1082.1. Historisches Setting: Der amerikanische Europatourismus

Um die Jahrhundertwende hatte sich in Mittel- und Westeuropa für reiche Europäer/innen wie Amerikaner/innen ein Kanon von Freizeitorten herausgebildet, dessen Kern die Alpenregionen bis zu den südlichen Alpenseen, die Seebäder an der französischen Atlantikküste und dem Ärmelkanal, die Riviera, die Adria und insbesondere Paris bildeten.[1] Hier hielt man sich allerdings nicht irgendwann auf: Cannes, Nizza, Biarritz und Monte Carlo waren im Herbst und Winter angesagt, im Frühjahr ging es dann über Italien nach Paris, um sich schließlich im Sommer in kühlere Gefilde wie Deauville, Dieppe oder Brighton zu begeben. Dieser Reiseplan orientierte sich an wichtigen gesellschaftlichen Ereignissen wie der Pariser Grande Semaine und dem Grand Prix-Pferderennen von Longchamp Ende Juni oder der Jagdsaison im Spätsommer in Schottland. Darüber hinaus bestimmte aber auch das Klima maßgeblich die Reisezeit, galt doch etwa die Sommerhitze der Riviera als äußerst ungesund.[2]

Damit verknüpfte der Europatourismus um 1900 die unterschiedlichsten Aktivitäten und Konsumpraktiken in einem wechselnden Rhythmus aus Mobilität und Stillstand. In Großstädten wie Paris nahm man an Bällen teil, kaufte die neueste Mode und speiste in erlesenen Restaurants, doch stand auch ein reiches kulturelles Angebot zur Verfügung. Die Alpenregionen und das norditalienische Seengebiet bestachen dagegen durch ihre atemberaubende Natur. Der Aufenthalt in den Seebädern an der Atlantikküste förderte die Gesundheit, und an der Riviera hofften die Amerikaner/innen dem regnerischen Winterwetter zu entkommen. Während sich die zahlreichen amerikanischen Expatriat/inn/en, die sich vor allem in Venedig und Paris niedergelassen hatten, ganz diesem »resort crawling« hingeben konnten, galt 109es für die Upperclass-Tourist/inn/en, die Wintersaison in New York und teilweise auch die Sommersaison in Newport oder Saragota nicht zu vernachlässigen.[3]

In seiner nach wie vor lesenswerten Studie über den amerikanischen Frankreichtourismus vom späten 18. Jahrhundert bis in die 1930er Jahre beschreibt Harvey Levenstein, wie sich parallel zu einer schrittweisen Demokratisierung des Reiseverkehrs spezifische Tourismusformen ausbildeten. Für die Upper Class-Tourist/inn/en im Gilded Age diente ein Aufenthalt in Europa weniger der Bildung als vielmehr dem distinktiven Konsum von Mode, Kunstgegenständen und französischer haute cuisine. Darüber hinaus stand das gesellige Zusammentreffen mit Standesgenoss/inn/en in Grandhotels und Seebädern im Vordergrund.[4] Dementsprechend gestaltete sich auch die Überfahrt auf den Transatlantikdampfern ab den 1870er Jahren immer komfortabler: Die Schiffe boten Ballsäle, feine Speisen und luxuriöse Kabinen, wobei weniger zahlungskräftigen Passagier/inn/en dagegen nur die beengten Verhältnisse der Zweiten Klasse oder des Zwischendecks zur Verfügung standen.[5]

Das änderte sich jedoch Ende des Jahrhunderts, als zunehmend auch die Kabinen der Zweiten Klasse ausgebaut wurden und zugleich ihre Preise sanken. Eine Europareise konnte sich nun auch die gehobene amerikanische Mittelschicht leisten, die sich von der Upper Class abgrenzte, indem sie sich stärker auf Kultur und Bildung konzentrierte.[6] Auch die erschwinglicheren Touren des Reiseanbieters Thomas Cook legten ihren Fokus auf Bildung; in rund anderthalb Monaten hetzten sie ihre Teilnehmer/innen allerdings geradezu über den Kontinent, sodass kaum Zeit zur Erholung blieb.[7]

Mit der Einführung der Dritten Klasse auf den Ozeandampfern zu Beginn der 1920er Jahre machten sich schließlich zunehmend Student/inn/en und besserverdienende Angestellte auf den Weg über den Atlantik. Zum einen ersannen die Schifffahrtsgesellschaften neue Verwendungsmöglichkeiten für das frei gewordene Zwischendeck, nachdem die Vereinigten Staaten die Immigration aus Ost- und Südeuropa stark eingeschränkt hatten. Zum anderen setzte sich in den 1920er und 1930er Jahren der bezahlte Urlaub für Angestellte durch.[8] Für diese Amerikaner/innen war wiederum der Genuss europäischer Kulturgüter eher eine Nebensache. Auch wenn sich die Reiseroute meist an diesen orientierte, wollten sie sich in erster Linie amüsieren, Alkohol trinken, sonnenbaden, tanzen, flirten und einkaufen.[9] Die 110social seasons in New York und Europa hatten hier keine Bedeutung, vielmehr ging es darum, in der knappen Urlaubszeit so viel wie möglich zu erleben.

