3003.3. »High-handed rich Americans doing just about as they pleased« – Ambivalenzen der Professionalisierung

I went to have my lesson on outdoor movie make up to-day at one of the big film studios & the head »artist« made me up […]. It took him 3 hours & when he got through I was a raining tearing beauty […]. The make up is shades of dark brown, which makes the teeth look very white & the eyes very big. He insisted I part my hair in the center & wear it long & really […] I was amazed. I looked for all the world like the new »Glamour« (ugh! what a word) girl of the films. My children both adore Hedy Lamarr and you can imagine when I came home luncheon the scene [!]. Both the boys acted selfconscious & silly as though they’d never seen me before. I’ll have to keep my hair parted in the center.[1]

301So berichtete Peggy Anfang 1939 in einem Brief an einen Familienfreund über ihre persönlichen Vorbereitungen für die letzte große Filmreise nach Indien. Um selbst professioneller zu erscheinen, holte sie sich Unterstützung und Fachwissen aus der Filmindustrie. Dabei setzte sie an ihrem eigenen Körper an und beschrieb das Ergebnis als eine Transformation, die für sie ebenso wahrnehmbar war wie für ihre Kinder. Zudem wirkte sich diese Entwicklung nicht nur auf ihr Äußeres aus, sondern ging zugleich mit einer Verjüngung einher. Denn bei den sogenannten glamour girls handelte es sich um die nächste Generation von High Society-Frauen, die ihren Weg nach Hollywood gezielter planten, als Peggy dies in ihren frühen Zwanzigern getan hatte. Dass die inzwischen Siebenunddreißigjährige ihren Nachfolgerinnen nicht ganz unvoreingenommen gegenüberstand, sondern sich wohl eher in einem Konkurrenzverhältnis sah, unterstreicht das Zitat. Umso mehr wird zugleich deutlich, dass der nächste Schritt in Peggys High Society-Karriere mit dem Zwang zur körperlichen Optimierung einherging.

Was sich bereits in Larrys und Peggys Jugendjahren abzeichnete – die Hinwendung zur Unterhaltungsindustrie in Form von Theater, Oper, Broadway und Film und die Etablierung der vermeintlichen Privatpersonen als öffentliche Personen – erreichte erst mit »Black Majesty«, »The Great Silk Route« und »India« in den 1930er Jahren eine neue Stufe. Die Professionalisierung der Thaws lässt sich an mehreren Punkten festmachen: Ihre Filme entstanden mithilfe von Fachleuten und deren spezieller Technik, sie fanden nun größere Publika, die Sichtbarkeit des Paares in der Presse nahm noch einmal zu und die letzten beiden Reisen warfen sogar finanzielle Gewinne ab. Darüber hinaus bestätigten die Kooperationen mit der National Geographic Society und dem Museum of Natural History den Thaws eine wissenschaftliche Expertise, während Larry schließlich aufgrund seines Wissens über den Nahen Osten und Indien Karriere im Geheimdienst des War Department machte. Verwertung meint in diesem Kontext also den Prozess, in dem die Filme in unterschiedliche gesellschaftliche Bereiche Einzug hielten und ihnen dabei jeweils ein spezifischer Wert zugeschrieben wurde. Dieser setzte sich für die Thaws wie für die Wissenschaftsorganisationen, die Medienschaffenden und Werbeabteilungen aus Sichtbarkeit und finanziellen Gewinnen zusammen.[2]

Typisch für die High Society gipfelte diese Professionalisierung bei den Thaws allerdings nicht in neuen Berufen als Forscher, Schauspieler, Regisseure oder Militärs. Im Zentrum der professionellen Rollen standen stets Larry und Peggy als angebliche Privatpersonen. Professionalisierung bedeutete im High Society-Kontext 302eben nicht zwangsläufig, die Qualifikationen, Kompetenzen und den Status einer bestehenden Berufsgruppe zu erwerben.[3] Stattdessen schlug sie sich hier auf eine andere Art und Weise nieder: Dass Larry und Peggy die Verberuflichung ihrer eigenen Personen und ihres Lebens innerhalb der High Society vorangetrieben hatten, zeigte sich erstens daran, dass andere Personen von ihrem Status profitieren und über die Verbindung zu den Thaws medial sichtbar werden konnten. Das war freilich schon früher der Fall gewesen, etwa wenn die Society Pages einen Gast ihrer Partys als solchen erwähnten. Nun verstärkte sich dieser Mechanismus aber deutlich. Die Werbeverträge, die das Paar für seine letzten beiden Reisen abschloss, beweisen dies besonders anschaulich. Doch auch die National Geographic Society wollte nicht nur wegen der geografisch interessanten Bilder mit den Thaws zusammenarbeiten. Genauso attraktiv war die Aussicht, dass sich die mediale Sichtbarkeit des Paares positiv auf die Auflage des National Geographic Magazine auswirken würde. Und nicht zuletzt der Bekanntenkreis der Thaws hatte an ihrer gestiegenen Berühmtheit teil. Peggy unterstellte ihren New Yorker Freund/inn/en nach ihrer Rückkehr aus Indien sogar, sie interessierten sich nur aufgrund der großen Aufmerksamkeit in der Presse für sie. In einem Brief schrieb Peggy: »Our welcome home has been quite overwhelming and it is heartwarming to realize people are glad to see us again although my cynicism warns me it’s because we’re a novelty or because of all the dashed publicity«.[4] Die relationale und strategische Dimension von Sichtbarkeit zeigt sich an diesem Beispiel besonders gut – umso mehr, weil den Thaws und ihren Bekannten diese Logiken selbst bewusst waren.

Ein zweiter Indikator für die Professionalisierung der Thaws ist, dass sich ihre mediale Sichtbarkeit auf dem Höhepunkt ihrer High Society-Karrieren trans- und plurimedial entfaltete. Auch hierbei handelte es sich um keine völlig neue Erscheinung, hatten sich doch schon Larrys und Peggys Amateurfilme und die Society Pages wechselseitig aufeinander bezogen. Besonders nach ihrer Rückkehr nach New York im Frühjahr 1940 verbanden sich jedoch die Filme, die Gesellschaftsberichterstattung, die Werbeanzeigen und die Artikel für das National Geographic Magazine zu einem medialen Ensemble, wobei die unterschiedlichen Formate die Aufmerksamkeit nutzten, die die jeweils anderen generierten. Als zentral erwies sich in diesem Zusammenhang, dass sich das Filmmaterial der Thaws – insbesondere ohne den nachträglich hinzugefügten Sprechertext und die Musik – als recht interpretationsoffen erwies. Dadurch konnte es leicht in unterschiedliche Kontexte übertragen und einfach verwertet werden.

Die Professionalisierung der Thaws spielte sich auf unterschiedlichen Ebenen ab, die alle miteinander verschränkt waren. Um diese zu analysieren, sollen im Folgenden fünf Punkte näher untersucht werden: die Presseberichterstattung über die beiden letzten Reisen, die Vorführungspraxis der Feature- und Kurzfilme, die Zusam303menarbeit mit der National Geographic Society und dem Museum of Natural History, Produktplatzierungen und Werbung in und mit den Filmen sowie schließlich Larrys Militärkarriere. Damit knüpften die Thaws teilweise an Medialisierungsstrategien an, die sie sich in den 1920er und 1930er Jahren angeeignet hatten. Zugleich erschlossen sie sich aber auch neue Felder und transformierten ihren High Society-Status in andere gesellschaftliche Bereiche. Während allerdings die mediale Sichtbarkeit der Thaws in der Gesellschaftsberichterstattung nach wie vor maßgeblich von Peggy abhing, vertrat Larry das Paar in der High Society-fernen, männlich geprägten Wissenschaft oder der Politik.

Insgesamt gingen eine elaboriertere Technik, finanzielle Gewinne, größere Publika und mehr mediale Sichtbarkeit nicht automatisch Hand in Hand. Larry und Peggy profitierten einerseits von Synergieeffekten und sahen sich andererseits mit medialen Eigendynamiken konfrontiert, die sie nicht immer kontrollieren konnten. Tatsächlich gab der jeweilige Verwertungskontext stets einen Interpretationsrahmen vor, der sich der Intention der Autoren entziehen konnte. Der Professionalisierungsprozess blieb damit widersprüchlich und brüchig.

Presse

1936/37 brachen Larry und Peggy zum zweiten Mal für ein halbes Jahr nach Afrika auf und verpassten damit die wichtige New Yorker Wintersaison. Mit der Indienreise 1939/40 verabschiedeten sie sich sogar für zwölf Monate aus dem High Society-Leben und waren in diesem Zeitraum weitgehend unsichtbar. Umso wichtiger war es deshalb, im Vorfeld der Reisen und nach der Rückkehr ein Maximum an medialer Sichtbarkeit zu erzeugen und den High Society-Status zunächst zu stabilisieren und dann – nicht zuletzt durch die Filme selbst – wieder zu aktualisieren.

Dafür betrieben die Thaws gezielt Öffentlichkeitsarbeit und orchestrierten ihre Abreisen durch Pressekonferenzen. Während es für Reporter/innen ohnehin üblich war, im Frühjahr die Europareisenden an Deck der Schiffe zu fotografieren, organisierten Larry und Peggy 1936 eigens Interviews, die sie vor dem Ablegen in New York und beim ersten Stopp in Boston führten. So konnten sie von der Reiseroute, ihren Filmplänen und ihrem Equipment berichten.[5] 1939 gingen Larry und Peggy noch einen Schritt weiter und luden gemeinsam mit der Publicity-Abteilung von General Motors New Yorker Reporter/innen ein, ihr luxuriöses Wohnmobil zu besichtigen. Der Plan ging auf, und zahlreiche bebilderte Artikel erschienen über die sogenannte »Land Yacht«. Dabei stand das extravagante Fahrzeug in den Artikeln den New Yorker Apartments der Thaws in nichts nach und ließ sich – inklusive Badezimmer – gut als privater High Society-Raum beschreiben: »A salon finished in 304primavera wood and upholstered in royal blue mohair with pigskin backs of modernistic chromium chairs, which in turn match a dining table that folds out from a recess. Bathtub and shower of stainless steel.«[6] Tatsächlich übernahm der Autor dieses Artikels wörtlich den Informationstext von General Motors, in dem sich der Autohersteller wiederum an den Homestories aus der Gesellschaftsberichterstattung orientiert haben dürfte.[7] Die mediale Aufmerksamkeit nutzte freilich nicht nur den Thaws, sondern ebenso General Motors.

