2562.4. »He smokes the cigarette like a debutante« – Tiere im Afrikafilm

In den 1930er Jahren einen Afrikafilm ohne Tiere zu drehen, wäre kaum möglich gewesen. Löwen, Elefanten, Nashörner, Affen, Gazellen, Antilopen und Zebras waren ebenso wenig aus Spielfilmen wie aus nicht-fiktionalen Darstellungen wegzudenken. Die Filme der Thaws machen hier keine Ausnahme, und vor allem »From Cairo to Cape« beschäftigte sich ausführlich mit der afrikanischen Tierwelt. Die Tierszenen lassen sich drei unterschiedlichen Themenbereichen zuordnen: Tiere in freier Wildbahn, die Großwildjagd und die Darstellung von Haustieren. Die Tiere dienten dabei als Projektionsfläche für die kolonialen Machtverhältnisse, im Umgang mit ihnen konnten Geschlechterrollen, ethnische und Klassenzugehörigkeiten ausgehandelt und Zivilisationsvorstellungen abgesteckt werden.[1] Darüber hinaus trugen diese Aufnahmen aber auch dazu bei, die Filme insgesamt als authentisch zu kennzeichnen.

Insbesondere mit der Großwildjagd haben sich in jüngerer Zeit zahlreiche historische Arbeiten beschäftigt. Besonders hervorzuheben sind hier die Studien von Bernhard Gißibl, der dazu auffordert, eine differenzierte Perspektive auf die beteiligten Akteure einzunehmen und die Jagdsafari nicht nur als »symbolische Herrschaftsinszenierung«, sondern viel umfassender als »Form und Praxis kolonialer Herrschaft« zu begreifen.[2] Es bietet sich an, an diese Perspektive anzuknüpfen und 257konkret danach zu fragen, welche Rolle die Medialisierung im Kontext der Großwildjagd spielte. Neben der bereits gut erforschten Jagdpraxis soll hier der bisher wenig beachtete Aspekt der sogenannten jungle pets untersucht werden.[3] Denn in den Filmen der Johnsons, in »Tarzan« und schließlich auch bei den Thaws traten Wildtiere als Haustiere auf. Im Folgenden sollen diese beiden Punkte beleuchtet und die jeweils spezifischen Visualisierungsstrategien untersucht werden. Im Vordergrund steht dabei die Frage, wie sich der Referenzrahmen der High Society auf den Umgang mit Tieren in Afrika auswirkte. Wo dies möglich ist, soll darüber hinaus eine Perspektive auf die Tiere selbst eingenommen werden.[4]

Frühe Dokumentarfilme wie diejenigen der Johnsons konzentrierten sich überwiegend auf Aufnahmen von großen Säugetieren in ihrem natürlichen Lebensraum und beanspruchten oftmals für sich, wissenschaftlich relevantes Material zu produzieren. »Simba« beispielsweise entstand unter der Schirmherrschaft des American Museum of Natural History und sollte dessen Filmbestand zu Afrika erweitern (Szene 118).[5] Die Tiere garantierten hier gewissermaßen die Authentizität der Filme, verhielten sie sich doch scheinbar immer ›natürlich‹. »Mit dem Tier«, so halten auch Maren Möhring, Massimo Perinelli und Olaf Stieglitz fest, »scheint das Reale in den Film einzubrechen.«[6]

Szene 118 »Simba«, R: Osa und Martin Johnson, USA 1928, 109 Min., Osa and Martin Johnson Museum.

 

An diesen Tieraufnahmen wiederum orientierten sich Spielfilme wie »Trader Horn« und gaben ihrer fiktionalen Handlung dadurch einen faktualen Anstrich. In einer fünfzehnminütigen Szene durchqueren beispielsweise Horn und sein Begleiter Peru eine Steppenlandschaft, während der Elfenbeinhändler die unterschiedlichen Arten erläutert (Szene 119). Die Szene trägt nicht dazu bei, die Handlung voranzutreiben, sie zielt mit ihrem dokumentarischen Gestus stattdessen primär darauf ab, dem gesamten Film eine authentische Wirkung zu verleihen.[7] Indem die Kamera schließlich mit den beiden Protagonisten hinter einem Busch versteckt den Kampf zwischen Leoparden, Pavianen und Hyänen beobachtet, verstärkt sich dieser Eindruck noch mehr.

