3003.3. »High-handed rich Americans doing just about as they pleased« – Ambivalenzen der Professionalisierung
I went to have my lesson on outdoor movie make up to-day at one of the big film studios & the head »artist« made me up […]. It took him 3 hours & when he got through I was a raining tearing beauty […]. The make up is shades of dark brown, which makes the teeth look very white & the eyes very big. He insisted I part my hair in the center & wear it long & really […] I was amazed. I looked for all the world like the new »Glamour« (ugh! what a word) girl of the films. My children both adore Hedy Lamarr and you can imagine when I came home luncheon the scene [!]. Both the boys acted selfconscious & silly as though they’d never seen me before. I’ll have to keep my hair parted in the center.[1]
301So berichtete Peggy Anfang 1939 in einem Brief an einen Familienfreund über ihre persönlichen Vorbereitungen für die letzte große Filmreise nach Indien. Um selbst professioneller zu erscheinen, holte sie sich Unterstützung und Fachwissen aus der Filmindustrie. Dabei setzte sie an ihrem eigenen Körper an und beschrieb das Ergebnis als eine Transformation, die für sie ebenso wahrnehmbar war wie für ihre Kinder. Zudem wirkte sich diese Entwicklung nicht nur auf ihr Äußeres aus, sondern ging zugleich mit einer Verjüngung einher. Denn bei den sogenannten glamour girls handelte es sich um die nächste Generation von High Society-Frauen, die ihren Weg nach Hollywood gezielter planten, als Peggy dies in ihren frühen Zwanzigern getan hatte. Dass die inzwischen Siebenunddreißigjährige ihren Nachfolgerinnen nicht ganz unvoreingenommen gegenüberstand, sondern sich wohl eher in einem Konkurrenzverhältnis sah, unterstreicht das Zitat. Umso mehr wird zugleich deutlich, dass der nächste Schritt in Peggys High Society-Karriere mit dem Zwang zur körperlichen Optimierung einherging.
Was sich bereits in Larrys und Peggys Jugendjahren abzeichnete – die Hinwendung zur Unterhaltungsindustrie in Form von Theater, Oper, Broadway und Film und die Etablierung der vermeintlichen Privatpersonen als öffentliche Personen – erreichte erst mit »Black Majesty«, »The Great Silk Route« und »India« in den 1930er Jahren eine neue Stufe. Die Professionalisierung der Thaws lässt sich an mehreren Punkten festmachen: Ihre Filme entstanden mithilfe von Fachleuten und deren spezieller Technik, sie fanden nun größere Publika, die Sichtbarkeit des Paares in der Presse nahm noch einmal zu und die letzten beiden Reisen warfen sogar finanzielle Gewinne ab. Darüber hinaus bestätigten die Kooperationen mit der National Geographic Society und dem Museum of Natural History den Thaws eine wissenschaftliche Expertise, während Larry schließlich aufgrund seines Wissens über den Nahen Osten und Indien Karriere im Geheimdienst des War Department machte. Verwertung meint in diesem Kontext also den Prozess, in dem die Filme in unterschiedliche gesellschaftliche Bereiche Einzug hielten und ihnen dabei jeweils ein spezifischer Wert zugeschrieben wurde. Dieser setzte sich für die Thaws wie für die Wissenschaftsorganisationen, die Medienschaffenden und Werbeabteilungen aus Sichtbarkeit und finanziellen Gewinnen zusammen.[2]