So überzeugend diese großen Linien die Entwicklung des Europatourismus nachzeichnen, klammern sie doch wichtige Perspektiven aus.[10] Levenstein beleuchtet für die 1920er und 1930er Jahre vor allem die Mittelklasse und nimmt an, dass sich der Upper Class-Tourismus nicht weiterentwickelt habe.[11] Wie sich jedoch die veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse in den USA mit der Entstehung der High Society auswirkten, bleibt offen. Welche Rolle spielten hier einerseits die Massenmedien für die Vorlieben der amerikanischen Tourist/inn/en, andererseits für die amerikanische High Society als soziale Formation auf einem anderen Kontinent? Da die High Society in den Vereinigten Staaten für einen Lebensstil stand, der Freizeit und Konsum ins Zentrum rückte, stellt sich die Frage, ob sich die Tourismusformen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts tatsächlich so eindeutig voneinander unterscheiden lassen. Gerade in der Prohibitionszeit und vor dem Hintergrund der Kom­munistenjagd spricht sogar einiges dafür, dass die meisten Amerikaner/innen ­Europa unabhängig von ihrer gesellschaftlichen Stellung mit größeren Freiheiten und weniger strikten moralischen und gesellschaftlichen Standards verbanden.[12] In diesem Zusammenhang warnt Hartmut Berghoff zu Recht davor, von einem linearen »trickle-down«- oder »trickle-up«-Prozess in der Entwicklung des Tourismus auszugehen.[13]

Das Beispiel von Larry und Peggy illustriert anschaulich, dass sich für die High Society in Europa Luxus, Kultur und Vergnügen gerade nicht ausschlossen. Seit ihrer Hochzeitsreise 1924 fuhren die Thaws jedes Jahr für zwei bis drei Monate nach Europa und unterbrachen diese Routine erst mit den Afrika- und Indienfahrten. Larry hatte schon als Jugendlicher und junger Erwachsener mehrfach die ›Alte Welt‹ besucht und sprach fließend Französisch, Deutsch und Italienisch, während Peggy immerhin einmal als Schülerin in einem Konvent in Tours gewesen war.[14] Wie im Gilded Age konzentrierte sich der amerikanische Europatourismus auch noch in den 1920er und 1930er Jahren auf die mittel- und westeuropäischen Regionen, wobei Paris, Nizza, Monte Carlo, Biarritz, der Lido und St. Moritz nach wie vor zu deren 111Hotspots zählten. Hier fanden sich nun reiche Amerikaner/innen – High Society und Hollywoodstars –, adelige wie nichtadelige Europäer/innen und indische Maharadschas ein.

Innerhalb dieses geografischen Rahmens hatte sich der Fokus aber leicht verschoben. Während die Besucher/innen Deutschland und Österreich unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg eher gemieden hatten, entwickelten sich die beiden Länder in den späten 1920er und frühen 1930er Jahren zu immer beliebteren Reisezielen – was nicht zuletzt auf die erfolgreiche Werbung der deutschen Tourismusindustrie zurückzuführen ist, die sich explizit an Amerikaner/innen wandte.[15] Zudem wandelte sich in den 1920er Jahren auch die landläufige Sicht, das Sommerklima der Riviera sowie das (stehende und zu warme) Wasser des Ligurischen Meeres seien ungesund, und verkehrte sich sogar in ihr Gegenteil: Sonnenbräune galt nun als schön und die Sommermonate als beste Zeit, sie zu erlangen.[16] Mit der Weltwirtschaftskrise sank allerdings auch der Stern von Nizza, Monte Carlo und Menton. Politische Streiks schmälerten die Attraktivität der Städte, während sie außerdem zunehmend als altmodisch und langweilig galten. Die High Society zog sich im Sommer stattdessen in die Villen im hügeligen Umland der Côte d’Azur zurück.[17] Einerseits blieb der geografische Raum, in dem sich der amerikanische Europatourismus abspielte, in den 1920er und 1930er Jahren insgesamt recht konstant. Andererseits lässt er sich aber nicht einfach über die einzelnen Nationalstaaten erschließen, sondern vielmehr über ein Netz von Städten und Regionen, die wie die Riviera Landesgrenzen überschritten oder durch eine ähnliche Infrastruktur von Hotels, Casinos und Pferderennbahnen sowie durch einen einheitlichen Lebensstil verbunden waren.