Szene 119  »Trader Horn«, R: Woody Van Dyke, USA 1931, 120 Min., Metro-Goldwyn-Mayer.

 

Kämpfende Tiere zählten in Afrikafilmen zum Standardrepertoire und bedienten ein zeitgenössisches Interesse an Gewaltdarstellungen im Kino. Was selbst in der Pre-Code Era in Hollywood-Spielfilmen nicht gezeigt werden konnte – explizite Gewalt und nackte Körper –, entging als edukativer Travelogue oder als Hybridfilm wie »Trader Horn« der Zensur.[8] So gipfelt die anfangs idyllische Tierszene in »Tra258der Horn« auch darin, dass Horn und sein Gewehrträger Rencharo zwei Nashörner töten (Szene  120). Tatsächlich gab es nur ein Nashorn, das von der Filmcrew so lange provoziert wurde, bis es auf die Menschen losging und der Schauspieler Harry Carey es vor laufender Kamera erschoss.[9] In einer Nahaufnahme sieht man das verletzte Tier nach Luft schnappen, zusammenbrechen und sterben.

Szene 120 »Trader Horn«, R: Woody Van Dyke, USA 1931, 120 Min., Metro-Goldwyn-Mayer.

 

In einer noch grausameren Szene wird später im Film ein Löwe mit einem Speer getötet. Diese Aufnahme drehte der Regisseur des Films in Mexiko nach, ihr einziger Zweck war die Gewaltdarstellung (Szene 121).[10]

Szene 121 »Trader Horn«, R: Woody Van Dyke, USA 1931, 120 Min., Metro-Goldwyn-Mayer.

 

Denn noch stärker als lebende Tiere in freier Wildbahn trugen Gewaltdarstellungen dazu bei, das Filmmaterial als ›echt‹ zu kennzeichnen: Mit den Verletzungen und dem Akt des Tötens rückte die Kamera an den Tierkörper heran, drang visuell in ihn ein und legte sein Innerstes offen. Dabei überschrieb die Authentizität des Tötens die Inszeniertheit von Aufnahmen wie der Löwenszene. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass Peggy diesen Aspekt hervorhob und »Trader Horn« in ihrem Tagebuch als »marvelous animal picture« bezeichnete.[11] Umgekehrt verlor der enorm erfolgreich angelaufene Film »Ingagi« in dem Moment das Interesse der Zuschauer/innen und der Kritiker/innen, als bekannt wurde, dass der brutale Riesengorilla und seine weiblichen Opfer nicht echt waren. Dass Frauen in diesem Film sexuelle und körperliche Gewalt erfuhren, schien dagegen weniger skandalös gewesen zu sein.[12]

Die historische und soziologische Gewaltforschung hat sich dem Komplex Tiere und Gewalt bisher kaum zugewendet und noch weniger dessen Visualisierung in den Blick genommen.[13] Eine Brücke zwischen Gewalt an Menschen und an Tieren lässt sich jedoch mit der Historikerin Karen Halttunen schlagen, die die Bedeutung der Massenmedien in ihrer Analyse hervorhebt. Sie konstatiert, dass sich Ende des 18. Jahrhunderts eine »pornography of pain« etabliert habe: Mit der Verbreitung der Printmedien und der gesellschaftlichen Abwendung von Gewalt im Namen des Humanitarismus sei eine neue Lust am visuellen Konsum von Gewalt einhergegan259gen.[14] Von einer Pornografie des Schmerzes bzw. einer Gewaltlust lässt sich im Afrikakontext der 1930er Jahre umso treffender sprechen, weil die Bilder von verletzten und getöteten Tieren eine Schaulust befriedigten. Aus Sicht der Zensur waren sie rechtlich und somit auch inhaltlich mit sexualisierten Bildern von nackten Menschen verknüpft. Hier zeigt sich deutlich der Zusammenhang von ethnologischen und pornographischen Darstellungen in ihrem jeweiligen Authentizitätsanspruch.[15]