Typisch für die High Society gipfelte diese Professionalisierung bei den Thaws allerdings nicht in neuen Berufen als Forscher, Schauspieler, Regisseure oder Militärs. Im Zentrum der professionellen Rollen standen stets Larry und Peggy als angebliche Privatpersonen. Professionalisierung bedeutete im High Society-Kontext 302eben nicht zwangsläufig, die Qualifikationen, Kompetenzen und den Status einer bestehenden Berufsgruppe zu erwerben.[3] Stattdessen schlug sie sich hier auf eine andere Art und Weise nieder: Dass Larry und Peggy die Verberuflichung ihrer eigenen Personen und ihres Lebens innerhalb der High Society vorangetrieben hatten, zeigte sich erstens daran, dass andere Personen von ihrem Status profitieren und über die Verbindung zu den Thaws medial sichtbar werden konnten. Das war freilich schon früher der Fall gewesen, etwa wenn die Society Pages einen Gast ihrer Partys als solchen erwähnten. Nun verstärkte sich dieser Mechanismus aber deutlich. Die Werbeverträge, die das Paar für seine letzten beiden Reisen abschloss, beweisen dies besonders anschaulich. Doch auch die National Geographic Society wollte nicht nur wegen der geografisch interessanten Bilder mit den Thaws zusammenarbeiten. Genauso attraktiv war die Aussicht, dass sich die mediale Sichtbarkeit des Paares positiv auf die Auflage des National Geographic Magazine auswirken würde. Und nicht zuletzt der Bekanntenkreis der Thaws hatte an ihrer gestiegenen Berühmtheit teil. Peggy unterstellte ihren New Yorker Freund/inn/en nach ihrer Rückkehr aus Indien sogar, sie interessierten sich nur aufgrund der großen Aufmerksamkeit in der Presse für sie. In einem Brief schrieb Peggy: »Our welcome home has been quite overwhelming and it is heartwarming to realize people are glad to see us again although my cynicism warns me it’s because we’re a novelty or because of all the dashed publicity«.[4] Die relationale und strategische Dimension von Sichtbarkeit zeigt sich an diesem Beispiel besonders gut – umso mehr, weil den Thaws und ihren Bekannten diese Logiken selbst bewusst waren.
Ein zweiter Indikator für die Professionalisierung der Thaws ist, dass sich ihre mediale Sichtbarkeit auf dem Höhepunkt ihrer High Society-Karrieren trans- und plurimedial entfaltete. Auch hierbei handelte es sich um keine völlig neue Erscheinung, hatten sich doch schon Larrys und Peggys Amateurfilme und die Society Pages wechselseitig aufeinander bezogen. Besonders nach ihrer Rückkehr nach New York im Frühjahr 1940 verbanden sich jedoch die Filme, die Gesellschaftsberichterstattung, die Werbeanzeigen und die Artikel für das National Geographic Magazine zu einem medialen Ensemble, wobei die unterschiedlichen Formate die Aufmerksamkeit nutzten, die die jeweils anderen generierten. Als zentral erwies sich in diesem Zusammenhang, dass sich das Filmmaterial der Thaws – insbesondere ohne den nachträglich hinzugefügten Sprechertext und die Musik – als recht interpretationsoffen erwies. Dadurch konnte es leicht in unterschiedliche Kontexte übertragen und einfach verwertet werden.
Die Professionalisierung der Thaws spielte sich auf unterschiedlichen Ebenen ab, die alle miteinander verschränkt waren. Um diese zu analysieren, sollen im Folgenden fünf Punkte näher untersucht werden: die Presseberichterstattung über die beiden letzten Reisen, die Vorführungspraxis der Feature- und Kurzfilme, die Zusam303menarbeit mit der National Geographic Society und dem Museum of Natural History, Produktplatzierungen und Werbung in und mit den Filmen sowie schließlich Larrys Militärkarriere. Damit knüpften die Thaws teilweise an Medialisierungsstrategien an, die sie sich in den 1920er und 1930er Jahren angeeignet hatten. Zugleich erschlossen sie sich aber auch neue Felder und transformierten ihren High Society-Status in andere gesellschaftliche Bereiche. Während allerdings die mediale Sichtbarkeit der Thaws in der Gesellschaftsberichterstattung nach wie vor maßgeblich von Peggy abhing, vertrat Larry das Paar in der High Society-fernen, männlich geprägten Wissenschaft oder der Politik.