Die Thaws machten sich teilweise schon im Mai auf den Weg nach Europa, manchmal jedoch auch erst im Juli oder August, und reisten dabei immer standesgemäß in der Ersten Klasse der Transatlantikdampfer. Während ihrer Europaaufenthalte tourten sie regelmäßig durch Frankreich, England, Italien und die Schweiz. Ab den späten 1920er Jahren verbrachten sie aber auch immer mehr Zeit in Bayern und Österreich. Wie die Filme und Aufzeichnungen zeigen, konzentrierte sich das Paar einerseits auf kulturelle Sehenswürdigkeiten wie Kirchen, Schlösser, Denkmäler und Museen sowie auf Landschaften und Naturschönheiten. Andererseits kamen Einkaufstouren, Casinobesuche, Dinnerpartys mit amerikanischen Bekannten und Strandaufenthalte nicht zu kurz. Die Nächte verbrachten Larry und Peggy in Grandhotels wie dem Ritz in Paris, dem Grand Hôtel Bellevue in Bern oder dem Hôtel Palais in Biarritz. Um dieses Pensum zu bewältigen, verließen sich die beiden nicht auf das inzwischen sehr gut ausgebaute Eisenbahnnetz, sondern brachten jedes Jahr ihr Auto samt Chauffeur mit über den Atlantik.

112Die Dauer der einzelnen Stationen variierte von Jahr zu Jahr. Die Reisen waren zumeist geprägt von langen Autofahrten und nur kurzen Aufenthalten an denselben Orten. Eine Ausnahme bildete jedoch stets Paris, wo die Thaws mindestens eine Woche blieben, ebenso wie Peggys Lieblingsgrandhotel Villa d’Este in Como. Ab den späten 1920er Jahren nahmen sich Larry und Peggy zudem regelmäßig rund anderthalb Monate Zeit, um eine Kur im angesagten Sanatorium von Dr. Dengler in Baden-Baden zu absolvieren. In den 1930er Jahren schließlich verzichteten sie teilweise auf die langen Fahrten und mieteten für den Großteil des Sommers eine Villa an der Côte d’Azur. Während der Europareisen ließ das Paar seine Söhne entweder in der Obhut der Großeltern und des Kindermädchens in New York zurück oder die ganze erweiterte Familie kam mit. Kinder, Großeltern und Kindermädchen verbrachten dann jedoch die meiste Zeit im Hotel in Biarritz und begleiteten Larry und Peggy nicht bei ihrer Tour durch den Kontinent.

Auf ihren Reisen trafen Larry und Peggy immer wieder zufällig oder geplant auf New Yorker Freund/inn/e/n und Bekannte. Vor allem während der Transatlantiküberquerungen und der Aufenthalte in Paris befanden sie sich meist in Gesellschaft einer ganzen Gruppe von Amerikaner/inne/n. Darüber hinaus verabredeten sie sich beispielsweise gezielt mit den Stehlis in Bayern oder Schottland und mit Peggys Freundin Helen Bronson in Venedig. Die Prochets besuchten sie in deren Villa an der Côte d’Azur. Mit Europäer/inne/n kamen die Thaws dagegen nur selten in Kontakt. Während John Walton annimmt, dass es sich bei den europäischen Hotspots um transnationale melting pots gehandelt habe, indem er eine Liste der internationalen Gäste aufzählt, kann er doch gerade nicht belegen, dass ein persönlicher Austausch stattfand.[18] Es bleibt ihm nur, vage festzuhalten: »transactions […] might be originated and developed in these distinctive and alluring environments.«[19] Tatsächlich scheint in diesem Zusammenhang ein vorsichtigeres Urteil angebracht. So demonstriert beispielsweise Hanne Borchmeyer in ihrer Studie zu den amerikanischen Expatriat/inn/en in Venedig (und Paris), dass diese überwiegend unter sich blieben.[20] Und Al Laney, der in den 1930er Jahren als Redakteur der europäischen Ausgabe der New York Herald Tribune in Paris lebte, berichtet: »All other national groups tended to merge with the French population, or at least to disappear into it. But not the American.«[21]

