Die koloniale Struktur ermöglichte das Filmen jedoch nicht nur größtenteils, die unterschiedlichen Verwaltungsstile beeinflussten auch, welche Art von ›traditionellem‹ afrikanischem Leben westliche Tourist/inn/en überhaupt zu sehen bekamen. Die britischen Kolonien charakterisierte eine Form der indirekten Herrschaft, die mithilfe lokaler Strukturen und der Stammesführer Macht ausüben wollte. In den französischen Gebieten stand dagegen eher die mission civilisatrice im Vordergrund, die französische Kultur und Sprache nach Afrika bringen sollte. Freilich zielten beide Konzepte in erster Linie darauf ab, einen möglichst großen Profit für das jeweilige Mutterland zu erwirtschaften. Für die Dreharbeiten erwies sich die Einflussnahme der Kolonialmächte aber auch teilweise als problematisch. In Kribi im damaligen Französisch-Kamerun wollten die Thaws zum Beispiel eine Szene mit mehreren Einheimischen drehen, die nackte Lastenträger darstellen sollten. Tatsächlich sahen sie sich aber mit den gut bezahlten Arbeitern einer Kakaoplantage konfrontiert, die Französisch sprachen und sich zuerst gegen diese Inszenierung wehrten.
Zwar zeigten die animierten Landkarten an, wie die Reisegruppe sich von einer Kolonie in die nächste bewegte. Anstatt jedoch auf die einzelnen Kolonialmächte und die geografischen Ausmaße ihrer Gebiete oder die konkreten Auswirkungen ihrer Herrschaft einzugehen, strukturierten die Filme die Reisen stärker entlang ethnischer Unterscheidungen, wie etwa zwischen Nord- und Zentralafrikaner/inne/n oder zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen wie den Tuareg und den soge217nannten Pygmäen – eine Praxis, die Amy Staples treffenderweise als »cinematic mapping« bezeichnet. Teilweise bestimmen die Filme der Thaws Regionen und ihre Bewohner/innen auch unverhohlen rassistisch anhand bestimmter körperlicher Eigenschaften wie in »Black Majesty«, wo der Off-Sprecher »the land of the long headed women« ankündigt oder erläutert: »Natives in this region are called – not inappropriately – bananas and are the only tribe in the West were both men and women go stark naked.« Diese Klassifizierung funktionierte wiederum eng verknüpft mit dem Zeitreisenarrativ. Afrika glich auf diese Weise einem »colonial geographic theme-park of cultural and historical attractions«, wie es in Museen oder im Kino erlebt werden konnte und das Schauplatz spannender Abenteuer war. In dieses Bild passten jedoch weder Hilfestellungen von Kolonialbeamten noch von einheimischen Vermittlern, denn diese hätten den angestrebten Abenteuer- und Entdeckercharakter wesentlich geschmälert.
Der Afrikatourismus in den 1930er Jahren
Ähnlich gehen die Filme auch mit dem zeitgenössischen Afrikatourismus um. »From Cairo to Cape« und insbesondere »Black Majesty« verschleiern geradezu, dass Afrika bereits seit Jahren touristisch erschlossen war. Schon in den 1920er Jahren konnte man die meisten nordafrikanischen Häfen von Marseille aus mit dem Schiff innerhalb eines Tages erreichen. Mitte der 1930er Jahre eröffnete zudem eine Fluglinie zwischen London und Nairobi. Nord-, Ost-, Süd- und Südwestafrika überzog ein Eisenbahnnetz, und zahlungskräftige Kund/inn/en konnten gut ausgestattete Schlaf- und Speisewagen buchen. Straßen für den Autoverkehr wurden in den 1930er Jahren zunehmend ausgebaut, nur in den tropischen Regionen hing deren Qualität stark vom Wetter ab. Vor diesem Hintergrund rieten die Autoren des Reiseführers The African Handbook 1932 nur dazu, die Küstengebiete Westafrikas und Teile des Belgischen Kongos wegen des feuchtheißen Klimas und der wenigen Hotels zu meiden, den restlichen Kontinent konnten sie Tourist/inn/en jedoch uneingeschränkt empfehlen.