Insgesamt gingen eine elaboriertere Technik, finanzielle Gewinne, größere Publika und mehr mediale Sichtbarkeit nicht automatisch Hand in Hand. Larry und Peggy profitierten einerseits von Synergieeffekten und sahen sich andererseits mit medialen Eigendynamiken konfrontiert, die sie nicht immer kontrollieren konnten. Tatsächlich gab der jeweilige Verwertungskontext stets einen Interpretationsrahmen vor, der sich der Intention der Autoren entziehen konnte. Der Professionalisierungsprozess blieb damit widersprüchlich und brüchig.
Presse
1936/37 brachen Larry und Peggy zum zweiten Mal für ein halbes Jahr nach Afrika auf und verpassten damit die wichtige New Yorker Wintersaison. Mit der Indienreise 1939/40 verabschiedeten sie sich sogar für zwölf Monate aus dem High Society-Leben und waren in diesem Zeitraum weitgehend unsichtbar. Umso wichtiger war es deshalb, im Vorfeld der Reisen und nach der Rückkehr ein Maximum an medialer Sichtbarkeit zu erzeugen und den High Society-Status zunächst zu stabilisieren und dann – nicht zuletzt durch die Filme selbst – wieder zu aktualisieren.
Dafür betrieben die Thaws gezielt Öffentlichkeitsarbeit und orchestrierten ihre Abreisen durch Pressekonferenzen. Während es für Reporter/innen ohnehin üblich war, im Frühjahr die Europareisenden an Deck der Schiffe zu fotografieren, organisierten Larry und Peggy 1936 eigens Interviews, die sie vor dem Ablegen in New York und beim ersten Stopp in Boston führten. So konnten sie von der Reiseroute, ihren Filmplänen und ihrem Equipment berichten.[5] 1939 gingen Larry und Peggy noch einen Schritt weiter und luden gemeinsam mit der Publicity-Abteilung von General Motors New Yorker Reporter/innen ein, ihr luxuriöses Wohnmobil zu besichtigen. Der Plan ging auf, und zahlreiche bebilderte Artikel erschienen über die sogenannte »Land Yacht«. Dabei stand das extravagante Fahrzeug in den Artikeln den New Yorker Apartments der Thaws in nichts nach und ließ sich – inklusive Badezimmer – gut als privater High Society-Raum beschreiben: »A salon finished in 304primavera wood and upholstered in royal blue mohair with pigskin backs of modernistic chromium chairs, which in turn match a dining table that folds out from a recess. Bathtub and shower of stainless steel.«[6] Tatsächlich übernahm der Autor dieses Artikels wörtlich den Informationstext von General Motors, in dem sich der Autohersteller wiederum an den Homestories aus der Gesellschaftsberichterstattung orientiert haben dürfte.[7] Die mediale Aufmerksamkeit nutzte freilich nicht nur den Thaws, sondern ebenso General Motors.