Von diesen Synergieeffekten wollte auch eine New Yorker Freundin des Paares, Tiffin »Tiffy« Harper, profitieren. Sie begleitete die Thaws extra auf dem ersten Reiseabschnitt nach Paris und schrieb für die populäre Zeitschrift Town & Country einen aufwendig bebilderten Artikel über das außergewöhnliche Gefährt, den ersten Teil der Fahrt und die Dreharbeiten.[8] Tiffy schlüpfte in die Rolle einer Society-Reporterin und gab als Insiderin einen exklusiven Einblick. Typisch für die High Society machte sie sich zur Medienproduzentin und dabei zugleich selbst sichtbar. Interessanterweise war Tiffy schon seit Jahren mit Larry und Peggy befreundet und hätte auch früher einen Artikel über sie verfassen können. Sie entschied sich aber erst dazu, als die Thaws auf dem Höhepunkt ihrer High Society-Karrieren angelangt waren und die Verbindung zu ihnen den Zugang zu einem bekannten Magazin wie Town & Country eröffnete. Die Gunst der Stunde erkannte auch eine andere Freundin der Thaws: Violette de Sibour, Tochter des berühmten Warenhausmagnaten Harry Gordon Selfridge, plante, einen ähnlichen Artikel für den Woman’s Home Companion zu schreiben.[9] Davon profitierten wiederum Larry und Peggy – und nicht zuletzt General Motors. Als Mitglied der High Society und Leserin der Society Pages wusste Tiffy außerdem genau, worauf es zu achten galt, und so erwähnte sie in ihrem Artikel Peggys Kleidung, eine Cocktailparty und die Edelsteine der Maha­radschas:

Great movie cameras were installed on the pier and deck of the boat. First a very smart lady in a gray tailored suit came down the gangplank. […] Especially designed and built for them by General Motors, the trailer is a miniature world of tomorrow. […] And when Maharajahs come to pay their respects and make their usual presents of sapphires, emeralds, and rubies, they will be received under a marquee spread from the back of the trailer, and given drinks from seemingly neon-lighted cocktail glasses.[10]

305Die ausführliche Berichterstattung im Vorfeld der letzten beiden Reisen in der amerikanischen Presse führte dazu, dass sich nun auch ausländische Zeitungen für die Thaws interessierten. Was Larry und Peggy während ihrer Europaaufenthalte nur selten gelungen war, trat 1936 und 1939 ein. Bei ihrer Ankunft in Algier erwarteten das Paar bereits zahlreiche Reporter und Fotografen.[11] Ähnlich ging es den Thaws zwei Jahre später in Paris, als der Paris-Midi auf der ersten Seite titelte: »Une caravane organisée par M. Thaw milliardaire américain a quitté Paris ce matin pour joindre Bombay par la route«.[12] Diese Artikel vermittelten die wichtigsten Eck­daten der Reise, ohne aber wie etwa Tiffy Harper die spezifische Perspektive der Gesellschaftsberichterstattung einzunehmen. Zudem blieben sie auf Algerien bzw. Frankreich beschränkt und trugen daher nicht unmittelbar zum High Society-Status des Paares in New York bei. Nichtsdestotrotz hielt Peggy die ausländische Berichterstattung über sich und ihren Mann für besonders außergewöhnlich und engagierte extra ein press clipping-Büro, das nur diese Artikel zusammentragen sollte. In diesem Zusammenhang ist es bezeichnend, dass ihre Mutter ihr die Zeitungsausschnitte noch während der Reise zuschickte, sodass die Thaws ihre Außenwirkung stets im Blick haben konnten.[13] Ähnlich wie im Europakontext entwickelten sich mediale transnationale Verbindungen nicht einfach von selbst, die Artikel durchliefen als ausgeschnittene clippings vielmehr unterschiedliche materielle Stationen und mussten aktiv über Landesgrenzen hinweg verschickt werden.[14]

Am Ende der Indienreise gelang es Peggy allerdings, eine mediale Brücke zwischen Indien und den USA zu schlagen. In Kalkutta erzählte sie einem Reporter der Associated Press davon, wie sie bei der Jagd nur um Haaresbreite einem Tiger entkommen war. Die New York Herald Tribune, die New York Times, die New York World und die New York Daily News verbreiteten daraufhin unterschiedliche Versionen dieser Begebenheit auf ihren Society Pages unter klangvollen Titeln wie »Mrs. Lawrence Copley Thaw Escapes Tiger in Indian Jungle«, »Tiger Peril Told by Mrs. Lawrence Copley Thaw« oder »Thaw’s Wife on Hunt Avoids Death by Tiger«.[15]

306Schließlich war es für die Thaws im Kontext der letzten beiden Reisen nicht mehr nur wichtig, mit ihrem besonderen Hobby möglichst oft in der Zeitung zu stehen. Nach ihrer Rückkehr 1937 aus Afrika und 1940 aus Indien ging die mediale Sichtbarkeit mit finanziellen Gewinnen Hand in Hand. Nun mussten Larry und Peggy nicht mehr aktiv auf Reporter/innen und Fotograf/inn/en zugehen, die Zeitungen kontaktierten vielmehr die Thaws, um Bilder von ihren Fahrten zu erwerben. So druckte die New York Times 1937 auf einer ganzen Seite ihrer sonntäglichen Bildbeilage Fotografien aus Afrika ab, während Life 1940 auf sieben Seiten 39 Fotografien vom Balkan, dem Nahen Osten und Indien zeigte.[16] In einem kurzen Einleitungstext begründete das Magazin das ausführliche Feature über die Thaws und verknüpfte dabei Amateurtum und Professionalität: »With the leisure and the ­means to satisfy their wanderlust, they won professional fame as traveloguers«.[17] Bemerkenswerterweise beschrieb der Artikel keine Entwicklung vom Amateurfilm zum professionellen Travelogue, sondern erkannte in der Freizeit des Paares die Voraussetzung für seine Professionalisierung. Gerade nach der Indienreise wandten sich die Bildabteilungen der New York Times und des Life-Magazins mehrfach an die Thaws, profitierten die Zeitungen doch nun von dem Hype und versprachen sich höhere Auflagen.[18]

Larry und Peggy wiederum hofften, dass wegen ihrer großen Medienpräsenz Hollywoodstudios auf das Filmmaterial aufmerksam werden und die Rechte erwerben würden.[19] Hier wird allerdings deutlich, dass die Professionalisierung der Thaws kein einseitiger Prozess war, der einfach zu einem ›Mehr‹ an Sichtbarkeit und Verwertbarkeit führte. Denn um zwei Artikel über den Nahen Osten und Indien für das National Geographic Magazine schreiben zu können, mussten sich Larry und Peggy verpflichten, ihr Bildmaterial für weitere Publikationen zurückzuhalten, bis die National Geographic-Ausgaben am 26. September bzw. am 26. November 1940 erschienen waren.[20] Die High Society zeichnete sich zwar nicht durch einen so hohen Grad an Institutionalisierung und Selbstorganisation aus wie zeitgenössisch anerkannte Berufsgruppen. Auf dieser praktischen Ebene der Zusammenarbeit mit Medienschaffenden wirkten Urheberrechte, Honorare und Vervielfältigungsbestimmungen jedoch regulierend auf die Professionalisierung der Thaws ein.[21] Ähnliche 307Probleme entstanden darüber hinaus im Kontext der Veröffentlichung der Filme, worauf im Folgenden näher eingegangen werden soll.

Aufführungskontexte

Dass die »Thaws Black Majesty« für ein großes Publikum drehten, verrieten sie dem Cholly Knickerbocker schon, bevor sie 1936 nach Afrika aufbrachen. So konnte dieser die Neuigkeiten prompt an seine Leser/innen weitergeben: »The pictures they expect to take on the forthcoming trip will, I hear, be shown to the general public. Which means there is to be a commerical side to the Thaws’ 1936-1937 safari.«[22] Trotz des professionellen Kameramanns waren die Kommerzialisierung und Verwertung der Filme jedoch komplexer, als dies auf den ersten Blick scheinen mochte. Paradoxerweise machte den Thaws nämlich gerade die technische und institutionelle Professionalisierung des Feature-Films einen Strich durch die Rechnung. Denn die Radio Corporation of America, die die Tonspur für »Black Majesty« angefertigt hatte, forderte eine Gebühr, wenn ein mit der RCA-Methode hergestellter Film zu kommerziellen Zwecken gezeigt wurde. Diese Bestimmungen galten auch für die Thaws.[23]

Somit blieben dem Paar nur drei Möglichkeiten, »Black Majesty« aufzuführen. Sie griffen erstens auf die bereits eingeübte Praxis zurück, zu einer Reihe von Abendessen mit anschließender Filmvorführung in ihr New Yorker Apartment einzuladen, damit Klatschreporter wie Maury Paul darüber berichteten. Zweitens zeigten sie den Film unentgeltlich, wie etwa Larry im Luncheon Club der New Yorker Börse.[24] Drittens konnten sie ihn ohne Ton gegen Bezahlung abspielen. Für diesen Weg entschied sich die National Geographic Society, als sie »Black Majesty« 1937 in ihre jährliche Lecture Series aufnahm. Diese äußerst prestigeträchtige Wintervortragsreihe lockte in regelmäßigen Abständen etwa 3.500 Zuschauer/innen in die an der National Mall gelegene Constitution Hall in Washington D. C.[25] Die Entscheidung der National Geographic Society, bei ihrem Jahreshöhepunkt auf die Tonspur zu verzichten, legt den Schluss nahe, dass die Radio Corporation of America tatsächlich recht hohe Gebühren verlangte. Um den fehlenden Erzähler und die Musik auszugleichen, bat Melville B. Grosvenor, der Sohn des Präsidenten der National Geographic Society Gilbert H. Grosvenor, die Thaws, den Film einfach frei während der Vorführung zu kommentieren. In dieser Form sah er sogar noch einen Vorteil: »I […] feel that our members would rather have a first-hand informal account of the expedition by you 308and Mrs. Thaw than an artificial canned speaker talking through an amplifier.«[26] Dafür erhielten Larry und Peggy ein Honorar von 300 Dollar (heute rund 5.400 Dollar).[27] Im November 1938 durfte Larry außerdem die jährliche Vortragsreihe der Maryland Academy of Sciences mit dem tonlosen Film und einem Vortrag eröffnen.[28] So blieb das Paar gerade wegen der technischen Professionalisierung auf ein im Grunde antiquiertes und amateurhaftes Vortragsformat festgelegt, das auch seine privaten Soireen kennzeichnete. Zugleich rückten Larry und Peggy auf diese Weise aber umso stärker als Protagonisten des Abends in den Vordergrund, während der Film wie ein privates und authentisches Zeugnis erschien.

Eine andere Verwertungsmöglichkeit hatten die Thaws darin gesehen, das von Thomas Hogan gedrehte Material als Lehrfilme an Schulen zu verkaufen. In diesen High Society-fernen Bereichen übernahm nun Larry alleine die Verhandlungen, wie er es später auch auf dem diplomatischen Parkett tun sollte. So wandte er sich zum einen sogar persönlich an das Department of Education, das zwar durchaus einen informativen Wert in den Filmen erkannte, jedoch vorerst keine Filme erwerben wollte.[29] Zum anderen scheint die dokumentarische Newsreel-Reihe The March of Time der Time Inc. Interesse an Kurzfilmen gehabt zu haben.[30] Obwohl in diesem Zusammenhang nicht überliefert ist, dass ein Geschäft letztlich zustande kam, lässt sich daran – ebenso wie an den Lehrfilmen – doch nachvollziehen, in welche Kontexte die Thaws ihr Material einordneten und wo sie es selbst für verwertbar hielten.

Nachdem den Thaws mit dem Afrikafilmmaterial der geplante große Durchbruch nicht gelungen war, gingen sie 1939/40 planvoller vor und schlossen bereits vor dem Antritt der Reise Verträge mit der Lehrfilmabteilung von Eastman Kodak und den Newsreel-Abteilungen von Fox und Universal ab. Dem Direktor des Imperial Institute, Harry Lindsay, gegenüber prophezeite Larry großspurig:

A part of our work will be shown by the Eastman Kodak Company to several million children, young men and young women […] throughout the United States. Another part will be made into pictures for free distribution (through churches, Y. M.C.A.’s […]) to vastly more millions of adults, in this country and abroad. Still another part will be made into two long pictures […] which I expect to […] lecture on before a dozen scientific organizations. While the audience I will be able to reach personally […] will probably not exceed 100,000 […] it is no exaggera309tion to say that the other pictures will be seen by at least 20 million people in the first three or four years after our return.[31]

Nicht zuletzt die angestrebten Öffentlichkeiten dürften Lindsay auch dazu bewogen haben, den Thaws zu helfen, eröffnete sich hier doch scheinbar die Möglichkeit, das Empire vor großen Publika von seiner besten Seite zu zeigen.

