2262.2. »The smell of thousands of unwashed natives« – Körperpflege in Afrika
Die besondere körperliche Erfahrung, die eine Afrikareise den Filmen und Ausstellungen zufolge bedeutete, drehte sich in Larrys und Peggys High Society-Perspektive in erster Linie um Sauberkeit. Denn nicht nur die Afrikaner/innen entsprachen keineswegs Peggys Vorstellungen von Sauberkeit, die afrikanischen Hotels waren »very flea bitten & dirty« und das Essen »evil smelling«, wie sie nicht müde wurde, in ihren Tagebüchern zu betonen.[1] Auch wenn es den Thaws auf beiden Reisen dank der kolonialen und touristischen Infrastruktur meist gelang, solche – in ihren Augen unangenehmen – Erfahrungen zu vermeiden, sind mangelnde Hygiene und 227Schmutz nicht nur zentrale Themen in Peggys Tagebüchern, sondern vor allem auch in den Filmen. Diese zielten dabei stets auf den Kontrast zwischen Larrys und Peggys Bemühungen um Sauberkeit einerseits und dem scheinbar diametral entgegengesetzten Verhalten der Afrikaner/innen andererseits. Im Mittelpunkt standen körperliche Reinlichkeit, Gesundheit und sexuelle Reinheit.[2] Körperpflege meint hier also ein Set von Praktiken, die sich nicht im reinen Selbstzweck des Waschens erschöpften. Als performative Akte zielten sie vielmehr darauf ab, Larrys und Peggys körperliche, geschlechtliche und sexuelle Integrität nach amerikanischen Maßstäben in Afrika demonstrativ zu gewährleisten und zugleich herzustellen.
Auf diese Weise ließen sich zum einen die Reisen als beschwerlich und aufregend inszenieren und zum anderen eine fundamentale Differenz zwischen Afrika und den USA visualisieren. Schon im 19. Jahrhundert verdichtete sich dieser Wunsch nach Sauberkeit symbolisch geradezu in der Seife, die Anne McClintock als ein Medium beschreibt, das westliche Normen und Werte bündelte wie kein zweites:
[M] onogamy (›clean‹ sex, which has value), industrial capital (›clean‹ money, which has value), Christianity (›being washed in the blood of the lamb‹), class control (›cleansing the great unwashed‹) and the imperial civilizing mission (›washing and clothing the savage‹) – could all be marvelously embodied in a single household commodity.[3]
Darüber hinaus dürfte dieser Fokus aber tatsächlich auch dem Empfinden der Thaws und ihres Kameramanns entsprochen haben. Was allerdings als schmutzig, ungesund oder übelriechend gilt, ist keineswegs eine überzeitliche Konstante, sondern zeitgenössischen gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen unterworfen, oder, wie bereits Mary Douglas in den 1960er Jahren betonte: »There is no such thing as absolute dirt: it exists in the eye of the beholder.«[4]
Wer in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts in Nordamerika aufwuchs – zumal in einer Großstadt –, lernte von Kindesbeinen an, dass sie/er von unsichtbaren Keimen umgeben war, die ansteckende Krankheiten verbreiteten.[5] So konnte ein Niesen fatale Konsequenzen haben, ein verstaubter Teppich zur Todesfalle und unverpackte Nahrung zum Seuchenherd werden. In den 1900er und 1910er Jahren erlebten die USA geradezu eine Sauberkeitsoffensive, in der sich unterschiedliche 228Kräfte bündelten: Angestoßen durch die Erkenntnisse der Bakteriologie bemühten sich die Stadtverwaltungen um flächendeckende Abwassersysteme sowie saubere Straßen und setzten dabei öffentlichkeitswirksam Heere von Straßenreinigern ein.[6] Die Politik versuchte zudem, Prostitution und Kriminalität aus den Innenstädten zu verdrängen, unterstützt von der Medizin, die gegen Geschlechtskrankheiten, aber auch gegen Tuberkulose vorging.[7] Darüber hinaus verpflichteten neue Gesetze die Lebensmittelindustrie zu höheren Hygienestandards bei der Produktion und Verpackung,[8] während Seifenhersteller in Werbekampagnen die Reinlichkeit von Körper, Küche und Bad propagierten.[9] Großangelegte Erziehungskampagnen nahmen schließlich die angeblich besonders gefährdeten ost- und südeuropäischen Migrant/inn/en ins Visier und unterrichteten sie in einer hygienischen und zugleich amerikanischen Lebensführung.[10]
Dabei verbanden sich Diskurse über Zivilisation, Fortschritt, Technik, Moderne und Moral und beförderten eine zentrale Erkenntnis: »cleanliness [was] a hallmark of being American.«[11] Das wirkte sich auch auf gesellschaftliche Formierungsprozesse und die Vorstellungen von race, Nationalität und Klasse aus.[12] Zwar konnten die umfassenden Körperpflegepraktiken – und damit das Amerikanischsein – erlernt werden.[13] Nichtsdestotrotz blieb dieser Pfad jedoch in erster Linie Weißen vorbehalten, denn in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verkörperte die weiße Hautfarbe Sauberkeit und Überlegenheit, während andere Hautfarben mit Schmutz assoziiert wurden.[14] Auch die Entstehung der High Society lässt sich schließlich als Teil dieser Entwicklung begreifen: Der schöne Körper, der mit ihrer Etablierung zur Aufstiegsressource geworden war, strahlte nicht nur aufgrund von Kosmetik, Diäten und Sportübungen, sondern ebenso vor Sauberkeit.