Von diesen Synergieeffekten wollte auch eine New Yorker Freundin des Paares, Tiffin »Tiffy« Harper, profitieren. Sie begleitete die Thaws extra auf dem ersten Reiseabschnitt nach Paris und schrieb für die populäre Zeitschrift Town & Country einen aufwendig bebilderten Artikel über das außergewöhnliche Gefährt, den ersten Teil der Fahrt und die Dreharbeiten.[8] Tiffy schlüpfte in die Rolle einer Society-Reporterin und gab als Insiderin einen exklusiven Einblick. Typisch für die High Society machte sie sich zur Medienproduzentin und dabei zugleich selbst sichtbar. Interessanterweise war Tiffy schon seit Jahren mit Larry und Peggy befreundet und hätte auch früher einen Artikel über sie verfassen können. Sie entschied sich aber erst dazu, als die Thaws auf dem Höhepunkt ihrer High Society-Karrieren angelangt waren und die Verbindung zu ihnen den Zugang zu einem bekannten Magazin wie Town & Country eröffnete. Die Gunst der Stunde erkannte auch eine andere Freundin der Thaws: Violette de Sibour, Tochter des berühmten Warenhausmagnaten Harry Gordon Selfridge, plante, einen ähnlichen Artikel für den Woman’s Home Companion zu schreiben.[9] Davon profitierten wiederum Larry und Peggy – und nicht zuletzt General Motors. Als Mitglied der High Society und Leserin der Society Pages wusste Tiffy außerdem genau, worauf es zu achten galt, und so erwähnte sie in ihrem Artikel Peggys Kleidung, eine Cocktailparty und die Edelsteine der Maharadschas:
Great movie cameras were installed on the pier and deck of the boat. First a very smart lady in a gray tailored suit came down the gangplank. […] Especially designed and built for them by General Motors, the trailer is a miniature world of tomorrow. […] And when Maharajahs come to pay their respects and make their usual presents of sapphires, emeralds, and rubies, they will be received under a marquee spread from the back of the trailer, and given drinks from seemingly neon-lighted cocktail glasses.[10]
305Die ausführliche Berichterstattung im Vorfeld der letzten beiden Reisen in der amerikanischen Presse führte dazu, dass sich nun auch ausländische Zeitungen für die Thaws interessierten. Was Larry und Peggy während ihrer Europaaufenthalte nur selten gelungen war, trat 1936 und 1939 ein. Bei ihrer Ankunft in Algier erwarteten das Paar bereits zahlreiche Reporter und Fotografen.[11] Ähnlich ging es den Thaws zwei Jahre später in Paris, als der Paris-Midi auf der ersten Seite titelte: »Une caravane organisée par M. Thaw milliardaire américain a quitté Paris ce matin pour joindre Bombay par la route«.[12] Diese Artikel vermittelten die wichtigsten Eckdaten der Reise, ohne aber wie etwa Tiffy Harper die spezifische Perspektive der Gesellschaftsberichterstattung einzunehmen. Zudem blieben sie auf Algerien bzw. Frankreich beschränkt und trugen daher nicht unmittelbar zum High Society-Status des Paares in New York bei. Nichtsdestotrotz hielt Peggy die ausländische Berichterstattung über sich und ihren Mann für besonders außergewöhnlich und engagierte extra ein press clipping-Büro, das nur diese Artikel zusammentragen sollte. In diesem Zusammenhang ist es bezeichnend, dass ihre Mutter ihr die Zeitungsausschnitte noch während der Reise zuschickte, sodass die Thaws ihre Außenwirkung stets im Blick haben konnten.[13] Ähnlich wie im Europakontext entwickelten sich mediale transnationale Verbindungen nicht einfach von selbst, die Artikel durchliefen als ausgeschnittene clippings vielmehr unterschiedliche materielle Stationen und mussten aktiv über Landesgrenzen hinweg verschickt werden.[14]
Am Ende der Indienreise gelang es Peggy allerdings, eine mediale Brücke zwischen Indien und den USA zu schlagen. In Kalkutta erzählte sie einem Reporter der Associated Press davon, wie sie bei der Jagd nur um Haaresbreite einem Tiger entkommen war. Die New York Herald Tribune, die New York Times, die New York World und die New York Daily News verbreiteten daraufhin unterschiedliche Versionen dieser Begebenheit auf ihren Society Pages unter klangvollen Titeln wie »Mrs. Lawrence Copley Thaw Escapes Tiger in Indian Jungle«, »Tiger Peril Told by Mrs. Lawrence Copley Thaw« oder »Thaw’s Wife on Hunt Avoids Death by Tiger«.[15]