Da die Firma Western Electric für die Feature-Filme ähnliche Gebühren wie die Radio Corporation of America verlangte, präsentierte Larry »The Great Silk Route« und »India« wieder ohne Ton, unter anderem vor der National Geographic Society und der Maryland Academy of Sciences, bei der World Adventure Series des Detroit Institute of Arts, die der spätere Fernsehstar George Pierrot veranstaltete, beim Bushnell Motion Pictures and Lectures Course in Hartford, Connecticut, und bei einer festlichen Abendveranstaltung des Engineers Club in Dayton, Ohio.[32] Von der National Geographic Society erhielt Larry wieder jeweils 300 Dollar, die Gagen für die anderen Vorträge sind nicht überliefert.[33] Darüber hinaus lässt sich festhalten, dass Larry gezielt nach Möglichkeiten suchte, die Filme vorzustellen oder die Rechte zu verkaufen, sodass er Melville B. Grosvenor 1937 und 1940 mehrfach um Kontakte und Empfehlungen bat.[34]

Schließlich eröffnete der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs doch noch die Möglichkeit, zumindest einen Film mit finanziellem Gewinn und mitsamt der originalen Tonspur einem großen Publikum vorzuführen. Denn zu karitativen Zwecken erlaubte Western Electric nun zwei Galavorführungen von »India« mit Tonspur, deren Einnahmen an das Rote Kreuz und die British War Relief Society gingen. Die erste Veranstaltung fand im Dezember 1940 in New York statt, die zweite im März 1941 in Nassau auf den Bahamas. Die Gesellschaftsberichterstattung über beide Abende macht deutlich, welches Potenzial in den Filmen steckte, um den High Society-Status der Thaws zu verstetigen. Geld damit zu verdienen stand in den Verwertungskontexten nicht notwendigerweise im Vordergrund. Wichtiger war stattdessen, dass hier unterschiedliche mediale Formate zusammenwirkten und gerade wechselseitig den High Society-Status herstellten und steigerten. Film und Society Pages verbanden sich ganz selbstverständlich und eröffneten den Thaws unterschiedliche Öffentlichkeiten.

310Neben der bereits thematisierten Vorführung vor dem abgedankten Edward und Wallis Simpson in Nassau zeigt vor allem der Abend in Manhattan anschaulich, wie ihre Bekannten von dem medialen Hype um die Thaws profitieren konnten. Diese Wirkungsweise hatte sich in Ansätzen bereits in den 1920er und 1930er Jahren gezeigt, wie etwa die erwähnte Kristallhochzeit des Paares verdeutlichte; 1940 zeichnete sich aber eine neue Qualität ab. Dabei integrierten die Thaws die Filmvorführung geschickt in die New Yorker Wintersaison und machten sie so zum Bestandteil des High Society-Kalenders. Mit der Filmvorführung am 6. Dezember im Viennese Roof Garden des St. Regis-Grandhotels vor 400 Zuschauer/inne/n sicherten sich Larry und Peggy nicht nur ausführliche Artikel über das gesellschaftliche Großereignis. Sie belegten auch knapp eine Dreiviertelseite des New York Journal-American, das Fotos der Veranstaltung veröffentlichte. Indem die Thaws die mediale Aufmerksamkeit auf sich zogen, schufen sie zugleich einen Raum für Freunde und Bekannte, der diesen ebenfalls zu mehr medialer Sichtbarkeit verhalf. Die Bilder bündeln Aspekte einer ›richtigen‹ Kinovorführung und zeigen links oben Peggy mit den Eintrittskarten für die Veranstaltung. Rechts oben sieht man eine Gruppe von Gästen in ihren vor der Leinwand aufgereihten Sesseln (Abb. 45).

Abb. 45  Galavorvorführung von »India« im St. Regis-Grandhotel, New York American-Journal, 7.12.1940, S. 22, Privatnachlass Thaw.

 

Anders verhielt es sich dagegen mit den Kurzfilmen für Eastman Kodak und den Newsreels für Fox und Universal. Diese erreichten tatsächlich große Kinopublika, folgten aber ganz anderen medialen Logiken, die die Thaws nicht kontrollieren konnten. Kodak verkaufte seine Lehrfilme an amerikanische Schulen und Universitäten, während die Newsreels im Vorprogramm der amerikanischen Kinos vor den Spielfilmen liefen.[35] Um diese weite Verbreitung zu erzielen, mussten die Thaws ihr Filmmaterial allerdings aus der Hand geben. So stellte Kodak seine eigenen Filme her, erledigte den Schnitt und formulierte selbst Texttafeln.[36] Mit dem Ergebnis war Larry unzufrieden und fand, die Firma habe zu Lasten der Qualität an den Herstellungskosten gespart.[37] Die Zusammenarbeit mit dem wöchentlichen Newsreel-Nachrichtenformat Movie­tone, das Fox Ende der 1920er Jahre in den amerikanischen Kinos etablierte, verlief jedoch auch aus Larrys Sicht erfreulicher:[38] Fox zeigte Anfang 1942 zwölf je siebenminütige Kurzfilme, die aus dem Material der Thaws bestanden[39]: »India the Golden«, »Strange Empire«, »Royal Araby«, »Kingdom of Treasure«, »Gateway to Asia«, »Coast 311of Strategy«, »Realm of Royalty«, »Jewels of Iran«, »A Wedding of Bikaner«, »Mystic India«, »City of Paradox« und »Sikhs of Patiala«. Larrys überlieferter Zeitplan für die Feature-Produktion in Hollywood im Sommer 1940 belegt, dass er und sein Team neben »India« und »The Great Silk Route« mehrere shorts schnitten. Dabei handelte es sich vermutlich nicht um fertige Kurzfilme, sondern um einzelne Ausschnitte, aus denen Fox dann seine eigenen Versionen zusammensetzte und mit Texten versah. Diese Filme enthalten Szenen aus »The Great Silk Route« und »India« sowie Material, das es nicht in die Feature-Filme geschafft hatte. Der Kommentator von Fox orientierte sich recht stark an dem Erzähler der Thaws, war aber nicht mit diesem identisch. Die Musik übernahm Fox ebenfalls zum Teil vom Komponisten der Thaws, während der andere Teil aus eigener Produktion stammte. Einige der Kurzfilme liefen unter dem Lable Lowell Thomas Magic Carpet of Movietone, unter dem Thomas aus seiner Perspektive außergewöhnliche Reiseberichte vorstellte.

312Zwei Punkte sind in diesem Zusammenhang auffällig: Erstens waren die Titel der Kurzfilme zwar recht aufmerksamkeitsheischend bis reißerisch formuliert und spielten wie »Strange Empire« oder »Mystic India« mit Erwartungen an exotische Klischees. Tatsächlich orientalisierten und ethnologisierten sie ihren Inhalt aber kaum mehr als ihre Feature-Filmvorlagen. Die beiden Versionen der Hochzeit in Bikaner aus »India« (Szene 161) und von Fox (Szene 162) illustrieren das anschaulich.

 

Szene 161 »India«, Margaret und Lawrence Thaw, 1940, 82 Min., Imperial War Museum.

 

Szene 162 »A Wedding of Bikaner«, Twentieth Century Fox, 1942, 7 Min., Imperial War Museum.

 

Die Reihenfolge der Bilder und der Kommentar ähneln sich merklich; bei den Aufnahmen der Schmuckstücke übernahm Fox die Hintergrundmusik der Thaws sogar. Der einzige Unterschied ist, dass die Newsreel-Folge das Dargestellte stärker für die amerikanischen Kinopublika einordnet. So geht Lowell Thomas als Sprecher davon aus, dass die indischen Tänzerinnen nach amerikanischen Maßstäben eine recht langweilige Vorstellung ablieferten, und bemängelt: »This Hindustani twinkle toe would hardly fascinate American jitterbugs«. Daraufhin kommentiert er die präsentierten Hochzeitsgeschenke mit: »Girls, how would you like that [an elephant, J. H.] for a wedding present? But now we will see a few things that you would like. […] And so girls, how about a few princely gems for a wedding present?« Da Fox diese Art von Filmen serienweise produzierte, konnten die Mitarbeiter/innen die Sehgewohnheiten der Zuschauer/innen offenbar einschätzen und übertrugen ungewohnte Inhalte in bekannte Kontexte.

 

Zweitens traten die Thaws in der Fox-Perspektive allerdings deutlich in den Hintergrund. Die Expedition wird nur selten erwähnt und wenn, dann ohne im Detail auf Larry und Peggy einzugehen. Im Gegenteil nutzte Lowell Thomas das Material stattdessen dazu, sich selbst ins Spiel zu bringen; beispielsweise wenn er in »Royal Araby« auf seine persönlichen Erlebnisse mit Lawrence  von Arabien hinweist, der im Film der Thaws gar keine Rolle spielt (Szene 163). Auf diese Weise dienten die Filme Thomas’ eigener Profilierung. Das unterstreicht noch einmal deutlich die performative Dimension der Filmaufführungen: Die Verweise transformierten das Material in ganz neue Kontexte, wobei die Bilder eine Eigendynamik entfalteten, die sich Larrys und Peggys Kontrolle entzog.[40]

Szene 163 »Royal Araby«, 1942, 7 Min., Imperial War Museum.

 

Verglichen mit Fox gingen die Universal Studios sogar noch einen Schritt weiter. Aus dem Schwarz-Weiß-Filmmaterial, das die Thaws ihnen verkauften, machten sie die beiden je neunminütigen Kurzfilme »Hungry India« und »Confusion in India«. In diesen kommt das Paar überhaupt nicht mehr vor. Larry und Peggy erscheinen weder 313im Vorspann, noch nennt der Erzähler ihre Namen. Zugleich nahmen diese Filme auch eine ganz andere Perspektive als das Feature der Thaws ein. In »Hungry India« erscheint der Subkontinent geradezu als zivilisationsfern und prekär. Während die Thaws diesen ethnologisierenden Blick auf Indien in »India« weitgehend vermieden hatten, entschieden sich die Newsreel-Produzenten von Universal dazu, eben diesen Deutungsrahmen für das Filmmaterial vorzugeben (Szene 164). Im Zusammenhang mit der Erzählung von Rückständigkeit, Armut und Hunger thematisiert der Sprecher zudem Mahatma Gandhi und das Symbol des gewaltlosen Widerstands gegen das Britische Empire: das Spinnrad. Von den Maharadschas als westlich inspirierten Modernisierern ist hier keine Rede mehr. Schließlich sieht man dem Kurzfilm auch an, dass er etwas später als »The Great Silk Route« und »India« produziert wurde, behandelt er doch bereits die amerikanischen Truppen in Burma.

Szene 164 »Hungry India«, Universal Studios, ca. 1942, 9 Min., Imperial War Museum.

 

Insgesamt lässt sich für die verschiedenen Aufführungsskontexte festhalten, dass der Professionalisierungsprozess der Thaws ambivalent blieb. Er entfaltete eine im Grunde unkontrollierbare Eigendynamik, die eine geradlinige und planvolle Entwicklung gerade ausschloss. Mit der größeren Verbreitung verband sich zwar einerseits ein finanzieller Gewinn. Andererseits verloren die Thaws teilweise die Kontrolle über ihr Material und konnten nicht mehr beeinflussen, ob und wie sie selbst präsentiert wurden. Die technische Professionalisierung begrenzte außerdem die Reichweite, während sich die größeren Öffentlichkeiten der Newsreels wiederum nicht einfach in ein ›Mehr‹ an Sichtbarkeit für die Thaws übersetzen ließen. Trotz ihrer Reichweite trugen sie damit nicht notwendigerweise dazu bei, den High Society-Status des Paares zu verberuflichen.