Die Thaws widmeten einen Großteil von »From Cairo to Cape« der afrikanischen Tierwelt, allerdings unter einem sehr spezifischen Blickwinkel: der Großwildjagd. Rund fünfundvierzig Minuten zeigen den Abschnitt der Reise, den sie mit Major Anderson und den einheimischen Bediensteten in Kenia und Tanganjika zurücklegten.[16] Die erste Tierszene illustriert zwar noch die Artenvielfalt der Serengeti und erinnert dabei deutlich an die entsprechenden Ausschnitte aus »Simba« und »Trader Horn« (vgl. Szene 118, 119). Sie dient aber in erster Linie dazu, zur Jagd überzuleiten, schließt an die letzte Einstellung einer grasenden Gazelle doch die Aufnahme einer erschossenen Gazelle an (Szene 122).

Szene 122 »From Cairo to Cape«, Margaret und Lawrence Thaw, 1935, 120 Min., Imperial War Museum.

 

Während der Afrikareise 1934/35 töteten die Thaws gemeinsam 76 Tiere, darunter drei Elefanten und drei Löwen, zwei Nashörner, eine Giraffe sowie mehrere Zebras, Gazellen und Impalas. Dabei führte Larry die Liste mit 52 Treffern deutlich an.[17] In zahlreichen Einstellungen präsentierten die Thaws die Kadaver, richteten sie für die Kamera auf, streichelten ihr Fell oder befühlten die Zähne (Szene 123).

Szene 123 »From Cairo to Cape«, Margaret und Lawrence Thaw, 1935, 120 Min., Imperial War Museum.

 

Die Jagd selbst und das Erschießen eines Tieres aufzunehmen wäre dagegen wohl zu kompliziert gewesen, unter anderem weil der Vorgang zu schnell war, um ihn mit der Kamera einzufangen. Mit diesen Bildern ordne260ten sich die Thaws in eine visuelle Tradition der erfolgreichen Großwildjäger ein und erbrachten damit zugleich den Beweis ihres eigenen Geschicks.[18]

 

Nicht nur der Akt des Tötens zementierte dabei ein Machtverhältnis. Mit den Bildern der Getöteten bestätigten die Thaws noch einmal die Hierarchie zwischen Mensch und Tier, nicht zuletzt indem sie die ehemals wehrhaften, nun aber vollkommen wehrlosen Körper berührten und für die Kamera arrangierten.[19] Die vielzitierte Analogie zwischen Kamera und Gewehr hat dabei nicht erst seit Susan Sontags klassischem Text On Photography Konjunktur.[20] Schon Zeitgenoss/inn/en der Thaws erkannten diese Parallele, wie der Film »Hunting Big Game in Africa with Gun and Camera« (1922) oder das Buch How to Hunt with the Camera bereits im Titel festhalten.[21] Die Aufnahmen der Thaws mit ihrer Jagdbeute sind einerseits recht statisch und erinnern an entsprechende Fotografien. Ganz ähnliche Bilder finden sich auch von der Jagd in Schottland in »The Whole Damn Family in Europe« (Szene 124).

Szene 124 »The Whole Damn Family in Europe«, Margaret und Lawrence Thaw, 1933, 62 Min., Imperial War Museum.