306Schließlich war es für die Thaws im Kontext der letzten beiden Reisen nicht mehr nur wichtig, mit ihrem besonderen Hobby möglichst oft in der Zeitung zu stehen. Nach ihrer Rückkehr 1937 aus Afrika und 1940 aus Indien ging die mediale Sichtbarkeit mit finanziellen Gewinnen Hand in Hand. Nun mussten Larry und Peggy nicht mehr aktiv auf Reporter/innen und Fotograf/inn/en zugehen, die Zeitungen kontaktierten vielmehr die Thaws, um Bilder von ihren Fahrten zu erwerben. So druckte die New York Times 1937 auf einer ganzen Seite ihrer sonntäglichen Bildbeilage Fotografien aus Afrika ab, während Life 1940 auf sieben Seiten 39 Fotografien vom Balkan, dem Nahen Osten und Indien zeigte.[16] In einem kurzen Einleitungstext begründete das Magazin das ausführliche Feature über die Thaws und verknüpfte dabei Amateurtum und Professionalität: »With the leisure and the means to satisfy their wanderlust, they won professional fame as traveloguers«.[17] Bemerkenswerterweise beschrieb der Artikel keine Entwicklung vom Amateurfilm zum professionellen Travelogue, sondern erkannte in der Freizeit des Paares die Voraussetzung für seine Professionalisierung. Gerade nach der Indienreise wandten sich die Bildabteilungen der New York Times und des Life-Magazins mehrfach an die Thaws, profitierten die Zeitungen doch nun von dem Hype und versprachen sich höhere Auflagen.[18]
Larry und Peggy wiederum hofften, dass wegen ihrer großen Medienpräsenz Hollywoodstudios auf das Filmmaterial aufmerksam werden und die Rechte erwerben würden.[19] Hier wird allerdings deutlich, dass die Professionalisierung der Thaws kein einseitiger Prozess war, der einfach zu einem ›Mehr‹ an Sichtbarkeit und Verwertbarkeit führte. Denn um zwei Artikel über den Nahen Osten und Indien für das National Geographic Magazine schreiben zu können, mussten sich Larry und Peggy verpflichten, ihr Bildmaterial für weitere Publikationen zurückzuhalten, bis die National Geographic-Ausgaben am 26. September bzw. am 26. November 1940 erschienen waren.[20] Die High Society zeichnete sich zwar nicht durch einen so hohen Grad an Institutionalisierung und Selbstorganisation aus wie zeitgenössisch anerkannte Berufsgruppen. Auf dieser praktischen Ebene der Zusammenarbeit mit Medienschaffenden wirkten Urheberrechte, Honorare und Vervielfältigungsbestimmungen jedoch regulierend auf die Professionalisierung der Thaws ein.[21] Ähnliche 307Probleme entstanden darüber hinaus im Kontext der Veröffentlichung der Filme, worauf im Folgenden näher eingegangen werden soll.
Aufführungskontexte
Dass die »Thaws Black Majesty« für ein großes Publikum drehten, verrieten sie dem Cholly Knickerbocker schon, bevor sie 1936 nach Afrika aufbrachen. So konnte dieser die Neuigkeiten prompt an seine Leser/innen weitergeben: »The pictures they expect to take on the forthcoming trip will, I hear, be shown to the general public. Which means there is to be a commerical side to the Thaws’ 1936-1937 safari.«[22] Trotz des professionellen Kameramanns waren die Kommerzialisierung und Verwertung der Filme jedoch komplexer, als dies auf den ersten Blick scheinen mochte. Paradoxerweise machte den Thaws nämlich gerade die technische und institutionelle Professionalisierung des Feature-Films einen Strich durch die Rechnung. Denn die Radio Corporation of America, die die Tonspur für »Black Majesty« angefertigt hatte, forderte eine Gebühr, wenn ein mit der RCA-Methode hergestellter Film zu kommerziellen Zwecken gezeigt wurde. Diese Bestimmungen galten auch für die Thaws.[23]
