1733. Palm Beach und die Karibik
3.1. Palm Beach – High Society »Among the Palms«
»Among the Palms« – unter diesem Titel erschien die Society-Kolumne des Palm Beach Life Magazine von 1907 bis in die 1950er Jahre. Mit den Palm Beach Daily News gab eine Tageszeitung das Magazin heraus, die wiederum dem Standard Oil-Partner und Begründer der Florida East Coast Railway, Henry Morrison Flagler (1830-1913), gehörte.[1] Flagler baute nicht nur die Eisenbahnlinie nach Palm Beach aus, sodass es für die reichen Ostküstenbewohner/innen einfacher zu erreichen war. Er trug auch wesentlich dazu bei, die Insel als Resort-Hotspot für die Wintermonate zu etablieren, indem er dort selbst zwei riesige Luxushotels errichtete. Im 1894 eröffneten Royal Poinciana befand sich passenderweise auch das Büro von Palm Beach Life.[2]
Die Insel Palm Beach gehört zum Bundesstaat Florida und ist dem auf dem Festland liegenden West Palm Beach im Atlantik vorgelagert. Von West Palm Beach trennt sie die Lake Worth Lagune, an ihrer Ostseite beginnt das Meer. Palm Beach ist rund 29 Kilometer lang und bis zu 1,2 Kilometer breit. Damit entsprach es – räumlich gesehen – ungefähr dem Teil Manhattans, den Eve Brown für sozial bedeutend hielt. Sein tropisches Klima machte es um die Jahrhundertwende zur beliebten Winterkolonie der reichen Ostküstenbewohner/innen, und ein Aufenthalt im Februar war in den folgenden dreißig Jahren verpflichtender Bestandteil des social calendar.[3] Die Geschichte von Palm Beach ist somit eng mit der High Society verknüpft. Nicht zuletzt Flaglers Beispiel führt zudem die räumliche und personelle Nähe von Hotelbesitzer/inne/n, Massenmedien und Urlauber/inne/n vor Augen. Die historische Forschung hat sich bisher allerdings nur wenig für die Insel interessiert. Die überwiegend populärwissenschaftlichen Arbeiten konzentrieren sich auf 174die Biografien charismatischer Bauherren wie Flagler oder Paris Singer und auf prominente Architekten wie Addison Mizner oder legen den Fokus ausschließlich auf den charakteristischen Neorenaissancebaustil der 1910er und 1920er Jahre.[4] Dagegen hat der Journalist Augustus Mayhew in mehreren Essays zumindest angedeutet, wie eine vielschichtigere Geschichte der Stadt aussehen könnte, die ihre räumliche Dimension und breitere gesellschaftliche Entwicklungen gemeinsam in den Blick nimmt.[5]
Die Thaws fuhren in den 1920er und 1930er Jahren regelmäßig für drei bis vier Wochen nach Palm Beach. Zu diesen Aufenthalten existieren vier Filme – von 1925 (20 Minuten), 1926 (13 Minuten), 1928 (16 Minuten) und 1930 (11 Minuten); 1932 machte das Paar außerdem eine Karibikkreuzfahrt, die in Palm Beach endete (»A Caribbean Cruise«, 31 Minuten). Das Schicksal der Insel war aber nicht nur während Larrys und Peggys zahlreichen Winterurlauben mit dem Leben des Paares verflochten, die medialen Karrieren der Thaws und die Beliebtheit der Insel bei der High Society fanden auch jeweils in den frühen 1940er Jahren ungefähr gleichzeitig ein Ende. Im Folgenden soll erstens Palm Beachs besondere räumliche Gestaltung beleuchtet werden: ein Ensemble von Innenräumen aus exklusiven Hotels, Strandabschnitten und Privatvillen. Dieses thematisierten die Thaws zweitens in ihren Filmen und verknüpften es visuell mit einer ganz bestimmten Aktivität – der Arbeit am Körper. Von den Palm Beach-Filmen unterscheidet sich schließlich drittens der Karibikfilm deutlich. Hier konstruierten Larry und Peggy ein Reiseziel und dessen Bewohner/innen zum ersten Mal als fremdartig.
Innenräume
Von Beginn an entwickelte sich Palm Beach zu einem äußerst exklusiven Ort. Die Insel war nur durch zwei Brücken mit dem Festland verbunden: Die North Bridge diente dem Zugverkehr sowie Fußgänger/inne/n und wurde erst 1938 durch eine vierspurige Autobrücke ersetzt. Über die zweispurige Royal Park Bridge konnten ab 1911 auch Autos die Lagune überqueren.[6] Obwohl Palm Beach und West Palm Beach 1903 gemeinsam als Stadt eingetragen wurden,[7] stand die Lake Worth-Lagune geradezu sinnbildlich für einen sozialen Graben. Während West Palm Beach eine eigene städtische Infrastruktur entwickelte, blieb Palm Beach den Wintertourist/inn/en vorbehalten. Nur bei seltenen Gelegenheiten trafen Stadtbewohner/innen und Ur175lauber/innen aufeinander, wie dem Washington’s Day-Kostümball, der am 18. Februar Höhepunkt und Ende der Wintersaison markierte. Gerade wer sich in smarteren Kreisen bewegen konnte, vermied dieses Stelldichein allerdings, wie Nancy Randolph 1928 für die New York City News zu berichten wusste:
Any one can go to the Washington’s day ball at the Poinciana who cares to pay the $5 admission fee. And every one does. Society mingles with the mere possessors of wealth, and, with the great-eyed townsfolk who come from West Palm Beach in order to stare at Mrs. Edward T. Stotesbury and possibly have a chance to test Mrs. E. F. Hutton’s composure by bunking into her. It’s a much different matter at the lovely, sprawling group of buildings at the far end of the lake trail. There only the members and their guests may attend in costume, and the exclusive semi-Bohemianism of Palm Beach is much in evidence.[8]
Insbesondere während des Baubooms der 1920er Jahre entstand eine Reihe weiterer Hotels und Clubs, wie der Bath and Tennis Club, der Oasis Club oder der Gulf Stream Golf Club, die ihren Besucher/inne/n von der Außenwelt abgeschirmte Parkanlagen, Schwimmbecken, Tennis- und Golfplätze und oft auch ganze Strandabschnitte boten.[9] Eine Mitgliedschaft im Bath and Tennis Club kostete etwa 1932 für ein Jahr 376,50 Dollar (heute rund 6.600 Dollar), worin immerhin die Miete für ein Strandhäuschen enthalten war.[10] Unter diesen Etablissements ragte jedoch der Everglades Club hervor, den Paris Singer, Sohn des Nähmaschinenmagnaten Isaac Singer, gemeinsam mit dem Architekten Addison Mizner 1918 gegründet hatte. In der Mitte der Insel gelegen, bildete sein 24 Hektar großer Golfplatz gewissermaßen das Herz176stück von Palm Beach.[11] Bevor der Club 1924 an eine Eigentümergemeinschaft überging, verlängerte Singer die exklusiven Mitgliedschaften jedes Jahr persönlich aufs Neue.[12] Zusätzlich zur Hotel- und Club-Infrastruktur entwickelte sich die Worth Avenue in der Mitte der Insel zu einer schicken Einkaufsmeile, auf der sich Ableger von Fifth Avenue-Geschäften wie Saks oder Helena Rubinstein aneinander reihten.[13] Wer also Kleidung und Luxusartikel erwerben wollte, musste Palm Beach gar nicht erstverlassen.