 

Historische Arbeiten zur Großwildjagd betonen zumeist, dass die Fotografie eines erlegten Tieres nicht nur die Trophäe zeige, sondern vielmehr die Trophäe sei.[22] Diese Interpretation greift für die Filme der Thaws allerdings zu kurz. Im Gegensatz zu Europa reichte es in Afrika nämlich nicht aus, den erfolgreichen Ausgang einer Jagd zu filmen. Hier drehte Larry zudem zahlreiche Szenen, die dokumentieren, wie die Bediensteten die Tiere zerlegen, ihnen die Haut abziehen und Trophäen wie Köpfe und Klauen von den Körpern schneiden (Szene 125).[23]

Szene 125 »From Cairo to Cape«, Margaret und Lawrence Thaw, 1935, 120 Min., Imperial War Museum.

 

Diese Bilder hatten drei Funktionen: Sie demonstrierten erstens, wie man eine Trophäe erlangte, und verbürgten deren Echtheit. Die Aufnahmen belegten, wie aus einem Tier ein Objekt wurde, das sich in die Einrichtung der New Yorker Apartments einfügen würde. Tatsächlich berichtete Peggy in ihrem Tagebuch von einer Art Verdinglichung der Tiere: »the scene when the boys began to cut the carcass up yesterday was terrific! The most gory spectacle I’ve ever seen. But it is so odd – that kind of thing doesn’t seem to upset one, though I still feel ill when I hear a chicken being killed for our dinner.«[24] In Einklang mit den Hygienevorstellungen der Thaws übernahmen die 261afrikanischen Bediensteten diese Aufgabe; Larry und Peggy beschmutzten ihre helle Safarikleidung dagegen nicht mit Blut. Damit überbrückte der Film die Zeitspanne zwischen dem erfolgreichen Schuss und der abstrakten, entkörperten Trophäe und rückte den Prozess ihrer Herstellung in den Vordergrund. Das statische Medium der Fotografie eignete sich dagegen nur dazu, das Ergebnis festzuhalten (Abb. 42).

Abb. 42 Fotografien von Larry und Peggy mit Jagdtrophäen, Privatnachlass Thaw.

 

Zweitens bezeugten diese Aufnahmen die Authentizität der Jagderfahrung wie des Filmmaterials. Der Blick der Kamera drang geradezu in die Körper der Tiere ein und machte echte Gewalt und Tod sichtbar. Dieses Erlebnis konnte die Trophäe als Geweih an der Wand oder ein zu einem Schirmständer verarbeiteter Elefantenfuß nicht mehr vermitteln, dazu bedurfte es vielmehr des Mediums Film. Gerade in einer Zeit, in der die Safari für viele zum touristischen Konsumprodukt zu verkommen drohte, gewann dies an Bedeutung. Diesen Zusammenhang bringt eine Szene besonders eindrücklich auf den Punkt: In drei unterschiedlichen Einstellungen sieht man, wie eine tote Antilope zerlegt wird, dann eine Schar von Geiern den Kadaver vollständig bedeckt und schließlich nur noch das Gerippe zurückbleibt (Szene  126). Der Film visualisiert hier die Verstümmelung eines Tierkörpers, bis die Kamera gewissermaßen in sein Innerstes sehen kann.

Szene 126 »From Cairo to Cape«, Margaret und Lawrence Thaw, 1935, 120 Min., Imperial War Museum.

 

Die Thaws verfolgten damit im Grunde ein ähnliches Ziel wie die Dioramen im American Museum of Natural History: Sie wollten den Tierkörper so authentisch wie möglich darstellen. Während es bei der Taxidermie allerdings darum ging, den Tod des Tieres zu verschleiern und insbesondere die Haut intakt zu halten und Verletzungen zu kaschieren, wählten die Thaws den entgegengesetzten Weg.[25]

262So bedienten die Aufnahmen drittens die Lust an Gewaltdarstellungen, die auch andere zeitgenössische Afrikafilme prägte. Zugleich stellten sie eine Überschreitung westlicher Normen dar, die in Afrika jedoch möglich war. Wie Norbert Elias am Beispiel des Zerlegens von Tieren im 19. Jahrhundert erläutert, wurde der Anblick von Tod und Verletzung »hinter die Kulissen des gesellschaftlichen Lebens« verlegt und so der Zivilisierungsprozess vorangetrieben.[26] Auf diese Weise erschien Afrika erneut als ein Ort, der außerhalb der westlichen Zivilisation stand.