Ägypten, Tunesien und Algerien erfreuten sich bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert bei Tourist/inn/en großer Beliebtheit, wobei vor allem das am Nil gelegene Assuan Nizza Konkurrenz machte. Großstädte wie Kairo und Algier verfügten 218zudem mit ihren Grandhotels, Warenhäusern, Kinos, Theatern und Restaurants über ein luxuriöses Konsum- und Freizeitangebot. Aber nicht nur westliche Standards überzeugten europäische und amerikanische Tourist/inn/en, genauso beliebt waren Autotouren durch die Sahara, wie sie beispielsweise Citroën und Renault seit Anfang der 1920er Jahre anboten. Neben den nordafrikanischen Ländern entwickelte sich außerdem Kenia zum beliebten Reiseziel für Großwildjäger/innen. Hier war das Klima nach europäischen Maßstäben angenehm, und die Bevölkerung der britischen Kronkolonie setzte sich überwiegend aus weißen Siedler/inne/n zusammen. Die Safari (Swahili für Reise) etablierte sich hier schon um 1900 als Dienstleistung, sodass in den 1920er Jahren Klagen über die Kommerzialisierung der Großwildjagd laut wurden. Die Südafrikanische Union schließlich überzeugte in den Augen von Tourismusagenturen mit ihren Metropolen ebenso wie mit ihren Naturschönheiten und einem gut ausgebauten Verkehrsnetz.
Reiseunternehmer wie Thomas Cook organisierten Fahrten über den ganzen Kontinent sowie durch einzelne Regionen Afrikas. Die Route von Kairo nach Kapstadt stellte dabei einen der Klassiker dar, und tatsächlich reisten auch Larry und Peggy 1934/35 mit Thomas Cook. Abgesehen von der Großwildjagd mit Major Anderson folgten die Thaws damit einem Plan, den ihnen der Reiseunternehmer vorgegeben hatte: Die Aufenthaltsdauer an den einzelnen Stationen war festgelegt (rund drei Tage in Städten), Hotelzimmer, Schiffskabinen und Zugplätze waren vorgebucht und bei jeder Ankunft erwartete ein Angestellter der Firma das Paar, kümmerte sich um das Gepäck, half mit den jeweiligen Einreisebestimmung und leitete Telegramme und Briefe weiter. Die zweite Afrikareise verlief dagegen teilweise abseits der touristischen Routen und richtete sich ganz nach den Filmschauplätzen, sodass Larry dieses Mal alle Stationen selbst auswählte. Der Zeitplan von 1936/37 war nun deutlich straffer; teilweise sollten bis zu 250 Meilen am Tag zurückgelegt werden, und pro Aufenthalt war meist nur noch ein Tag vorgesehen. Auch wenn Autopannen, gesperrte Straßen oder schlechte Drehbedingungen für Verzögerungen sorgten, hielten sich die Thaws doch weitgehend an das ambitionierte Programm.
219Wie viel Geld Thomas Cook von Larry und Peggy verlangte, ist nicht bekannt. Von der zweiten Afrikareise ist jedoch noch Larrys Rechnungsbuch erhalten, in dem er akribisch seine Ausgaben auflistete. Zu den regelmäßigen Unkosten zählten Essen für die elf afrikanischen Bediensteten, Lastwagenreparaturen und Benzin. Nicht in dieser Rechnung enthalten waren freilich die Kosten für die Autos und das gesamte Equipment von den Zelten bis zu den Kameras, das die Thaws im Vorfeld der Reise anschafften. Diese Unternehmung betrachtete Larry weder als touristische Entspannungsreise noch als sein bloßes Privatvergnügen. Tatsächlich gründete er 1936, wie bereits erwähnt, die Aktiengesellschaft Trans Africa-Inc., um alle Ausgaben zu finanzieren. Sie verfügte über ein Stammkapital von 50.000 Dollar (heute rund 900.000 Dollar), und Larry verkaufte Aktien im Wert von je 100 Dollar an New Yorker Freund/inn/e/n und brachte eine Summe von rund 33.500 Dollar auf (heute ungefähr 590.000 Dollar).