Dass die Thaws darüber hinaus mit »Black Majesty«, »The Great Silk Route« und »India« geografisches und ethnologisches Wissen produzieren wollten, zeigt sich bereits auf der filmimmanenten Ebene, also an den Inhalten, der Bildästhetik, der narrativen Gestaltung und den verwendeten Authentisierungsstrategien. Erst die Aufführungskontexte steckten aber den Deutungsrahmen der Filme ab und bestimmten maßgeblich, ob sie als wissenschaftlich wertvoll, als unterhaltsame Kombination aus Gesellschaftsberichterstattung und Hollywoodstreifen oder als Mischform wie in den Newsreels wahrgenommen wurden. So ist es kein Wunder, dass der Cholly ­Knickerbocker nach der Vorführung im St. Regis-Grandhotel vor allem von den Aufnahmen der indischen Diamanten berichtete, während ein Artikel über den Bushnell Motion Picture and Lecture Course die Filme dagegen als »[t]hrilling and   [i]nformative [l]ecture-[f]ilms« beschrieb und als bemerkenswerte Dokumentation einer fremden Kultur darstellte. Er betonte: »Mr. Thaw has taken the first color motion picture of one of the oldest civilizations in the world«.[41]

314Erst die Vortragsreihen, Unterrichtsfilme und Newsreels machten aus den Thaws tatsächlich Produzenten von wissenschaftlichem Wissen. Ihr Beispiel illustriert damit anschaulich, wie ein spezifisches Wissen entsteht, es aus den unterschiedlichsten Beständen übersetzt, zusammengestellt und in ein mediales Format gebracht wird und dabei gerade keinem »diffusionistisch[en] Modell«[42] folgt: Hier stand kein ›echtes‹ akademisches Fachwissen am Anfang eines Vermittlungs- und Vereinfachungsprozesses.[43] Stattdessen, so wurde bereits gezeigt, griff das Filmmaterial der Thaws zeitgenössische Spiel- und Reisefilme, die Gesellschaftsberichterstattung, Reiseführer und Informationen der Kolonialverwaltungen auf. Die Aufführungskontexte lenken die Aufmerksamkeit zudem auf einen besonderen Aspekt der Wissenschaftspopularisierung: Im Zusammenhang mit den Thaws stellt sich nämlich nicht nur die Frage nach der Popularisierung von Wissen, sondern umgekehrt auch nach seiner Verwissenschaftlichung bzw. nach der Verwissenschaftlichung der Produzenten, die immer an bestimmte Präsentationsplattformen und Medien gebunden blieb. Anhand der Kooperationen der Thaws mit dem American Museum of Natural History und der National Geographic Society soll im Folgenden dieses Wechselspiel von Popularisierung und Verwissenschaftlichung untersucht werden.

Zwischen populärem und wissenschaftlichem Wissen

Frederick Vosburgh, einer der Redakteure des National Geographic Magazine, betreute 1940 den Artikel der Thaws über ihre Indienreise. In einem internen Memorandum für seinen Vorgesetzten Melville B. Grosvenor fällte er während der Korrekturphase ein ebenso vernichtendes wie aufschlussreiches Urteil:

The big weakness of this THAW [!] manuscript […] is the fact that the authors are too preoccupied with themselves and their expedition to make many interesting observations and comments on the people of the countries which they passed. […] The expedition was so big, expensive and had so much powerful diplomatic influence on its side all along the way that it seems arrogant to the point of being offensive. […] They conjure up a picture of high-handed rich Americans doing just about as they pleased.[44]

Bemerkenswerterweise hatten Larry und Peggy zu diesem Zeitpunkt schon einen Artikel über die Afrikareise von 1936/37 erfolgreich im National Geographic Maga315zine veröffentlicht; in der Septemberausgabe von 1938 war »Trans-Africa Safari« erschienen.[45] Während der Arbeit an diesem Text hatte das Paar aber offenbar nicht verinnerlicht, worauf das Magazin Wert legte. Darüber, was genau in einem solchen Artikel wissenswert sei, bestanden vielmehr zwei diametral entgegengesetzte Ansichten. Nichtsdestotrotz druckte das National Geographic Magazine zwischen 1938 und 1940 insgesamt drei Artikel der Thaws ab. Indem es ihnen diese mediale Plattform bot, erhob es sie – wie auch die Vortragsreihen – zu Produzenten von geografisch und ethnologisch validem Wissen.

Eben diesem konfliktreichen und komplizierten Prozess der Wissensbildung widmet sich seit den 1980er Jahren die Forschung zur Wissenschaftspopularisierung. Sie leitet die Annahme, dass die Entstehung und Verbreitung von Wissen nicht auf die Vereinfachung eines ›eigentlichen‹ Expertenwissens reduziert werden könne, das in einem einseitigen und geradlinigen Transfer von oben nach unten an ein passives Laienpublikum weitergegeben werde. Stattdessen plädierten etwa Terry Shinn und Richard Whitley bereits 1985 für einen interaktionistischen Zugang zu Wissenschaftler/inne/n, Vermittler/inne/n und Publika, der nach wie vor einflussreich ist.[46] Dieses Wechselverhältnis betont auch Andreas Daum in seiner Studie zur Wissenschaftspopularisierung in Deutschland im 19. Jahrhundert. Daum konstatiert, dass das Verständnis von einer wissenschaftlichen und einer nicht wissenschaftlichen Sphäre weiterhin konstitutiv gewesen sei, wobei er jedoch nicht von einem diffusionistischen Vermittlungsmodell ausgeht, sondern von einer »Pluralität von Wissenschaftsbegriffen« und einer »Vielfalt der Kontexte, in denen Wissenschaft betrieben, verbreitet und formuliert wurde«.[47] Die jüngere und oftmals kulturwissenschaftlich ausgerichtete Wissensgeschichte zielt inzwischen noch stärker auf den Konstruktionscharakter von Wissen im Allgemeinen ab.[48] So halten etwa Petra Boden und Dorit Müller fest, der Begriff der Popularisierung impliziere bei aller Betonung der Interaktion einen hierarchischen Vereinfachungsprozess, der das wissenschaftliche Fachwissen dem populären Wissen voranstelle. »Wissen«, so Boden und Müller, »ist jedoch nie in ›reiner Form‹ anzutreffen.«[49] Welche Formen ein bestimmtes Wissen annehme, hänge dabei maßgeblich von seiner Medialität ab: 316»Denn jedes Wissen ist gebunden an seine materielle Speicherung und Zirkulation, an konkrete Formen der Inszenierung, Darstellung und Vermittlung.«[50]

Anhand der Zusammenarbeit zwischen den Thaws und dem American Museum of Natural History sowie der National Geographic Society lässt sich plastisch nachvollziehen, wie unterschiedliche Wissensbestände und Präsentationsformen aufeinandertrafen, neu zusammengesetzt und in spezifischen medialen Formaten organisiert wurden. Für Larry und Peggy bedeutete die Verbindung zu diesen Institutionen darüber hinaus eine Verwissenschaftlichung, die eine wichtige Facette ihrer Professionalisierung darstellte. Wie bereits auf den anderen Professionalisierungsebenen demonstriert, handelte es sich aber auch hier nicht um eine kontinuierliche Entwicklung.

Tatsächlich stand für die Thaws ein wissenschaftlicher Anspruch ihrer Reise gar nicht im Vordergrund, als sie im Mai 1936 versuchten, eine Kooperation mit dem American Museum of Natural History zu vereinbaren. Ihr New Yorker Freund William Chadbourne, der den Kontakt zum Präsidenten des Naturkundemuseums vermitteln sollte, erklärte diesem erstaunlich offen, woran dem Paar eigentlich gelegen war:

Mr. and Mrs. Thaw are both most anxious to shoot a fine specimen of gorilla each and add them to their present trophies. […] by next winter these animals will probably be protected in both the French and the Belgian possessions in Africa […]. However, Mr. Thaw is sure that if he and his wife are commissioned by your institution to get a specimen each […], there will be no trouble whatever in obtaining special permission from both the French and the Belgian Governments.[51]

Dafür boten die Thaws an, unterwegs für den Filmbestand des Museums Material zu drehen.[52] Im Grunde sollte also das Museum Larrys und Peggys Jagdpläne unterstützen – auf einen derartigen Handel ließ sich die prestigeträchtige Institution jedoch nicht ein. Ein Kurator sprach den Filmen der Thaws in einer Empfehlung an Davison jeglichen wissenschaftlichen Mehrwert ab: »There is nothing that this expedition can do to help the Museum. […] the trip will be a high-pressure drive with very little time for any constructive work of any sort«.[53] Daraufhin lehnte der Präsident das Gesuch ab.[54]

Die Zurückweisung hielt Larry allerdings nicht davon ab, sich im Frühjahr 1938 persönlich an den Präsidenten sowie an den Direktor des Naturkundemuseums, Roy Chapman Andrews, zu wenden, um ein Empfehlungsschreiben für die Indienreise zu erbitten. Dieses sollte dem Projekt einen wissenschaftlichen Anstrich verleihen, 317den Thaws die Türen zu den Regierungsbehörden öffnen und die Arbeit vor Ort erleichtern. Dafür versprach er dem Museum erneut Filmmaterial von der Reise.[55] Davison war zwar immer noch nicht vom Nutzen der Expedition für sein Museum überzeugt und wollte den Thaws keine direkte Zusammenarbeit bestätigen. Er war aber dazu bereit, in einem »Letter of Introduction« das grundsätzliche Interesse des American Museum of Natural History an den Filmen der Thaws zu erklären und für Unterstützung zu werben.[56] Diesen nahm die National Geographic Society zum Anlass und zur Vorlage, 1938 ein ähnliches Schreiben für die Thaws zu verfassen.

Wissenschaftlichkeit, so lässt sich hier erkennen, bedeutete für die Thaws in diesem Kontext schlicht die Legitimiation ihrer Reisen in den Augen Dritter, oder wie Larry es selbst 1938 gegenüber Davison auf den Punkt brachte: »It [the letter of introduction, J. H.] would indicate that our expedition was of a scientific, and not simply of a play-boy, character«.[57] Auf die Reisen oder den Inhalt der Filme hatte dies aber keinen Einfluss. Vor ihrer letzten großen Reise profitierten Larry und Peggy aber tatsächlich enorm von den Empfehlungsschreiben. Sie legten beide den britischen Behörden (und vermutlich dem State Department) vor.[58] Der Direktor des Imperial Institute, Harry Lindsay, jedenfalls informierte Larry zufrieden: »[The] letters of sponsorship [!] from the American Museum of Natural History in New York and the National Geographic Society in Washington […] will quite suffice for my purposes.«[59]

Obwohl die Thaws also letztlich zumindest vordergründig den Anschein von Wissenschaftlichkeit erzeugen konnten, wird hier eine tiefe Kluft deutlich zwischen der Selbstwahrnehmung des Museums als seriöser Wissenschaftsinstitution und den – in Davisons und Andrews’ Augen – unwissenschaftlichen Projekten der Thaws. Dabei sahen sich der Präsident und der Direktor des Naturkundemuseums in einer regulierenden Position, in der sie die Definitionsmacht darüber hatten, wer und was als wissenschaftlich galt, oder noch grundsätzlicher formuliert: über »Wissen und Nicht-Wissen«.[60] Obwohl sie den Thaws halfen und 1940 Filmmaterial von ihnen bekamen, interessierten sich Davision und Andrews nicht für das Potenzial des High Society-Paares, mediale Sichtbarkeit für ihre Institution zu generieren.

