status besaß und dass es stets galt, sie in all ihren Details zu beschreiben. Die Massenmedien boten Peggy hier also eine Projektionsfläche, anhand derer sie über ihr Leben nachdenken und mit deren Hilfe sie sich ausdrücken konnte. Das Tagebuch gibt damit gerade keinen ungefilterten Einblick in Peggys Lebenswelt, vielmehr zeigt es, wie sie sich in einem Akt der »Selbstthematisierung« in der High Society verortete.
Für Peggys Stellung in der High Society spielte ihre coming out-Party 1920 nur eine untergeordnete Rolle. Im Gilded Age diente der Debütantinnenball dazu, junge Frauen in die Gesellschaft und vor allem auf dem Heiratsmarkt einzuführen. Zugleich bestätigten die Familien durch dieses kostspielige Ritual die eigene exklusive soziale Stellung. In den 1910er und 1920er Jahren schafften es besonders elaborierte 57Feiern durchaus auf die Society Pages und konnten auf diese Weise zur medialen Sichtbarkeit der Debütantinnen beitragen. Peggy erregte jedoch weder 1920 mit ihrem coming out noch im folgenden Jahr das Interesse der High Society-Journalist/inn/en. Auf der anderen Seite pflegte sie ebenso wie ihre Freundinnen schon seit Jahren Kontakt zu jungen Männern, in dieser Hinsicht hatte das gesellschaftliche coming out bereits seine ursprüngliche Funktion verloren. Nichtsdestotrotz – vor der formellen Einführung in die Gesellschaft hätte Peggy keine große mediale Sichtbarkeit erreichen oder gar vor Publikum als Amateurschauspielerin auftreten können.
Das Tagebuch, so wurde bereits deutlich, offenbart Peggys frühe Leidenschaft für das Theater, die ihr Leben lang anhalten sollte. Sie ging nicht nur gerne in die Oper oder zum Broadway, sie war auch selbst eine begeisterte Schauspielerin, Sängerin und Tänzerin. Mit ehemaligen Mitschülerinnen gründete sie 1922 eine Theatergruppe für Alumnae der Spence School, The Spinsters, mit der sie in der Wintersaison regelmäßig zu wohltätigen Zwecken mit musikalischen Komödien, Sketchen und Tanzeinlagen auftrat. Die »›dance madness‹«, welche die USA in den ersten beiden Dekaden des 20. Jahrhunderts ergriffen hatte, machte auch vor der High Society nicht halt. Die Aufführungen der Spinsters zeichneten sich von Beginn an durch ein hohes Maß an Professionalität aus. Meist wurden die Stücke extra für die Gruppe geschrieben, ein/e Regisseur/in betreute die Proben, die Darsteller/innen trugen stets aufwendige Kostüme, ein Orchester übernahm die musikalische Begleitung und es gab eigens gedruckte Programmhefte. Die Veranstaltungen fanden in New Yorker Grandhotels statt, etwa im großen Ballsaal des Plaza, der rund 500 Sitzplätze fasste, aber auch im 44th Street Theater, einem Broadway-Theater auf der West Side, oder im Amateur Comedy Club. High Society-Reporter/innen und professionelle Theaterkritiker/innen wie Burns Mantle verfassten Kritiken, in denen sie die Auftritte mit aktuellen Broadway-Stücken und die Spinsters mit der erfolgreichen Tanzgruppe The Ziegfeld Follies verglichen. Nachdem Peggy einige Jahre zuvor noch Zeitungsartikel über andere gesammelt hatte, begann sie nun, akribisch Zeugnisse ihrer eigenen Sichtbarkeit in Alben festzuhalten und dabei ihr Selbstbild mit ihrem medialen Fremdbild abzustimmen.
58Ein Artikel über eine Aufführung der Spinsters von 1922 fasst die zunehmende Professionalisierung der High Society anschaulich zusammen und verweist dabei auch auf die hervorgehobene Position von Frauen:
It is not difficult to assemble a cast of society actresses for a musical play. The woman amateur […] is half a professional before she starts. She knows how to make the most out of her physical perfections, she can always sing a little and usually she can dance a lot. […] The male amateur is always a little sad. Where his debutante sister has been rehearsing from the time, mamma first put a mirror in her baby hand, he is obliged to do the best he can with a month or two of practicing.
In diesem Zusammenhang werden zwei Unterschiede zur Gesellschaft des Gilded Age sichtbar. Erstens war es für Frauen aus der Upper Class zwar durchaus üblich, im heimischen Salon an Rezitationen, Theateraufführungen oder Tableaux vivants mitzuwirken. Das in einem größeren öffentlichen Rahmen oder gar in einem beruflichen Kontext zu tun, galt allerdings als äußert unschicklich. Denn Schauspielerinnen, Tänzerinnen und Revuegirls hatten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts teilweise noch einen fragwürdigen Ruf und standen gesellschaftlich in der Nähe der Prostitution. Für Peggy, den Star der Spinsters, dürfte es dagegen sehr schmeichelhaft gewesen sein, als die New York Daily News 1926 berichteten: »So prominent did Peggy become some four years ago that offers were made to her by Broadway managers.« An einem Beruf als Tänzerin hatte Peggy freilich gar kein Interesse.
59Zweitens war es für junge Frauen aus der High Society nun akzeptabel, zusammen mit gleichaltrigen Männern ihre Freizeit zu verbringen und gemeinsam mit ihnen aufzutreten, wobei Frauen auch in diesem Kontext das Interesse der Medien stärker bedienten. In seiner Pionierstudie How Old Are You? Age Consciousness in American Culture betont Howard Chudacoff, dass sich Alter in der Progressive Era durch staatliche Regulierungsmaßnahmen zu einem »organizing principle« der amerikanischen Gesellschaft entwickelt habe und die Ausbildung von Altersgruppen immer komplexer geworden sei. Damit traten anstelle von Unterschieden innerhalb einer Altersgruppe verstärkt die Unterschiede zwischen den Altersgruppen in den Vordergrund, und die Peergroup wurde zum wichtigsten Bezugsrahmen. In Tanzhallen, Vergnügungsparks und Kinos trafen zunehmend Jugendliche und junge Erwachsene beiderlei Geschlechts aufeinander, und die Suche nach Ehepartnern fand nun innerhalb einer Gruppe von Gleichaltrigen statt. Diese Entwicklung griff wiederum die Gesellschaftsberichterstattung auf, indem sie sich vor allem auf Liebschaften, Hochzeiten und Scheidungen in der High Society konzentrierte. Auch Peggy übernahm diesen Fokus in ihrem Tagebuch, wo sie von mehreren Jungen schwärmte und beschrieb, wie sie gemeinsam mit Freundinnen die Bekanntschaft junger Männer machte, die ihr Briefe schrieben oder sie zum Tee einluden. Bezeichnenderweise wählten Peggys Mitschülerinnen sie im Jahrbuch der Abschlussklasse nicht nur zum »best dancer«, sondern auch zum »biggest flirt« und befanden sie zudem für »most frivolous«. Peggy selbst dichtete in ihrer »Class Prophecy« ironisch über ihre eigene Zukunft: »As a nun, Peggy Stout’s [b]ent on duties divine [w]ithin a grim convent’s [s]olemn confine.« Darin einen Scherz und ein Kompliment zu sehen, ist durchaus bemerkenswert, galt es für eine unverheiratete Frau im Gilded Age doch noch, unter allen Umständen den Eindruck zu vermeiden, ein »flirt« zu sein.
Abb. 4 Peggy regelt den Verkehr auf der Fifth Avenue, New York Daily News, 7.11.1923, Privatnachlass Thaw.