Da Afrika in den 1930er Jahren touristisch so im Trend lag – man denke nur an den New Yorker Club El Morocco und seine berühmten zebragemusterten Sofas –, ist es keineswegs überraschend, dass die Thaws nicht die einzigen High Society-Mitglieder waren, die den Kontinent bereisten. Im Zusammenhang mit Larrys und Peggys Fahrt erläuterte ein Zeitungsartikel 1936: »The rigors and thrills of Africa’s muddy, insect-infested jungles hold their fascination over others in the lorgnette set. […] The town of Nairobi […] is as much home to them as Newport or Palm Beach.« Zu diesem positiven Image trugen insbesondere die Reisen des Prince of Wales bei, der 1928 und 1930 in Kenia auf Safari ging. Darüber berichteten nicht nur die Massenmedien ausführlich, Edward selbst nahm eine Filmkamera zur Hand und partizipierte demonstrativ an diesem angesagten Hobby. So zirkulierten auch in Afrika Klatschgeschichten über die High Society, und Peggy hielt 1937 im Belgischen Kongo in ihrem Tagebuch Gerüchte über George Vanderbilt fest, der zuvor im selben Hotel übernachtet hatte:
I also heard last night that young George Vanderbilt […] was not sober the entire time. There were about eight in his party including a young English girl who was apparently in love with him. They were in search of a rare animal called the Okapi and finally after going out every day two of the men got one while Vanderbilt & the others of the troupe arose at ten o’clock & cocktail began at 11. This is not the first time we heard this for at Yaounde & Kribi we heard the same thing.
220Während »From Cairo to Cape« manchmal durchaus die Annehmlichkeiten der Reise wie die Hotels mit Pool, die Dampfer oder Züge zeigt, erweckt insbesondere »Black Majesty« den Eindruck, die Thaws hätten sich mehrere Monate alleine durch die Wildnis gekämpft, nur in Zelten geschlafen und an Lagerfeuern gegessen. Dass sie tatsächlich auch in kleinen Hotels oder als Gäste in den Häusern der Kommandanten der jeweiligen Kolonialmacht übernachteten, blendet der Film aus. Gerade die Kolonialbeamten und ihre Frauen sahen in den Besuchen der Thaws offenbar eine willkommene Abwechslung und luden das Paar regelmäßig zu Cocktailpartys ein. Dieses Ausmaß an Komfort scheint allerdings ebenso wenig wie die Hilfestellungen durch den Kolonialapparat mit den Vorstellungen von einer authentischen Afrikareise kompatibel gewesen zu sein. Den Widerspruch zwischen Safarierfahrungen und -darstellungen bringt auch Kenneth Cameron nüchtern auf den Punkt: »Quite simply, the recreational safari was not a venture into the steamy botanical nightmare that books and films […] make it seem.« Das Bild davon, wie stattdessen eine ›richtige‹ Safari auszusehen hatte, prägten in den 1930er Jahren vor allem Kinofilme und Museen.
Afrika im Film
Spiel- und Dokumentarfilme über Afrika hatten in den 1920er und frühen 1930er Jahren Konjunktur. Erfolgreiche Hollywoodproduktionen wie »Africa Speaks!« (1930), »Ingagi« (1930), »Trader Horn« (1931) und »Tarzan the Ape Man« (1932) zeichneten sich in erster Linie durch Darstellungen von extremer Gewalt gegen Afrikaner/innen und Tiere und einer ›wilden‹ Sexualität aus. In »Ingagi« beispielsweise wird eine Jungfrau einem gigantischen Gorilla als (Sex-)Opfer dargebracht, in »Tarzan« dagegen scheint eine Vergewaltigung durch den anfangs noch ungezähmten Titelhelden als Drohkulisse auf. Im Zentrum der Handlung stand zudem oftmals eine Forschungsexpedition oder zumindest wie in »Trader Horn« und »Tarzan« eine Suchaktion, die eine Reise durch Dschungel und Savannengebiete begründete. Hier sahen sich die Protagonist/inn/en den unterschiedlichsten Gefahren ausgesetzt, von wilder Natur über gefährliche Tiere bis zu blutrünstigen Einheimischen. Die Filme beanspruchten dabei oftmals, besonders authentisch zu sein, indem sie entweder wie »Trader Horn« tatsächlich in Afrika gedreht wurden oder – wie »Ingagi« – vorgaben, dokumentarisches Material zu präsentieren; der erste »Tarzan«-Film von Woody Van Dyke mit Johnny Weissmuller verwendete dann das überschüssige Afrikamaterial aus »Trader Horn«.