Dagegen entstand zwischen der National Geographic Society und den Thaws eine engere Verbindung, weil hier beide Seiten erkannten, dass sie voneinander profitieren konnten. Neben den bereits erwähnten Vorträgen erhellen vor allem die drei Artikel »Trans-Africa Safari« (1938), »Along the Old Silk Route« und »In the Realm of the Maharajas« (beide 1940), wie sich dieser Austausch gestaltete. Dabei erweist 318sich insbesondere der erste Text über die Afrikareise als gutes Beispiel, weil die Korrespondenz zwischen Larry und den Redakteuren überliefert ist, ebenso wie deren interne Kommunikation und die zahlreichen Korrekturschleifen, die der Text durchlaufen musste. In diesem Zusammenhang lässt sich also fragen: Was hielten die Thaws für relevante Informationen? Welche Sprache erschien ihnen dafür angemessen? Wie schätzten wiederum die Redakteure den Text der Thaws ein? Und welche Rolle spielten Bilder dabei?

Vor dem Antritt der Afrikareise 1936/37 schrieb Larry einen Brief an die Illustrations Divison des National Geographic Magazine, um sich zu erkundigen, an welcher Art von Fotografien die Zeitschrift grundsätzlich interessiert sei und wie viel sie dafür zahle.[61] Die geforderten technischen Vorgaben setzte Larry in Afrika um und meldete sich nach der Rückkehr mit 700 Schwarz-Weiß- und Farbfotografien und dem Vorschlag, gemeinsam mit Peggy einen Artikel für das National Geographic Magazine zu schreiben.[62] Im Gegensatz zum American Museum of Natural History zielten die Thaws hier nicht nur auf eine ideelle Unterstützung ab, sondern auf die Publika, die ihnen die beliebte Zeitschrift eröffnen konnte, wobei auch ein Honorar von 750 Dollar pro Artikel (heute ungefähr 13.000 Dollar) in Aussicht stand.[63]

Mit der National Geographic Society hatten sich die Thaws eine prestigeträchtige Institution ausgesucht, die es sich seit ihrer Gründung in Washington D. C. 1888 zur Aufgabe machte, geografisches und ethnologisches Wissen zu verbreiten. Dazu unterstützte sie Expeditionen und organisierte Vorträge, ihr wichtigstes Organ war allerdings ihr Magazin National Geographic, das sich als faktenbasierte und unpolitische Publikation präsentierte.[64] Dass dieses Wissen allerdings keineswegs neutral, sondern hochpolitisch war und einen amerikanischen Nationalimus, anglo-amerikanische Überlegenheit und die (sexuelle) Verfügbarkeit anderer Ethnien propagierte, haben jüngere Arbeiten einleuchtend demonstriert.[65] Dabei kamen die Artikel nicht als trockene Fakten daher, stattdessen knüpften sie als spannende und unterhaltsame Geschichten an zeitgenössische Abenteuernarrative an und zeigten vor allem außergewöhnliche Bilder. Genau in dieser Verbindung sieht Stephanie Hawkins den besonderen Erfolg des Magazins: »National Geographic participated in the local-color fascination with the primitive, portraying geography as the ›epic story‹ of human progress and producing iconic images of ordinary folks as well as of 319the savage and the culturally exotic.«[66] Darin unterschied sich die National Geographic Society von anderen naturkundlichen Institutionen wie dem American Museum of Natural History und war zugleich anschlussfähiger an die Logiken der High Society.[67] Darüber hinaus war den Thaws die große Reichweite des National Geographic Magazine durchaus bewusst; 1940 berichtete Larry vor der Veröffentlichung der Septemberausgabe mit dem Artikel über die Seidenstraße in einem Brief, dass die Zeitschrift alleine schon von den 1.200.000 registrierten Mitgliedern der National Geographic Society gelesen werde.[68]

Doch auch die National Geographic Society versprach sich etwas von der Zusammenarbeit mit dem Paar: Die Fotografien, die die Thaws selbstinitiativ eingereicht hatten, gefielen den Redakteuren und so beraumten sie im November 1937 ein Treffen in Washington D. C. an. Zu diesem brachten die Thaws Peggys ausführliches Reisetagebuch mit, aus dem die Redakteure die aus ihrer Sicht interessantesten Passagen für den Artikel auswählten.[69] Gleichzeitig versuchten die Mitarbeiter des Magazins, sich ein Bild von den New Yorker Millionären zu machen und möglichst viele Informationen über Larry und Peggy zu bekommen. Dass die Thaws mit ihrer letzten Afrikareise Schlagzeilen gemacht hatten, hebt das interne Memorandum über das Paar besonders hervor und beschreibt ausführlich die ganzseitige Bildbeilage aus der New York Times.[70] Obwohl bereits veröffentlichte Bilder der Thaws im Grunde eine Konkurrenz für das National Geographic Magazine darstellten, konnte es von der medialen Sichtbarkeit der Thaws durchaus profitieren. Damit begann im Dezember 1937 eine Zusammenarbeit zwischen den Thaws und den Redakteuren der Zeitschrift, an deren Ende ein Artikel stand, der sich nicht mehr einem einzelnen Autor zuordnen lässt, sondern ein Gemeinschaftsprojekt war.

Larry und Peggy verfassten in rund einem Monat gemeinsam einen 38seitigen Text (11.500 Wörter), der dem chronologischen Verlauf der Reise folgte.[71] Dabei nahmen sie eine Wir-Perspektive ein, die hin und wieder ein vertrauliches »Larry« oder »Peggy« auflockerte. Der Artikel wirkt insgesamt wie eine Mischform aus Peggys Tagebuch und »Black Majesty«. Er benennt die wichtigsten Ereignisse, die auch der Film einfängt, und folgt teilweise wörtlich dem Sprechertext. Zusätzlich beschreibt er aber auch unvorhergesehene Vorfälle wie Autopannen, die Peggy in ihrem Journal festhielt und die die Thaws nicht aufnehmen konnten. Immer wieder 320thematisiert der Text den Vorgang des Filmens, was noch einmal die enorme Bedeutung vor Augen führt, die die Thaws ihrer Doppelrolle als Medienproduzenten und Protagonisten beimaßen. Hierin liegt auch einer der Gründe, warum die Thaws und das National Geographic Magazine eine gemeinsame Arbeitsgrundlage fanden: Das Magazin etablierte in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts Fotografien, die nicht nur informativ oder ästhetisch waren, sondern auch die Fotograf/inn/en sichtbar machten, als »both witness and artificier. In this way, the confluence of visual and textual genres in National Geographic arrives at nothing less than an artistically ›modern‹ form.«[72] Diese Form der Berichterstattung, so lässt sich ergänzen, kennzeichnete eben auch die High Society.

Für Larry und Peggy erfüllten diese Abschnitte jedoch noch eine andere Funktion. In ihnen erläutern sie, wie sich die Dreharbeiten auf die Interaktionen mit den Menschen vor Ort auswirkten. Bemerkenswerterweise versetzte die laufende Kamera die Einheimischen zumeist in eine unterlegene Rolle. Daran war oftmals deren fehlende Medienkompetenz schuld, wie der Text über das Treffen mit dem Emir von Kano in Nigeria nahelegt: »The interpreter told him [the emir, J.H.] we wished to photograph him […]. The unsuspecting monarch assented, whereupon ruthless Tom made him and his heavily robed court stand in the broiling sun for a good hour. We were told it was the first time His Majesty had posed for the movies, and probably it will be the last.«[73] Die Perspektive, aus der die Thaws diese Zeilen formulierten, war die der mediengewandten High Society.

Im Folgenden lohnt es sich, näher auf die Sprache, den Inhalt und die Rolle der Bilder in dem Artikel einzugehen. Anhand dieser drei Aspekte lässt sich der wechselseitige Wissenstransfer zwischen den Thaws und den Redakteuren besonders gut nachzeichnen. Die Sprache, die Larry und Peggy für den Afrikaartikel (wie für die beiden anderen) wählten, erinnert an die launigen Kommentare ihrer Off-Sprecher und an die Society Pages, wobei sie auch immer wieder inhaltliche Bezüge zu typischen High Society-Themen herstellten. Darüber waren die Redakteure allerdings nicht immer glücklich und strichen diejenigen Abschnitte, die ihnen zu unpassend für das National Geographic Magazine erschienen. In ihrer ersten Version verwiesen die Thaws etwa im einleitenden Abschnitt auf die Tabloids und meinten damit sicherlich nicht nur einen knappen Abriss der langen Reise, sondern eine ähnlich mitreißende, spannende und emotionalisierende Geschichte, wie sie ein Boulevardblatt bieten würde: »In the brief space of a few pages we will try and give a tabloid version of a half year of experiences – some sad, some frightening, some funny, but all intensely fascinating.«[74] Dieser Satz fiel jedoch bereits beim ersten Korrekturdurchgang der Redakteure durch.

321Tatsächlich kritisierte Mr. Hildebrand, einer der Redaktionsmitarbeiter, in einem internen Memorandum den Sprachstil der Thaws: »Here and there are a few forms of expression which Dr. Grosvenor might like us to modify somewhat – as, for example […] the flippant comments on native royalty«.[75] Der Textabschnitt, auf den sich diese Kritik bezog, thematisierte den Aufenthalt in Kano und ging dem bereits genannten Zitat aus der veröffentlichten Version über die Dreharbeiten mit dem Emir voraus: »The Emir came forward to greet us, looking like something out of a book […]. He greeted us in an incomprehensible speech, which the interpreter was too awed to translate, and we sat down for a cosy chat. When the interpreter finally came out of his coma, we told the Emir that we would graciously consent to photograph him«.[76] Hildebrand strich den Textteil, weil er den Herrscher unangemessen darstellte; problematisch war dabei weniger der Inhalt, sondern vielmehr die Ausdrucksweise, die einem ironisch-bissigen Kommentar des Cholly Knickerbocker ähnelte. Dennoch gelang es den Thaws aber, einige Passagen in der Endversion des Textes unterzubringen, die auf ihren High Society-Status und den besonderen Lebensstil verwiesen, beispielsweise wenn sie berichteten: »with the aid of our kerosene-operated refrigerators, we served them [Foreign Legion officers in In Salah, J. H.] the first iced drinks they had in months«.[77] Der ursprüngliche Vorschlag der Thaws – »The Cocktails we served […] were the first drinks these poor chaps had tasted in months«[78] – betonte wohl zu sehr den Alkohol, während die Redakteure lieber die außergewöhnliche Technik des Kühlschranks hervorheben wollten.