113Bereits diese kurze Zusammenfassung macht einen entscheidenden Unterschied zum Leben der Thaws in New York deutlich: Während die New Yorker Wintersaison einem strikten Zeitplan unterworfen war, gestaltete sich der Sommer in Europa für Larry und Peggy recht frei und zwanglos. Im Gegensatz dazu war auch die saisonale Aufteilung der Europareisen der Upper Class noch wesentlich ausgefeilter und bindender. Denn einerseits beruhte ihr Zusammenhalt in erster Linie auf räumlicher Nähe und face-to-face-Kontakten. Das High Society-Leben in New York war dagegen andererseits maßgeblich von den Massenmedien geprägt. Die High Society orientierte sich in Europa auch noch an gesetzten Terminen wie der Grand Semaine, Longchamp oder den Premieren der neuen Pariser Modekollektionen im Februar und August.[22] Die europäischen Touristenregionen überzog in der Zwischenkriegszeit jedoch noch kein vergleichbar dichtes mediales Netz wie die USA – im Vordergrund standen hier stets Paris und die Côte d’Azur. Medial gesehen war die Verpflichtung damit geringer, sich zu einer bestimmten Jahres- oder Tageszeit an einem Ort aufzuhalten. Darüber hinaus hatten die Massenmedien zu Beginn des 20. Jahrhunderts zwar bereits transnationale Strukturen ausgebildet, Presse- und Bildagenturen verbreiteten ihre Informationen weltweit und die amerikanischen Newsreel-Studios eröffneten Dependancen im Ausland.[23] Die Öffentlichkeiten der amerikanischen und der europäischen Gesellschaftsberichterstattung waren aber nur lose verknüpft.

Der Blick nach Europa zeigt durchaus, dass es sich bei der High Society um kein genuin amerikanisches Phänomen handelte. Hier wird vor allem im Zusammenhang mit den krisengeschüttelten Monarchien eine ähnliche Wirkungsweise der Massenmedien sichtbar.[24] In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts konnten sich die Herrscher/innen nicht mehr auf eine göttliche Legitimation berufen, sondern mussten für ihren Machterhalt eine breite gesellschaftliche Unterstützung finden. Dass etwa die Herrschaftsinszenierung Wilhelms II. dem zeitgenössischen klassenübergreifenden Bedürfnis nach Unterhaltung entsprach und seine Popularität wesentlich steigerte, beweist Dominik Petzold in seiner Studie Der Kaiser und das Kino.[25] Ähnliche mediale Strategien verfolgten auch Napoleon III. oder Königin 114Victoria und Prinz Albert.[26] Für die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg konstatierte etwa Karl Kraus spöttisch in der deutschen und österreichischen Gesellschaft eine »Verkaiserung«. Nun böten, schrieb der Österreicher, die neuen »Obertanen«, die sogenannten Prominenten, Halt und Orientierung: »Das Ekelwort wuchert hauptsächlich in den Spalten der Presse, […]. […] Komödianten, Filmfritzen, Kabarettfatzken, Boxer, Fußballer, Parlamentarier, Eintänzer, Damenfriseure, Literarhistoriker, Persönlichkeiten schlechtweg – alle können prominent sein.«[27]

Eine Schnittstelle zwischen den amerikanischen und europäischen Öffentlichkeiten entstand in den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts mit den Pariser Ablegern der New York Times, der Chicago Tribune und dem New York Herald.[28] Der von James Gordon Bennett jr. 1887 gegründete Paris Herald (ab 1924 Paris Herald Tribune) war dabei am auflagenstärksten und führend in der Gesellschaftsberichterstattung.[29] Er richtete sich vornehmlich an amerikanische Tourist/inn/en und die Pariser Expatriat/inn/en und enthielt Nachrichten aus Nordamerika sowie über Amerikaner/innen in Europa, in den 1920er Jahren nahm er aber auch telegrafische Meldungen über die London Society auf.[30] Zeitgenoss/inn/en sahen den Hauptgrund für den Erfolg des Paris Herald in seiner Gesellschaftsberichterstattung, die Hand in Hand ging mit Neuigkeiten über Mode und die smarten Resorts in Italien, Südfrankreich und der Schweiz (sowie mit den entsprechenden Werbeanzeigen).[31] Für die meisten dieser Orte beschäftigte die Zeitung Korrespondent/inn/en, wobei die Côte d’Azur eine so zentrale Rolle für die Society Page spielte, dass sie ein ständiges Büro in Nizza unterhielt und teilweise eine eigene Riviera-Ausgabe herausgab.[32] Ähnlich wie New York waren diese europäischen Städte geprägt von spezifischen High Society-Räumen wie Grandhotels, Casinos, Promenaden und Einkaufs­straßen. Diese schufen für die Besucher/innen wie die Journalist/inn/en einen 115Rahmen, innerhalb dessen sie nach bekannten Mustern und Regeln interagieren konnten.[33]