221Diese Spielfilme nahmen stets direkten oder indirekten Bezug auf die zahlreichen nichtfiktionalen Afrikafilme, die sich zeitgleich großer Beliebtheit erfreuten. Am bekanntesten sind diejenigen von Osa und Martin Johnson, daneben gab es aber eine Reihe weitere Filmer/innen, die den Johnsons Konkurrenz zu machen versuchten. Auffällig oft handelte es sich dabei um Paare: Chaplin und Stella Court Treatt etwa brachten 1926 erfolgreich ihre Reise »Cape to Cairo« in die Kinos. Armand Denis und seine Frau Leila Roosevelt veröffentlichten ihre Fahrt durch den Belgischen Kongo in »Wheels Across Africa« (1936) und »Dark Rupturer« (1938) und der Italiener Attilio Gatti filmte in den 1930er Jahren gemeinsam mit seiner Frau mehrere Afrikareisen und schrieb darüber hinaus Bücher. Diese dokumentarischen Darstellungen orientierten sich wiederum an Hollywood-Spielfilmen und setzten ihr Material zu dramatischen Erzählungen zusammen bzw. inszenierten sie zahlreiche Szenen, um Spannung zu erzeugen. Wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen nahmen Frauen auch in den Expeditionsfilmen eine sichtbarere Rolle ein. Interessant war nun nicht mehr die männliche Bewährung à la Theodore Roosevelt, sondern eine unterhaltsame Handlung, die weibliche Rollen und Paare besser bedienten.
Im Folgenden sollen diejenigen Filme näher beleuchtet werden, die den Thaws als Vorbild galten, ihre Sehgewohnheiten und -erwartungen prägten oder mit denen sie sich vergleichen lassen mussten: »Trader Horn« und »Tarzan the Ape Man« sowie die Werke von Osa und Martin Johnson. Dass die Gesellschaftsberichterstattung eine Parallele zwischen den Johnsons und den Thaws zog, wurde bereits erwähnt. Trotz ihrer Berühmtheit waren die Johnsons allerdings nie in der High Society. In ihren Filmen stellten sie Naturforscher dar und weniger sich selbst als Privatpersonen. Darüber hinaus repräsentierten sie traditionelle Geschlechterrollen, und insbesondere Osa verkörperte eine unprätentiöse und sorgende Weiblichkeit, die nichts mit glamourösen Auftritten und Modetrends verband. Dieser Unterschied zwischen den Thaws und den Johnsons lässt sich anhand zahlreicher Aspekte in den Filmen nachvollziehen. Peggys Tagebuch beweist darüber hinaus, dass die Thaws »Trader Horn« und »Tarzan« Anfang der 1930er Jahre im Kino sahen und vor allem von der scheinbaren Realitätsnähe des Ersteren beeindruckt waren. Nach dem Kinobesuch hielt Peggy begeistert fest: »To the movies to see ›Trader Horn‹ in the evening, a marvelous animal picture, locale South Africa, simply unbelievable.«
In »Trader Horn« machen sich der Elfenbeinhändler und Jäger Alfred Aloysius Horn, sein jüngerer Schützling Peru und Horns einheimischer Übersetzer und Gewehrträger Rencharo auf die Suche nach der vermissten Tochter einer Missionarin. Die inzwischen junge Frau, Nina, wuchs bei einem Stamm auf, der sie als Priesterin verehrt. Als dieser Horn und seine Begleiter gefangen nimmt, verhilft Nina ihnen zur Flucht und kommt selbst mit. Nun muss die Gruppe vor den Afrika222nern fliehen, zwei Nashörner und einen Löwen abwehren, Rencharo wird von einem anderen Stamm getötet, doch schließlich bringt Peru die junge Frau in die Zivilisation zurück. Horn bleibt alleine in Afrika. Der Regisseur Woody Van Dyke drehte den größten Teil des Films in Ostafrika; das Endprodukt besteht zur Hälfte aus den handlungstragenden Teilen, zur anderen Hälfte aus dokumentarischem Material mit langen Natur- und Tieraufnahmen, wie sie auch in zeitgenössischen Travelogues zu finden waren. Der Film lief 1931 erfolgreich in den amerikanischen Kinos an und wurde sogar für einen Oscar in der Kategorie bester Film nominiert.