Die Werturteile, die in der Unterscheidung zwischen ›schmutzig‹ und ›sauber‹ angelegt sind, beruhen auf einer metaphorischen Dimension, die die deutsche wie die englische Sprache kennzeichnet und die in Redewendungen wie »laundering 229money« oder »dirty joke« zutage treten.[15] In den Filmen der Thaws wird deutlich, dass diese Metaphern nicht von konkreten Bildern zu trennen sind.[16] Darüber hinaus entfalteten die Bilder und Metaphern ihre Wirkung im Afrikakontext umso stärker im Spannungsfeld von ›Schwarz‹ und ›Weiß‹. Das zeigt sich auf einer materiellen Ebene im Spiel der Farben (Hautfarben, Kleidung etc.) ebenso wie in einer symbolischen Konnotation von ›gut‹ und ›böse‹.[17]
Auffälligerweise klammerten die Filme einen naheliegenden Aspekt im Kontext von Sauberkeit und Schmutz aus: Krankheit und Gesundheit aus medizinischer Sicht. Dass sich Afrikareisende mit Malaria, Typhus, der Schlafkrankheit, Tuberkulose oder Lepra anstecken konnten, war durchaus bekannt. Dieses Wissen beschränkte sich keineswegs auf medizinische Fachkreise.[18] Der Film »Trader Horn« etwa erregte bereits während der Dreharbeiten großes mediales Interesse, weil zahlreiche Crewmitglieder in Afrika erkrankten und die Hauptdarstellerin, Edwina Booth, sich vermutlich mit Malaria infizierte und daraufhin das Studio verklagte.[19] Dagegen zählt Krankheit aber nicht zum Bilderrepertoire von »Trader Horn« selbst, ebenso wenig wie zu »Tarzan« oder den Filmen der Johnsons. Die Thaws und ihr Kameramann mögen noch aus zwei weiteren Gründen darauf verzichtet haben. Zum einen wäre es wohl schwierig gewesen, Malaria, Typhus oder Tuberkulose filmisch zu visualisieren. Zum anderen passten Krankheiten nicht in die Plotstruktur der Filme: Sie stellten eben keine Herausforderungen dar, die wie eine unpassierbare Straße oder eine Löwenjagd durch eigene Anstrengung im Rahmen eines Abenteuers überwunden werden konnten. Krankheiten hätten schlicht ein großes Risiko bedeutet. Stattdessen konzentrierten sich die Filme auf körperliche Reinlichkeit, Sexualität und Essen und griffen damit die dominierenden Themen der Europa- und Palm Beach-Filme auf, nun allerdings aus einer neuen Perspektive.
Körper
Die einfachste und konkreteste Möglichkeit zu zeigen, wie ein sauberer Körper in Afrika auszusehen habe und wie er sich in diesen Zustand bringen lasse, war es, das Waschen selbst zu filmen. Tatsächlich enthalten »From Cairo to Cape« und »Black 230Majesty« jeweils eine Szene, in der Peggy beim Duschen zu sehen ist. Während Larrys Aufnahme nur recht kurz und in einer einzigen Einstellung gedreht ist (Szene 88), widmete Thomas Hogan der gleichen Handlung mehr Aufmerksamkeit (Szene 89).