Neben den sprachlichen Überarbeitungen versuchten die Redakteure einerseits zu überprüfen, woher die Thaws ihre Informationen hatten, und recherchierten selbst noch einmal einzelne Punkte. Andererseits fanden sie den Artikel insgesamt recht gelungen. Besonders gefiel einem der Mitarbeiter der Teil über die Frauen in Französisch-Äquatorialafrika, die Lippenteller trugen. Für seine Kollegen hielt er dazu fest: »Some of the best Geographic copy in the manuscript, in my opinion, is the explanation of how the big-lipped or ›platter-puss‹ women got that way«.[79] Im fertigen Artikel dominiert ein riesiges Foto den entsprechenden Textabschnitt, das eine der Frauen zeigt. Statt eines Lippentellers trägt sie allerdings eines Filmdose (Abb. 46). Die Beschreibung dazu lautet:

Suppose Her Husband Had To Buy Her Lipstick! Her lower lip, about 25 inches in circumference, encircles the container for a 400-foot reel of motion picture film. […] Tradition tells that this form of mutilation was introduced centuries ago so that Ubangi women would not be sought by slave traders. But today big lips and 322shaved heads are fashionable.[80]

Abb. 46 Abbildung in »Trans-Africa Safari«, abgedr. in: Lawrence and Margaret Thaw, Trans-Africa Safari, The National Geographic Magazine 74 (1938) 3, S. 338-350, S. 357.

 

Dieser Abschnitt ist in zweifacher Hinsicht bemerkenswert: Erstens griffen Larry und Peggy in ihrem Text auf, was sie bereits in ihrem Film betont hatten – die angeblich unnatürliche Körperlichkeit der Afrikaner/innen, die sich in ihrer Nacktheit und in Körpermodifikationen ausdrückten. Mit der Großaufnahme eröffneten sie den Leser/inne/n, Forscher/inne/n gleich, nahe an die Frau heranzurücken und ihren Körper genau zu inspizieren. Die scheinbar akkurate Information über den Lippendurchmesser unterstützte die Suggestion der Wissenschaftlichkeit und Authentizität noch; Bild und Text beglaubigten sich hier gegenseitig. Die Filmrolle und der Verweis auf den Lippenstift deuten zudem an, dass diese Lebensweise nicht mit westlichen Standards vereinbar sei, und sind in ihrer Ironie äußerst herabwürdigend und rassistisch. Wie Peggy in ihrem Tagebuch festhielt, hatte die französische Kolonialverwaltung diese Form der Körpermodifikation in den 1930er Jahren bereits verboten. Die Thaws verzichteten jedoch im Film wie im Artikel auf diese wichtige Information. Darüber hinaus benutzten Larry und Peggy sogar diese vorgeblich ethnologische Darstellung dazu, sich mithilfe der Filmrolle selbst zu thematisieren.

Dass der Mitarbeiter des National Geographic Magazine zweitens diesen Textteil positiv hervorhob, ist erstaunlich, denn er hatte sich eigens noch einmal erkundigt, woher das Wissen über den Ursprung dieser Praktik stamme. Larrys Erklärung klingt allerdings alles andere als belastbar, es handelt sich vielmehr um Hörensagen und seine eigene Vermutung: »I was told by the French Administration in Fort Archambault that the practice of mutilating and stretching the lips of the Ubangi women was to discourage slave trading. This seems logical, as by no stretch of the ima323gination could even the Ubangis find this beautiful.«[81] Der Redakteur hielt das nicht nur für eine glaubwürdige und wissenswerte Information, er nahm sogar die despektierliche Bezeichnung »platter puss« der Thaws in seinen eigenen Wortschatz auf.

Bereits dieses Beispiel verdeutlicht die zentrale Rolle, die Bilder im National Geographic Magazine spielten. Die visuelle Konstruktion von Ethnie, Geschlecht und Sexualität in der Zeitschrift ist inzwischen Gegenstand zahlreicher historischer Arbeiten.[82] In diesem Kontext soll die Aufmerksamkeit stärker auf den Wissensaustausch gelenkt werden, der sich auch in den Bildern manifestierte. Die Redakteure wählten die Abbildungen aus, die sie dem Text der Thaws an die Seite stellen wollten. Dazu verfügten sie über Schwarz-Weiß- und Farbfotografien sowie Standbilder aus »Black Majesty«. Die spektakulären Fotografien, für die der National Geographic berühmt war, sollten einen doppelten Anspruch erfüllen – von wissenschaftlichem Mehrwert und zugleich ästhetisch und außergewöhnlich zu sein.[83] Das Foto der Afrikanerin mit der Filmrolle dürfte diese besondere Mischung genau getroffen haben. Beliebt waren zudem schon frühzeitig Farbfotos, sodass Larry und sein Kameramann während der Afrikareise speziell für eine mögliche Publikation im National Geographic Magazine einen Farbfilter beim Fotografieren verwendeten. Neben den Schwarz-324Weiß-Abbildungen entschieden sich die Redakteure auch tatsächlich für zwölf Farbfotos (Abb. 47).

Abb. 47 Farbfotos in »Trans-Africa Safari«, abgedr. in: Lawrence and Margaret Thaw, Trans-Africa Safari, The National Geographic Magazine 74 (1938) 3, S. 338-350, S. VIII.

 

Deren Rolle ist besonders interessant, denn sie bekamen zusammen einen hervorgehobenen Platz in der Mitte des Artikels mit je zwei Bildern pro Seite. So sprengten die Fotografien die Struktur des Textes und rückten in den Vordergrund. Der Anlass für diese Komposition war sicherlich auch ein praktischer, nämlich, dass die Farbfotos auf ein anderes Papier gedruckt wurden als die Schwarz-Weiß-Versionen und der Text. Diese Anordnung hatte jedoch zur Folge, dass der Fokus auf die Bilder den Artikel zu einem typischen National Geographic-Beitrag machte und die individuelle Autorschaft der Thaws in den Hintergrund trat. Zugleich erhob die National Geographic Society auf diese Farbfotos das Urheberrecht, was eine weitere Veröffentlichung in anderen Publikationen verhinderte.[84] Unter jedem Bild standen also Larrys Name als Fotograf und die Society mit dem Copyright-Zeichen. So schrieb sich die National Geographic Society in die Bilder und in den Artikel ein. Der einzige Verlierer war dabei der Kameramann der Thaws. Thomas Hogan hatte zwar den Film gedreht und zahlreiche Fotografien für das Magazin gemacht. Seiner Bitte, ihn zumindest unter einer Abbildung als Fotograf zu nennen, kamen die Thaws jedoch nicht nach und gaben ausschließlich Larrys Namen an.[85]

Insgesamt verlief dieser Aushandlungsprozess zwischen den Thaws und dem National Geographic nicht ganz konfliktfrei. Nach dem zweiten Korrekturdurchlauf Ende Juni 1938 bemerkte Larry etwas gekränkt in einem Brief: »I notice that the article has been practically rewritten, probably with the idea of shortening it. […] I don’t think that the story runs as smoothly as the original«.[86] Daraufhin machte sich Melville Grosvenor persönlich die Mühe, die Wogen zu glätten, und antwortete: »Frankly, I do not think the resulting piece is nearly as bad as you thought at first. There are very few changes and mostly minor ones at that.«[87] Im Gegensatz zu F. Trubee Davison und Roy Chapman Andrews vom American Museum of Natural History zielte Melville Grosvenor im Umgang mit Larry darauf ab, dessen Handlungsmacht im (populär-)wissenschaftlichen Kontext zu betonen. Anstatt eine Hierarchie zwischen seiner Institution und den außenstehenden Thaws zu konstruieren, gab er ihnen das Gefühl, trotz der Änderungen ihren Text noch zu kontrollieren und gleichwertige Wissensproduzenten zu sein. Diese Strategie funktionierte, und 325Larry zeigte sich besänftigt.[88] Zugleich scheint Grosvenor ein großes Interesse daran gehabt zu haben, die Kooperation zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen.

Tatsächlich waren am Ende alle Beteiligten so glücklich über das Ergebnis, dass Larry und Peggy nach ihrer Rückkehr aus Indien 1940 noch zwei weitere Artikel verfassen durften. Wie jedoch bereits das Zitat von Frederick Vosburgh zu Beginn des Kapitels deutlich macht, hatten die Thaws aus ihrem ersten Text nicht viel gelernt. Leo Borah, Vosburghs Kollege, urteilte etwas milder, aber dennoch mit einer ähnlichen Stoßrichtung: »A pleasant account of a motor adventure […] but the geography is yet to be supplied.«[89] Beim zweiten Mal entschied sich Melville B. Grosvenor für eine effizientere Überarbeitungsweise und schickte Borah nach New York, wo er die Artikel gemeinsam mit Larry umschrieb.

Die Thaws blieben während des gesamten Prozesses ihrer High Society-Perspektive, einer distinkten Sprache und spezifischen Inhalten, verpflichtet. Die Kooperation mit der National Geographic Society eröffnete ihnen zwar größere Öffentlichkeiten; sich als wissenschaftliche Experten zu präsentieren, war für die beiden dagegen zweitrangig. Stattdessen inszenierten sie sich immer wieder ganz selbstverständlich als Protagonisten des Artikels, anstatt sich auf Land und Leute zu konzentrieren. Professionalisierung und Verwissenschaftlichung gingen für die Thaws nicht ineinander auf, doch befruchteten sich beide Prozesse gegenseitig.

Dass die Mitarbeiter des National Geographic Magazine die aufwendigen Korrekturen wiederum mehrfach in Kauf nahmen, zeigt, dass sie hofften, von der medialen Sichtbarkeit des berühmten Paares zu profitieren. Darüber hinaus war ihnen in den 1940er Jahren durchaus bewusst, dass selbst eine geografische Fachzeitschrift in erster Linie unterhalten musste, um erfolgreich zu sein. Die Thaws lieferten exklusive Geschichten und originelle Bilder, die die Leser/innen der Society Pages wie des National Geographic Magazine ansprachen. Die medialen Logiken der High Society hatten inzwischen die Grenzen der Society Pages überwunden.

»Wissen«, so konstatiert Philipp Sarasin, »entwickelt, verändert und ›realisiert‹ sich immer wieder neu durch die Zirkulation zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Sphären, bis es sich darin möglicherweise ›verbraucht‹ und wieder verschwindet.«[90] Am Beispiel der Thaws lässt sich zeigen, wie unterschiedliche Wissensbestände aufeinandertrafen. Diese konnten unvereinbar sein, wie im Fall des American Museum of Natural History, oder wie bei der National Geographic Society flexibel zusammengefügt werden. Die Publikationsstrategien der Thaws eröffneten nicht nur eine Perspektive auf die verzweigten Interaktionsprozesse, die wissenschaftliches Wissen erzeugen. Mit Larry und Peggy lassen sich auch die Spuren ihrer eigenen Wissensbestände nachverfolgen und offenlegen. Dabei ergibt sich ein 326disparates Bild, das sich nicht vollständig in wissenschaftliche und populäre Wissensformen auflösen lässt.