Nach »Trader Horn« widmete sich Van Dyke als nächstes dem Tarzan-Stoff. Bereits in den 1920er Jahren entstanden einige Verfilmungen des berühmten Romans von Edgar Rice Burroughs. Die Filmserie mit Johnny Weissmuller in der Titelrolle und Maureen O’Sullivan als Jane entfernte sich deutlich von der Buchvorlage, wurde aber nichtsdestotrotz rasch zum Klassiker. In »Tarzan the Ape Man« begeben sich Janes Vater, ein Elfenbeinhändler, und die gerade aus London eingetroffene Jane auf die Suche nach einem legendären Elefantenfriedhof. Dabei treffen sie auf Tarzan, der ohne menschlichen Kontakt unter Tieren im Dschungel aufgewachsen ist und Jane entführt. Von ihr lernt er, sich und Jane als Individuen zu identifizieren. Schließlich bringt er Jane zu ihrem Vater zurück, die beiden werden jedoch von einem Pygmäen-Stamm gefangen genommen, der sie einem Riesengorilla zum Fraß vorwerfen will. Tarzan kommt ihnen mit einer Elefantenherde zu Hilfe und rächt sich gewaltvoll an den Entführern. Janes Vater wird allerdings tödlich verwundet und stirbt, sodass Jane sich dazu entschließt, bei Tarzan im Dschungel zu bleiben. Obwohl »Tarzan« Afrika im Gegensatz zu »Trader Horn« auch als Idylle darstellt, in der Menschen und Tiere mit der Natur in Einklang leben, knüpften beide Filme Vorstellungen von westlicher Zivilisation und Überlegenheit an whiteness.
Die dokumentarischen wie fiktionalen Afrikadarstellungen der 1920er und 1930er Jahre basierten wiederum vor allem auf den Filmen von Osa und Martin Johnson. Von 1917 bis 1937 veröffentlichte das Paar zehn Feature-Filme und über siebzig kürzere Lehrfilme. Anfang der 1920er Jahre gingen die Johnsons zum ersten Mal nach Afrika, wo in Kenia der Stummfilm »Trailing African Wild Animals« (1923) entstand. Im Vordergrund standen Wildtiere, die die Johnsons meist provozierten, um eine spannende Handlung aufnehmen zu können. Zudem enthält der Film, was Zeitgenoss/inn/en unter humorvollen Szenen mit Einheimischen verstanden – 223Scherze über deren Aussehen und deren angebliche Unkenntnis westlicher Technik und Kultur. Von 1924 bis 1927 hielten sich die Johnsons erneut in Kenia auf: Hier drehten sie unter anderem den Film »Simba« (1928), der sich auf Löwen und die Konflikte zwischen Menschen und Tieren konzentriert. Die beiden letzten Afrikafilme des Paares – »Congorilla« (1932) und »Baboona« (1934) – wandten sich den jeweiligen Affenrassen zu und wurden von 20th Century Fox veröffentlicht. In ihnen nahmen die entwürdigenden Szenen mit Afrikaner/inne/n – vornehmlich mit Pygmäen – und die gestellten Tieraufnahmen deutlich zu, um noch mehr Zuschauer/innen zu erreichen.