Somit blieben dem Paar nur drei Möglichkeiten, »Black Majesty« aufzuführen. Sie griffen erstens auf die bereits eingeübte Praxis zurück, zu einer Reihe von Abendessen mit anschließender Filmvorführung in ihr New Yorker Apartment einzuladen, damit Klatschreporter wie Maury Paul darüber berichteten. Zweitens zeigten sie den Film unentgeltlich, wie etwa Larry im Luncheon Club der New Yorker Börse.[24] Drittens konnten sie ihn ohne Ton gegen Bezahlung abspielen. Für diesen Weg entschied sich die National Geographic Society, als sie »Black Majesty« 1937 in ihre jährliche Lecture Series aufnahm. Diese äußerst prestigeträchtige Wintervortragsreihe lockte in regelmäßigen Abständen etwa 3.500 Zuschauer/innen in die an der National Mall gelegene Constitution Hall in Washington D. C.[25] Die Entscheidung der National Geographic Society, bei ihrem Jahreshöhepunkt auf die Tonspur zu verzichten, legt den Schluss nahe, dass die Radio Corporation of America tatsächlich recht hohe Gebühren verlangte. Um den fehlenden Erzähler und die Musik auszugleichen, bat Melville B. Grosvenor, der Sohn des Präsidenten der National Geographic Society Gilbert H. Grosvenor, die Thaws, den Film einfach frei während der Vorführung zu kommentieren. In dieser Form sah er sogar noch einen Vorteil: »I […] feel that our members would rather have a first-hand informal account of the expedition by you 308and Mrs. Thaw than an artificial canned speaker talking through an amplifier.«[26] Dafür erhielten Larry und Peggy ein Honorar von 300 Dollar (heute rund 5.400 Dollar).[27] Im November 1938 durfte Larry außerdem die jährliche Vortragsreihe der Maryland Academy of Sciences mit dem tonlosen Film und einem Vortrag eröffnen.[28] So blieb das Paar gerade wegen der technischen Professionalisierung auf ein im Grunde antiquiertes und amateurhaftes Vortragsformat festgelegt, das auch seine privaten Soireen kennzeichnete. Zugleich rückten Larry und Peggy auf diese Weise aber umso stärker als Protagonisten des Abends in den Vordergrund, während der Film wie ein privates und authentisches Zeugnis erschien.
Eine andere Verwertungsmöglichkeit hatten die Thaws darin gesehen, das von Thomas Hogan gedrehte Material als Lehrfilme an Schulen zu verkaufen. In diesen High Society-fernen Bereichen übernahm nun Larry alleine die Verhandlungen, wie er es später auch auf dem diplomatischen Parkett tun sollte. So wandte er sich zum einen sogar persönlich an das Department of Education, das zwar durchaus einen informativen Wert in den Filmen erkannte, jedoch vorerst keine Filme erwerben wollte.[29] Zum anderen scheint die dokumentarische Newsreel-Reihe The March of Time der Time Inc. Interesse an Kurzfilmen gehabt zu haben.[30] Obwohl in diesem Zusammenhang nicht überliefert ist, dass ein Geschäft letztlich zustande kam, lässt sich daran – ebenso wie an den Lehrfilmen – doch nachvollziehen, in welche Kontexte die Thaws ihr Material einordneten und wo sie es selbst für verwertbar hielten.
Nachdem den Thaws mit dem Afrikafilmmaterial der geplante große Durchbruch nicht gelungen war, gingen sie 1939/40 planvoller vor und schlossen bereits vor dem Antritt der Reise Verträge mit der Lehrfilmabteilung von Eastman Kodak und den Newsreel-Abteilungen von Fox und Universal ab. Dem Direktor des Imperial Institute, Harry Lindsay, gegenüber prophezeite Larry großspurig:
A part of our work will be shown by the Eastman Kodak Company to several million children, young men and young women […] throughout the United States. Another part will be made into pictures for free distribution (through churches, Y. M.C.A.’s […]) to vastly more millions of adults, in this country and abroad. Still another part will be made into two long pictures […] which I expect to […] lecture on before a dozen scientific organizations. While the audience I will be able to reach personally […] will probably not exceed 100,000 […] it is no exaggera309tion to say that the other pictures will be seen by at least 20 million people in the first three or four years after our return.[31]
Nicht zuletzt die angestrebten Öffentlichkeiten dürften Lindsay auch dazu bewogen haben, den Thaws zu helfen, eröffnete sich hier doch scheinbar die Möglichkeit, das Empire vor großen Publika von seiner besten Seite zu zeigen.