Die Fluktuation der internationalen Persönlichkeiten in Europa war allerdings so hoch – immerhin war man ja auf Reisen –, dass es nicht ungewöhnlich war, wenn auch vollkommen unbekannte Amerikaner/innen den Sprung auf die Society Page des Paris Herald schafften. Für diese war es äußerst schmeichelhaft, in einem Atemzug mit den Vanderbilts, Chryslers oder europäischen Adeligen genannt zu werden. Der Paris Herald-Journalist Al Laney beschrieb das Phänomen folgendermaßen:

[I]t was the desire of thousands of Americans, men and women insignificant at home, to appear there [auf der Society Page des P. H., J.H.] […]. It was a common thing for some small-town matron from Oklahoma or Iowa or Missouri […] to buy from twenty to a hundred copies of the paper which she was mentioned entertaining at the Ritz with the name of her guests sandwiched in among the names of notables instantly recognizable because their pictures had been in the papers back home.[34]

Für die High Society dürfte dies allerdings eher einen Distinktionsverlust bedeutet haben. Das Beispiel illustriert außerdem zwei wichtige Punkte: Erstens erkannten viele Amerikaner/innen hier offensichtlich eine Gelegenheit, der High Society im Urlaub nachzueifern und zumindest für einen kurzen Moment mediale Aufmerksamkeit zu erhaschen. Zweitens wird eindrücklich sichtbar, dass die Öffentlichkeiten der europäischen und der amerikanischen Gesellschaftsberichterstattung nur wenig miteinander verknüpft waren. Wer beweisen wollte, dass sie/er in Europa in der Zeitung stand, musste eben diese Zeitung selbst nach Amerika zurückbringen.

Auch die amerikanischen Massenmedien berichteten über das Treiben in der Ferne. Die New York Herald Tribune veröffentlichte beispielsweise immer wieder Artikel von May Birkhead, der Society-Redakteurin der Pariser Ausgabe. Unter dem Hinweis »By Cable to the New York Tribune« schrieb Birkhead vor allem über die amerikanische High Society in Europa.[35] Dennoch erkannte sie diese und Angehörige anderer Nationalitäten als Gruppe, wenn sie sich gemeinsam an einem Ort aufhielten oder dieselben Veranstaltungen besuchten. Insgesamt lag der Fokus der amerikanischen Presse vor dem Zweiten Weltkrieg aber klar auf den nationalen gesellschaftlichen Ereignissen.

Damit hatte die Berichterstattung über die Europareisen nur eine geringe Bedeutung für den High Society-Status in den USA. Viel wichtiger waren stattdessen die 116amerikanischen Artikel im Vorfeld der geplanten Reise. Während sich nur ein einziges press clipping zur Hochzeitsreise selbst in der privaten Sammlung der Thaws befindet (ein Foto, das beide beim Bummeln in Paris zeigt), sind dort zehn Artikel und kurze Meldungen über die Abreise und Rückkehr inklusive Fotos an Deck der Schiffe überliefert. So ist es naheliegend, dass die Europareisen der Thaws nicht nur wegen Larrys Tätigkeit für Wood, Struthers & Co. erheblich kürzer ausfielen als diejenigen ihrer Gilded Age-Vorgänger/innen. Erst nachdem sie nach New York zurückgekehrt waren, konnten Larry und Peggy wieder gezielt an ihrer medialen Sichtbarkeit arbeiten.

Die Angehörigen der Upper Class wie auch der High Society führten also fraglos transnationale Leben; sie reisten regelmäßig, vertraten weltweit Geschäftsinteressen, besaßen Immobilien und schlossen grenzüberschreitende Heiratsbündnisse. Zu einer transnationalen Formation, die auch die Massenmedien als solche erkannten und beschrieben, entwickelte sich die High Society in den 1920er und 1930er Jahren allerdings erst in Ansätzen. Transnationale Strukturen wie etablierte Transportwege und -mittel, ähnliche städtische Infrastrukturen und mediale Verbindungen machten die High Society nicht automatisch zu einem grenzüberschreitenden Gesellschaftsphänomen.[36] Dabei trug der Fokus der Presse auf die USA und Westeuropa außerdem dazu bei, eine westliche Transnationalität der High Society herzustellen.[37]