Diese medialisierte Perspektive auf die Großwildjagd blendet allerdings aus, dass nicht jede Jagd unvermeidlich mit dem Tod eines Tieres endete und dieses ausschließlich eine Opferrolle einnahm.[27] Oftmals bemerkten die Elefanten, Löwen und Gazellen, dass sie verfolgt wurden, und flohen. Peggy war zudem keine besonders gute Schützin und verletzte ihre Beute manchmal nur, sodass sie entkommen konnte. Darüber hinaus hatte Peggy Angst vor Raubtieren und Elefanten. Tatsächlich brachten sich die Thaws auf der Elefantenjagd einmal in eine gefährliche Situation, als ein Bulle die Gruppe angriff.[28] Schließlich kostete es Peggy zumindest zu Beginn der Jagd große Überwindung, überhaupt auf ein Tier zu schießen, wie sie in ihrem Tagebuch berichtete.[29]

Dass sie es doch tat, lag sicherlich daran, dass es in den 1930er Jahren schlicht zum Standardprogramm für reiche Europäer/innen und Amerikaner/innen gehörte, in Afrika auf Großwildjagd zu gehen. Wichtiger als die Trophäen war aber wohl die Medialisierung durch den Film und später durch die Gesellschaftsberichterstattung. Diese verpflichtete die Thaws geradezu, Tiere zu erschießen und sich mit ihnen vor der Kamera zu präsentieren bzw. Maury Paul in einem Brief über die erfolgreiche Jagd zu berichten. Diesen Zusammenhang brachte auch der Cholly Knickerbocker 1935 auf den Punkt, als er verkündete:

Back from »Darkest Africa« with many throphies and – what is much more important to them – cans and cans of motion-picture film, the Lawrence Copley Thaws are giving a series of dinners at their oppulent-looking town house […] as a prelude to the showing of their latest safari […] »Peggy« and »Larry« Thaw have become old hands at blazing trails from Cairo to Capetown, and in between aiming at »big game« and making maps, they film the »thrills« of their jaunts.[30]

263So stellten die Thaws die Köpfe, Stoßzähne und Füße auch nicht in ihren Apartments aus. Wichtig für sie waren nur die medialisierten Trophäen. Die Originale bekam der schicke Sportausstatter Abercrombie & Fitch als Dekoration.[31] Das Geschäft an der Madison Avenue hatte bereits Theodore Roosevelt für seine Safari ausgerüstet und nach ihm unter anderem Charles Lindbergh und Amelia Erhart.[32] Auf diese Weise gelang es den Thaws zudem, die eigentlich abenteuerliche und gefährliche Großwildjagd im Nachhinein mit distinktivem Konsum und dem High Society-Lebensstil zu verknüpfen.

Vor dem Hintergrund, dass Peggy die schlechtere Schützin war und sie immer wieder Gewissensbisse plagten, ist es schließlich bemerkenswert, dass die Thaws in »From Cairo to Cape« als gleichwertige Großwildjäger auftraten. Auch wenn es in den 1930er Jahren unter den amerikanischen und europäischen Touristinnen auch Frauen gab, die auf die Jagd gingen, war die Großwildjagd doch nach wie vor deutlich männlich codiert.[33] Das zeigt nicht nur Osa Johnsons Rolle, sondern auch Filme wie »Tarzan« und »Trader Horn«. Jane erweist sich zwar zu Beginn von »Tarzan the Ape Man« als exzellente Schützin, kann sich im weiteren Verlauf jedoch nie selbst verteidigen und bleibt angesichts der Gefahren des Dschungels für den Rest des Films auf männliche Hilfe angewiesen. Auch in »Trader Horn« verwandelt sich Nina, sobald sie ihr Dorf verlässt, von der mächtigen Stammespriesterin in ein hilfloses Mädchen, das den Strapazen der Reise nicht gewachsen ist.[34] Osa schließlich ist zwar mehrfach zu sehen, wie sie angeblich Tiere erschießt, den Filmen zufolge tut sie dies allerdings nur aus Notwehr. Zudem gleichen die Filme, wie erwähnt, die Bilder der wehrhaften Frau durch Osa in ihrer Hausfrauenrolle aus. Dieses zeitgenössische Ungleichgewicht rechtfertigt es jedoch nicht, wie Edward Steinhart Frauen ganz aus einer Untersuchung zur Großwildjagd auszuschließen.[35] Ihrer Stellung in der High Society entsprechend inszenierten sich die Thaws auch in Afrika als Paar, in dem der Frau ein sichtbarer und handlungsmächtiger Part zukam. Der Cholly Knickerbocker griff diese Konstellation in seinem Bericht auf und konzentrierte sich sogar besonders auf Peggy.