Da die Firma Western Electric für die Feature-Filme ähnliche Gebühren wie die Radio Corporation of America verlangte, präsentierte Larry »The Great Silk Route« und »India« wieder ohne Ton, unter anderem vor der National Geographic Society und der Maryland Academy of Sciences, bei der World Adventure Series des Detroit Institute of Arts, die der spätere Fernsehstar George Pierrot veranstaltete, beim Bushnell Motion Pictures and Lectures Course in Hartford, Connecticut, und bei einer festlichen Abendveranstaltung des Engineers Club in Dayton, Ohio.[32] Von der National Geographic Society erhielt Larry wieder jeweils 300 Dollar, die Gagen für die anderen Vorträge sind nicht überliefert.[33] Darüber hinaus lässt sich festhalten, dass Larry gezielt nach Möglichkeiten suchte, die Filme vorzustellen oder die Rechte zu verkaufen, sodass er Melville B. Grosvenor 1937 und 1940 mehrfach um Kontakte und Empfehlungen bat.[34]
Schließlich eröffnete der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs doch noch die Möglichkeit, zumindest einen Film mit finanziellem Gewinn und mitsamt der originalen Tonspur einem großen Publikum vorzuführen. Denn zu karitativen Zwecken erlaubte Western Electric nun zwei Galavorführungen von »India« mit Tonspur, deren Einnahmen an das Rote Kreuz und die British War Relief Society gingen. Die erste Veranstaltung fand im Dezember 1940 in New York statt, die zweite im März 1941 in Nassau auf den Bahamas. Die Gesellschaftsberichterstattung über beide Abende macht deutlich, welches Potenzial in den Filmen steckte, um den High Society-Status der Thaws zu verstetigen. Geld damit zu verdienen stand in den Verwertungskontexten nicht notwendigerweise im Vordergrund. Wichtiger war stattdessen, dass hier unterschiedliche mediale Formate zusammenwirkten und gerade wechselseitig den High Society-Status herstellten und steigerten. Film und Society Pages verbanden sich ganz selbstverständlich und eröffneten den Thaws unterschiedliche Öffentlichkeiten.
310Neben der bereits thematisierten Vorführung vor dem abgedankten Edward und Wallis Simpson in Nassau zeigt vor allem der Abend in Manhattan anschaulich, wie ihre Bekannten von dem medialen Hype um die Thaws profitieren konnten. Diese Wirkungsweise hatte sich in Ansätzen bereits in den 1920er und 1930er Jahren gezeigt, wie etwa die erwähnte Kristallhochzeit des Paares verdeutlichte; 1940 zeichnete sich aber eine neue Qualität ab. Dabei integrierten die Thaws die Filmvorführung geschickt in die New Yorker Wintersaison und machten sie so zum Bestandteil des High Society-Kalenders. Mit der Filmvorführung am 6. Dezember im Viennese Roof Garden des St. Regis-Grandhotels vor 400 Zuschauer/inne/n sicherten sich Larry und Peggy nicht nur ausführliche Artikel über das gesellschaftliche Großereignis. Sie belegten auch knapp eine Dreiviertelseite des New York Journal-American, das Fotos der Veranstaltung veröffentlichte. Indem die Thaws die mediale Aufmerksamkeit auf sich zogen, schufen sie zugleich einen Raum für Freunde und Bekannte, der diesen ebenfalls zu mehr medialer Sichtbarkeit verhalf. Die Bilder bündeln Aspekte einer ›richtigen‹ Kinovorführung und zeigen links oben Peggy mit den Eintrittskarten für die Veranstaltung. Rechts oben sieht man eine Gruppe von Gästen in ihren vor der Leinwand aufgereihten Sesseln (Abb. 45).