Werbung

Ein Bereich, in dem die Filme, der High Society-Kontext, finanzielle Gewinne und mediale Sichtbarkeit tatsächlich beinahe reibungslos zusammenfielen, war die Werbung. Dass Larry und Peggy mit »Black Majesty«, »The Great Silk Route« und »India« nicht mehr nur an ihrer eigenen medialen Sichtbarkeit arbeiteten, sondern auch Medienschaffende in eine Kooperation mit dem Paar investierten, wurde bereits deutlich. Ende der 1930er Jahre lohnte es sich aber auch für Akteure außerhalb des unmittelbaren Presseumfelds, mit den Thaws zusammenzuarbeiten. Anders formuliert: Larry und Peggy hatten die Verberuflichung der eignen Personen inzwischen so weit vorangetrieben, dass sie als Werbeträger Geld verdienen konnten. Wie im ersten Kapitel gezeigt, hatte sich die Verbindung von High Society, Konsum und Werbebranche schon in den 1920er Jahren fest etabliert. Erst mit ihren letzten Filmen hatten sich die Thaws aber als Privatpersonen in der High Society so weit professionalisiert, dass ihr Image nun auch auf die Produkte zurückwirkte, die sie konsumierten. Vor diesem Hintergrund bietet es sich an, inbesondere drei Aspekte näher zu untersuchen: Erstens das direkte Sponsoring der Reisen, wie es einflussreiche amerikanische Großkonzerne wie General Motors und Standard Oil betrieben. Zweitens schlossen die Thaws mit mehreren Firmen Verträge über Produktplatzierungen in ihren Filmen ab. Drittens entwickelte sich das Paar schließlich selbst zu Testimonials und erschien 1940 in Werbeanzeigen.[91]

Zu den »industrial sponsors of the expedition«,[92] wie Larry seine Unterstützer nannte, zählten 1939 General Motors, Standard Oil of New Jersey, General Electric, die Union Carbide and Carbon Corporation und die Ethyl Gasoline Co. In welchem Umfang sich diese Firmen an der letzten Reise der Thaws beteiligten, lässt sich kaum noch nachvollziehen.[93] Die Gegenleistungen des Paares sind allerdings bekannt: Larry und Peggy versprachen ihren Sponsoren, Bild- und Filmmaterial von der Reise mitzubringen, das diese dann zu Werbezwecken in hauseigenen Publikationen und öffentlichen Vorführungen verwenden konnten.[94] General Motors machte davon schon vor der Reise Gebrauch und veröffentlichte im Juli 1939 im firmeneige327nen Magazin General Motors World einen Artikel über das Wohnmobil. Dieser beschreibt die technische Meisterleistung der Firma, zwei Drittel des Textes beziehen sich jedoch auf den großen Komfort und die geschmackvolle Einrichtung. Vier Fotografien illustrieren zudem das Innere und Äußere der land yacht.[95] So inszenierte sich der Autohersteller als Ausstatter der High Society, wobei er sich darauf konzentrierte, den Fokus der Gesellschaftsberichterstattung nachzuvollziehen und sowohl distinktiven Konsum hervorzuheben als auch Einblicke in private Wohnräume zu gewähren. Dass dieses Kalkül aufging, belegen die zahlreichen Zeitungsartikel, die anlässlich der gemeinsamen Pressekonferenz der Thaws mit General Motors entstanden. Seine Investitionen brachten dem Autorhersteller darüber hinaus eine eigene Szene in »The Great Silk Route« ein (Szene 165).

Szene 165 »The Great Silk Route«, Margaret und Lawrence Thaw, 1940, 73 Min., Imperial War Museum.

 

Im Einklang mit der Gesellschaftsberichterstattung und General Motors’ eigener Werbung betonten auch die Thaws den Lifestyle-Aspekt des Wohnmobils und nutzten zudem die Szene, um weitere Produkte in ihrem Film unterzubringen. Der eigens erwähnte »electrical refrigerator« dürfte von der Firma General Electric stammen, die in den 1930er Jahren zu den Marktführern unter den Kühlschrankherstellern zählte.[96] Genauso handelte es sich wahrscheinlich auch bei dem prominent ins Bild gerückten Cocktailshaker um ein Haushaltsgerät von General Electric. Besonders auffällig ist schließlich, wie der Film die Gin- und die Martiniflasche in zwei Nahaufnahmen präsentiert. Tatsächlich hatten Larry und Peggy bereits in »Black Majesty« einen Vertrag über die Produktplatzierung von scotch whisky im Film abgeschlossen, weshalb in der Szene mit dem trinkenden und rauchenden Schimpansen auch eine Nahaufnahme der Whiskyflasche vorkommt.[97] Vor diesem Hintergrund ist es wahrscheinlich, dass Larry und Peggy für »The Great Silk Route« und »India« ähnliche Vereinbarungen eingingen. Damit befand sich das Paar ganz auf der Höhe seiner Zeit, denn in den späten 1930er Jahren setzte sich diese subtilere Art der Werbung in Hollywoodspielfilmen durch. Studios wie Paramount und Metro-Goldwyn-Mayer gründeten sogar eigene Abteilungen, die sich bei der Ausstattung von Filmsets um Produktplatzierungen kümmerten.[98]

Gezielt verknüpften Larry und Peggy diese typischen High Society-Konsumgüter – schicke Einrichtungsgegenstände und Alkohol – mit der genuinen Schlüssellochperspektive der Gesellschaftsberichterstattung. Zu sehen sind zum einen private Wohnräume, wobei der teilweise aufgezogene Duschvorhang die bisher zur Schau gestellte Privatheit deutlich übersteigt. Zum anderen verstärken die verwendeten 328Kameraeinstellungen und -perspektiven diesen Eindruck noch, positionieren sie die Zuschauer/innen doch außerhalb des Sichtfelds der Gefilmten. So blickt die Kamera Larry von hinten über die Schulter oder nähert sich der duschenden Peggy von unten, während der Off-Sprecher betont: »We sneaked up on Peggy in her shower just to show what it looked like in operation.«

Schließlich traten die Thaws auch nach dem Ende der Indienreise als Werbeträger auf. Ihren Sponsor Standard Oil versorgten sie nicht nur mit Filmmaterial von der Fahrt. Nach ihrer Rückkehr drehten sie auch weitere Aufnahmen für die Firma, die schließlich alles zu einem rund dreißigminütigen Werbefilm zusammenfügte. »From New Lands to Old« stellt eine Hybridform aus Werbung und Travelogue dar (Szene 166):

Szene 166 »From New Lands to Old«, Standard Oil, ca. 1942, 26 Min., www.travelfilmarchive.com.

 

Der Film gleicht den Feature-Filmen der Thaws im narrativen Aufbau und in der Ästhetik in bemerkenswerter Weise. Neben dem Vorspann und der tricktechnisch animierten Landkarte präsentiert er zudem überwiegend Szenen aus »The Great Silk Route«. Zugleich setzte Standard Oil in den ersten sechs Minuten zahlreiche visuelle Marker wie »An Esso Picture« oder »The Esso Marketers Present«, die den Konzern mit den Filmbildern verknüpften. Mit dem einführenden Text verbanden die Produzenten das Filmmaterial von fremden Ländern mit dem heimischen Markt und den amerikanischen Kund/inn/en. Hier heißt es: »Esso dealers may well be proud that the same Esso gasoline, Esso motor oil, Essoleum lubricants, and Atlas tires and batteries which they offer to American motorists played such an important part in the successful performance of the motorized caravan«. Nach der Szene in der T­ankstelle verzichtet er allerdings auf weitere Hinweise auf den Benzinhersteller. Offenbar galt es, ein fragiles Gleichgewicht zwischen Werbung und Unterhaltung zu wahren und die Zuschauer/innen nicht mit zu vielen – und zu offensichtlichen – Werbeinhalten zu langweilen.

Wie die Produktplatzierungen entdeckten große Konzerne auch die sogenannten industrial films Ende der 1930er Jahre als geeignetes Medium, um Produkte auf eine vergleichsweise unaufdringliche Weise anzupreisen. Werbeagenturen wie General Screen Advertising, die Alexander Film Company oder die Screen Brothers kümmerten sich darum, die Werbefilme im Vorprogramm von Spielfilmen unterzubringen, und schlossen dafür landesweite Verträge mit den Kinobetreibern ab. So zählte Standard Oil of New Jersey 1940 zu den größten Nutzern der industrial films.[99] Während beispielsweise der Virginia-Ableger des Unternehmens im Jahr 1939 insgesamt nur 29.405 Zuschauer/innen erreicht hatte, gelang es ihm im folgenden Jahr bereits bis Ende April, seine Filme vor 55.687 Menschen aufzuführen.[100] So berichtete das interne Firmenmagazin The Esso Marketer auch euphorisch: »[T]he use of Esso Marketers motion 329pictures this year […] has been outstandingly successful so far.«[101] In diesem Zusam­menhang erwähnte der Artikel die Thaws und den großen Nutzen ihrer Filme für die Werbezwecke des Unterneh­mens:[102]

Mr. and Mrs. Lawrence C. Thaw arrived home late last month from their latest safari through Europe and Asia. With them they brought many hundreds of feet of motion picture film from which the Company possibily may make another consumer picture this year. […] They used products of the Esso Marketers and their affiliates throughout the trip.

Auffällig ist, dass der Standard Oil-Film einerseits deutlich gezielter als die Newsreels von Fox und Universal auf die Thaws einging und den High Society-Kontext hervorhob, etwa indem er Larry und Peggy mit ihren Kosenamen einführt, die die meisten Zuschauer/innen wohl aus den Society Pages kannten. Die Verbindung von Konsum und High Society scheint der Regisseur als entscheidend für die Wirkung des Films wahrgenommen zu haben. Andererseits blieb er dem wissenschaftlicheren Travelogue-Format verhaftet und setzte Larry als männlichen Sprecher ein. Eine Frauenstimme wäre in diesem Kontext offenbar unglaubwürdig gewesen, sodass Peggy stumm bleiben musste.

 

Konsum, Körper und Mode, die Filme und Zeitungsartikel über die Thaws vereinte schließlich eine Werbeanzeige, in der Peggy für ein Auto der Firma Studebaker auftrat (Abb. 48). Eine ganze Magazinseite zeigte ein koloriertes Foto von Peggy in einem augenscheinlich privaten Salon, ein kleineres Bild präsentierte sie mit dem Sultan von Garoua und verwies auf Afrika. Ganz unten auf der Seite sieht man schließlich eine verhältnismäßig kleine Abbildung des Autos vor einem Flugzeug. 330Mit diesem Modell zu fahren, so die Botschaft, war ebenso modern wie die zeitgenössisch modernste Fortbewegungsart schlechthin – das Fliegen. Die Anzeige montierte dabei einer Collage gleich unterschiedliche Facetten, die Peggys High Society-Status ausmachten. Ein kurzer Text brachte diese Zusammenhänge explizit auf den Punkt und erinnert dabei an Maury Pauls Lobpreisungen von Peggys Aussehen:

 

Abb. 48 Werbeanzeige der Firma Studebaker mit Peggy, abgedr. in: Life, 28.4.1941, S. 75.

 

The gracious charm and boundless enthusiasm of Mrs. Lawrence Copley Thaw never vary – at home or on safari. Accompanying her well known husband on numerous expeditions into Africa, she has but recently returned from a year’s trek overland through India and the Near East. The color photographs of the Thaw expedition are treasure historical documents which have been featured in Life and National Geographic.

Erstaunlicherweise dominierte in der Anzeige nicht das beworbene Produkt, sondern Peggy. Mit dem Studebaker erwarb man nicht einfach ein Auto, sondern einen Lebensstil – den außergewöhnlichen Lebensstil, den Peggy verkörperte. Die Anzeige warb mit einer tiefgreifenden persönlichen Transformation für die Konsument/inn/en und dem Versprechen, dazuzugehören.[103] Vor diesem Hintergrund schlossen sich High Society und Massenkonsum hier gerade nicht aus. Das Auto, dem Peggy im eleganten Kleid und mit extravaganten Edelsteinen behängt ihr Gesicht lieh, schien vielmehr beide Welten zu vereinen: dem Werbetext zufolge war es einzigartig – »[d]istinctively smart new« – und zugleich erschwinglich: »Studebaker prices are exceptionally low. You may turn in your present car as part payment«. Abstrakt formuliert: Diese Anzeige führt vor Augen, wie die High Society den Übergang von der »Herrschaft des Allgemeinen« in der Moderne zur »Herrschaft des Besonderen« in der Spätmoderne vermittelte: Die Logik einer auf Gleichartigkeit und Gleichberechtigung abzielenden Standardisierung – verkörpert durch das günstige Auto – traf hier auf den außergewöhnlichen und exzeptionellen Lebensstil der High Society.[104] Auffällig ist außerdem, dass Larry und Peggy – mit Alkohol und Autos – gerade für Produkte warben, die sie wegen ihres High Society-Status glaubhaft repräsentieren konnten, weil sie für Moderne, Fortschritt und Progressivität wie für Freizeit und Vergnügen standen – jene Themen also, die die Thaws rund zehn Jahre früher bereits in ihren Europafilmen in Szene gesetzt hatten.