Martin Johnson starb 1937 bei einem Flugzeugabsturz; Osa versuchte in den folgenden Jahren, an die früheren Erfolge anzuknüpfen, doch Ende der 1930er Jahre nahm das Interesse an diesen speziellen Filmen und nicht zuletzt an der inzwischen über vierzigjährigen Osa ab. Auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs in den späten 1920er und frühen 1930er Jahren jedoch erfreuten sich Osa und Martin nicht nur in Amerika, sondern auch in Europa enormer Berühmtheit. Neben ihren Filmen und Büchern veröffentlichten sie in dieser Zeit zahlreiche Zeitungsartikel und verdienten Geld als Werbeträger u. a. für Taschenlampen, Tee und Kühlschränke. Dabei präsentierten sie sich als Paar und ihr Leben in Afrika klar entlang vergeschlechtlichter heteronormativer Vorstellungen: Martin war der Abenteurer und Filmer, Osa folgte ihm als treue Gattin durch die ganze Welt, um ihm ein Heim zu bereiten. Das Afrikabild, das die Johnsons über die Jahre zeichneten, war schließlich ein widersprüchliches. Einerseits konstruierten sie den Kontinent als rückständigen und gefährlichen Ort, andererseits als zivilisationsfernes Idyll, in dem Menschen und Tiere gemeinsam friedlich und unverfälscht lebten.
Afrika im Museum
Als ähnlich ambivalentes Konstrukt erwies sich Afrika auch im Museum. Ebenso beliebt wie in Filmen war der Kontinent als Gegenstand von Welt- und Kolonialausstellungen oder Naturkundemuseen. Anhand von Objekten, Tieren und Menschen wurde Afrika hier räumlich erfahrbar und die »Wahrnehmung von Differenz und der ›Kulturvergleich‹ eingeübt«. Statt auf die Vielzahl an Museen und Ausstellungen einzugehen, sollen im Folgenden zwei Orte dargestellt werden, an denen sich Larry und Peggy orientieren konnten, weil sie diese nachweislich besucht hatten – die British Empire Exhibition in London und das American Museum of Natural History in New York.
224Die British Empire Exhibition, die vom 23. April bis zum 1. November 1924 in Wembley stattfand, besichtigten die Thaws während ihrer Hochzeitsreise. Neben den beiden größten Ausstellungsgebäuden, dem Palace of Industry und dem Palace of Engineering bestand die Ausstellung aus Pavillons, die die britischen Kolonien vorstellten; dazu zählten auch Süd-, West- und Ostafrika. Was Larry und Peggy hier sahen, findet sich noch rund zwölf Jahre später in ihren Filmen wieder. Die Ausstellungsfläche zu Südafrika konzentrierte sich auf die Metropolen der Region, ihre Wirtschaftskraft und nicht zuletzt die angenehmen Reisemöglichkeiten. So konnten die Besucher/innen beispielsweise in einem Speisewagen einen Imbiss einnehmen und den Komfort erleben, den man auf der Strecke von Kapstadt nach Pretoria genoss.
Der Ostafrikapavillon stellte die Großwildjagd in den Mittelpunkt und präsentierte mehrere Trophäen. Die Ausstellung über Westafrika schließlich war in einer »Walled City« untergebracht – einer Nachbildung der Stadt Kano in Nigeria. Darin befanden sich Pavillons über Nigeria, die Goldküste und Sierra Leone. Hier bot sich den Besucher/inne/n eine scheinbar besonders authentische Szene dar, wie ein Ausstellungsführer ankündigt: »representatives of West African tribes live and move and have their being for the period of the Exhibition.« Bei dem Nigeriagebäude handelte es sich darüber hinaus um eine getreue Nachbildung des Emirpalastes. Bereits 1924 sahen die Thaws die »Walled City« in London, während »Black Majesty« 1937 dem wirklichen Kano sowie dem Emir eine Szene widmet (Szene 87). Möglicherweise lag es an Larrys und Peggys Besuch der British Empire Exhibition, dass »Black Majesty« an dieser Stelle die koloniale Verbindung Kanos zu Großbritannien ausnahmsweise deutlich benennt:
We were warned that the emir, the richest and most important chief to the Africans, was not approachable. But a little high pressure on the protesting British resident brought an escort of two hundred horsemen from the emir to covey us to him. He is independent in his internal affairs and conducts his own court of law and has the power of life and death over his 1.750.000 subjects. He gets 100.000 pounds a year from Britain for being a good boy and his total income is about a million a year.
Szene 87 »Black Majesty«, Margaret und Lawrence Thaw, 1936/37, 90 Min., Imperial War Museum.