Peggy selbst fand ausgerechnet das Foto dieser Anzeige misslungen und wenig schmeichelhaft, in dem sich eigentlich ihr gesellschaftlicher Einfluss und ihre Sicht331barkeit verdichteten.[105] Was auf den ersten Blick widersprüchlich scheinen mag, macht zwei wichtige Punkte sichtbar: Erstens passten in diesem Fall Peggys Selbst- und Fremdbild nicht zusammen. Im Grunde markiert dieser Zustand den Normalfall. In der Welt der High Society besaß das eigene Bild in den Medien aber wohl stets Selbstbildcharakter. Rückblickend kann es somit – das ist schließlich ein Ausgangspunkt dieser Arbeit – nicht darum gehen, zu identifizieren, welches Bild der ›echten‹ Peggy näherkommt. Stattdessen zeigt sich hier deutlich eine Ungleichzeitigkeit in der Professionalisierung der High Society. Einerseits auf dem Höhepunkt ihrer medialen Sichtbarkeit, war Peggy andererseits schon so alt, dass das mediale Interesse an ihrer Person bereits zu schwinden begann. Zudem nahm auch ihre Bereitschaft ab, ihr Leben nach den medialen – und den damit verknüpften gesellschaftlichen – Regeln auszurichten. Zweitens bedeutete Professionalisierung im High Society-Kontext eben gerade nicht, einen einmal erreichten Status für immer innezuhaben. Fluide und auf die permanente performative und mediale Erneuerung angewiesen, war eine rückläufige Entwicklung stattdessen strukturell von Anfang an in dieser Karriere angelegt.

Militär

Den Februar 1943 verbrachten Larry und Peggy wie in alten Zeiten in Palm Beach, wo sie sich sonnten, zu Cocktailpartys gingen und New Yorker Freund/inn/e/n in deren prunkvollen Villen besuchten.[106] Neben diesen altbekannten Routinen gab es in dieser Saison allerdings auch eine wesentliche Neuerung: Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs war Palm Beach County zu einem Militärstützpunkt geworden, der einen Flughafen, mehrere Truppenstützpunkte und Versorgungsgebäude vereinte.[107] Das störte freilich die Urlauber/innen in ihren exklusiven Resorts wenig; ohnehin galt es in der High Society inzwischen auch als schick, einen patriotischen Beitrag zum war effort zu leisten. Die Thaws waren bereits mit ihren Galafilmvorführungen 1940 in New York und 1941 in Nassau mit gutem Beispiel vorangegangen, handelte es sich damals doch um Wohltätigkeitsveranstaltungen für die British War Relief Society und das Rote Kreuz. Seitdem hatte sich auch die Gesellschaftsberichterstattung verstärkt des Themas angenommen und berichtete zunehmend auf den Society Pages über den Freiwilligendienst der High Society. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass Peggy in einem Brief berichtete: »[T]o-night we serve dinners to 100 officers & don’t eat ourselves until 11:30«.[108] Die Rede war hier von der Volunteers for Victory Soldiers Canteen, einem Restaurant im Zentrum der 332Insel, in dem ehrenamtliche Helferinnen Soldaten mit einem freien Essen versorgten.[109] Das berühmte Vorbild des Palm Beach-Ablegers war die Hollywood Canteen, die Bette Davis und John Garfield 1942 in Los Angeles ins Leben gerufen hatten und in der Filmstars medienwirksam ihren Dienst am Vaterland verrichteten.[110]

Der Einsatz der Thaws beschränkte sich jedoch nicht auf Peggys kleinen Ausflug in die Gastronomie. Tatsächlich war Larry bereits im Juni 1942 wieder in den aktiven Wehrdienst für den Military Intelligence Service (MIS) des U.S. War Department eingetreten.[111] Nach dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten war 1942 der ursprüngliche Geheimdienst, die Military Intelligence Division (MID), neu organisiert und in zwei Bereiche aufgespalten worden: Die MID verkleinerte sich drastisch, während ihr mit dem MIS nun ein operating arm zur Seite stand, in dessen Zuständigkeit die militärische Informationsbeschaffung fiel.[112] Der MIS unterhielt unter anderem eine Zweigstelle in New York – in der auch Larry arbeitete – und gliederte sich in geografische Abteilungen, die den wichtigsten Kriegsschauplätzen zugeordnet waren.[113] Welche Tätigkeit genau Larry dort ausübte, ist nicht überliefert, er scheint allerdings mit seinem Aufgabenbereich nicht besonders zufrieden gewesen zu sein. In Palm Beach traf er zufälligerweise Charles Gossage Grey, einen alten Bekannten, auf einer Cocktailparty, der in einer höheren Position beim Office of Strategic Services arbeitete und anbot, ein Treffen mit seinem Vorgesetzten in New York zu arrangieren, um Larrys Militärkarriere voranzubringen.[114] Dieser informelle Weg funktionierte: Larry wurde bereits im März zum Major befördert und übernahm die Leitung der New Yorker Middle East Section.[115] In der Begründung für die Beförderung heißt es über Larry: »[H]e has also been instrumental in originating valuable contacts which have been productive for the Military Intelligence Service. His first-hand knowledge of Africa, the Near East and India is of great value to this office.«[116] Ohne dass dies 1939/40 abzusehen gewesen wäre, zahlte sich die Entscheidung des State Department, das Filmprojekt der Thaws zu unterstützen, drei Jahre später also aus.

333Bemerkenswerterweise profitierte Larry hinsichtlich seiner Militärkarriere in doppelter Hinsicht von seinem High Society-Hintergrund. Zum einen ermöglichte ihm ein persönlicher Kontakt den Aufstieg innerhalb des MIS; dieser hatte sich dabei noch nicht einmal im militärischen Kontext ergeben, sondern in den Innenräumen von Palm Beach. Charles Grey wiederum verfügte wie Larry über einen Medien- und High Society-Hintergrund. Als junger Mann hatte er als Reporter für die Chicago Evening Post gearbeitet und war während des Ersten Weltkriegs als freiwilliger Pilot dem prestigeträchtigen Lafayette Flying Corps beigetreten. Danach hatte er in Paris im Finanzsektor reüssiert; in der Zwischenkriegszeit standen Grey und seine Frau Cornelia mit den Thaws in regelmäßigem Kontakt.[117] Zum anderen kamen Larry seine Filmreisen zugute, die er zwar unternommen hatte, um größere Publika und finanzielle Gewinne zu erzielen. So flexibel, wie das Wissen, das er auf den Reisen erworben hatte, zu (populärem) geografischem und ethnologischem Wissen werden konnte, ließ es sich aber auch in strategisches Wissen übersetzen. Insbesondere seit Japan im Februar 1942 Singapur eingenommen hatte und ein Überfall auf Burma (heute Myanmar) und Indien drohte, dürften Larrys Kenntnisse über den Subkontinent aus militärischer Sicht besonders relevant erschienen sein.[118] Für Peggy kam es dagegen nicht in Frage, ihren High Society-Status und ihr Wissen im Militärkontext zu verwerten; ihr blieb stattdessen eine sorgende weibliche Rolle als Bedienung. Mit dem Kriegseintritt der USA entstanden für Frauen neue Berufsmöglichkeiten – nicht zuletzt auch im Militär. Insgesamt setzten sich im Zusammenhang mit Geschlechterrollen aber dennoch deutlich konservativere Werte und Einstellungen durch, die Frauen als Mütter und Ehegattinnen in der häuslichen Sphäre verorteten. So hält der Historiker John W. Jeffries fest: »World War II may well have had a larger impact in promoting natalism and the primacy of the family than in expanding employment and the public roles of women.«[119] Diese Entwicklung wirkte sich auch auf die High Society aus.

Nicht nur Larrys beruflicher Erfolg muss allerdings im Zusammenhang mit der High Society gesehen werden, auch seine konkreten Tätigkeiten im MIS zeigten auffällige Verbindungen zu seinen Filmreisen. So kehrte er in der Zeit vom 25. Januar bis zum 4. April 1944 noch einmal an einige der ehemaligen Reiseziele in Indien und Afrika zurück, etwa nach Delhi, Jaipur, Bikaner, Bombay und Kalkutta; direkt im Anschluss ging es weiter in den Sudan und nach Nigeria. Nun war Larry jedoch nicht mehr als Privatmann unterwegs, er sollte im Auftrag des MIS Informationen über die aktuellen Bedingungen vor Ort sammeln und über den Zustand der Verkehrsinfrastruktur, der Industrie, über die medizinische Versorgungslage sowie die 334Ernährungssituation berichten.[120] Dabei hatte Larry die Gelegenheit, auf alte Kontakte zurückzugreifen, sodass er etwa als Gast der Maharadschas von Jaipur und Bikaner in deren Palästen übernachten durfte. Beide hatten vier Jahre zuvor einen Auftritt in »India« gehabt – diese medial hergestellte Beziehung erwies sich als stabil und zahlte sich jetzt aus.[121]

Larrys Vorgesetzter war so zufrieden mit dessen Leistungen, dass er ihn zu Beginn des Jahres 1944 noch einmal für eine Beförderung vorschlug; als Lieutenant Colonel sollte er die Leitung der größeren Far Eastern Section in New York übernehmen. In dem Empfehlungsschreiben lobte er Larrys professionelle Eigenschaften: »His professional qualifications have been of such a high character, that they have reflected considerable credit to this office.«[122] Diesem Antrag wurde in Washington D. C. allerdings nicht stattgegeben. Mehr noch, MID und MIS erlebten Ende des Jahres noch einmal eine Umstrukturierung, und zahlreiche Mitarbeiter wurden aus der aktiven Dienstpflicht entlassen – unter ihnen auch Larry.[123] Noch im Dezember 1944 plante er zwar, sich wegen einer möglichen Weiterbeschäftigung an das Office of Strategic Services zu wenden, doch auch hier sah man keine Verwendung für ihn.[124]

Larrys dreijährige Militärkarriere eröffnet damit noch einmal eine neue Perspektive auf Professionalisierungsprozesse. Im Vergleich zu den anderen Untersuchungsebenen dieses Kapitels kam seine Tätigkeit für den MIS einer zielgerichteten und abgeschlossenen Professionalisierung am nächsten. Und dennoch macht auch dieser Punkt deutlich, dass die Entwicklung ergebnisoffen und nicht von Dauer war. Im Gegensatz zu den Aufführungskontexten oder der Werbung war der Weg in den MIS noch nicht einmal geplant. Darüber hinaus lässt sich festhalten, dass Larrys Motivationen sicherlich vielfältig waren, er die spannende Arbeit schätzte und seinen Teil zum war effort beitragen wollte. Doch mag auch der neue mediale Fokus der Society Pages auf den Dienst am Vaterland dazu beigetragen haben, Larrys Wunsch, sich dem Militär anzuschließen, zu vergrößern. Unabhängig davon zeigt sich deutlich, wie sehr der High Society-Status und die Erfahrungen aus den Filmreisen ein ganzes Spektrum an Verwertungsmöglichkeiten schufen, das sogar über die ursprünglichen Intentionen hinausreichte.