In »Black Majesty« verschob sich zwei Jahre später der Fokus von der Großwildjagd auf ›Haustiere‹, die sogenannten jungle pets. Weil die Thaws und ihr Kameramann den Film kommerziell verwerten und ein möglichst großes Kinopublikum erreichen wollten, verzichteten sie wohl mit Blick auf die Zensur auf besonders explizite Gewaltdarstellungen. Stattdessen sollten mithilfe der Tiere amüsante Szenen entstehen, wofür die Thaws im Zoo von Yaoundé in Kamerun einen Schimpansen kauften und später in Kribi ein Gorillababy.

264Das wichtigste Vorbild für diese Art von Tierdarstellungen boten sicherlich Martin und Osa Johnson. Denn die Johnsons zeigten in ihren Filmen regelmäßig, wie sie mit den unterschiedlichsten Tieren zusammenlebten. Dadurch ließen sich komische Situationen für die Kamera inszenieren, etwa wenn sich ein Affe in »Baboona« über den Zuckervorrat der Johnsons hermacht oder ein zweiter Osas Handspiegel stibitzt. Meist handelte es sich allerdings um angeblich verwaiste Jungtiere, derer sich Osa liebevoll annahm. Auf diese Weise nahm sie eine Mutterrolle ein, die verknüpft mit ihren Auftritten als Haus- und Ehefrau eine konservative Weiblichkeit zur Schau stellte. In der folgenden Szene aus »Baboona« gibt sie etwa jungen Raubkatzen Milch aus einer Flasche und hält sie wie Kleinkinder im Arm (Szene 127).

Szene 127 »Baboona«, R: Osa und Martin Johnson, USA 1934, 106 Min., Osa and Martin Johnson Museum.

 

 

Noch deutlicher zeichnet eine Szene aus »Congorilla« das Bild einer Familie mit Osa als Mutter, Martin als – zumindest im Voiceover anwesendem – Vater und zwei kleinen Affen als Kindern (Szene 128). Die Tiere wirken umso menschlicher und kindlicher, weil sie verniedlichende Namen tragen: der Gorilla heißt Snowball, der Schimpanse Teddy. Hier füttert Osa die beiden nicht nur, sie badet die Tiere auch, bevor sie im elterlichen Bett einschlafen dürfen. So verhandelten die Johnsons anhand der Tiere amerikanische Zivilisationsvorstellungen von sauberem Essen, körperlicher Reinlichkeit und einer heterosexuellen Ehe, die zugleich als vollkommen unsexualisiert dargestellt wurde.

Szene 128 »Congorilla«, R: Osa und Martin Johnson, USA 1932, 106 Min., Osa and Martin Johnson Museum.

 

Was für heutige Sehgewohnheiten auf den ersten Blick kurios anmuten mag, war für die Kinopublika der 1930er Jahre keineswegs ungewöhnlich. Auch »Tarzan the Ape Man« endet mit einer Familienszene – mit Tarzan und Jane als Eltern, die den Schimpansen Cheeta als Kinderersatz im Arm halten (Szene 129). Der zahme Schimpanse, der Cheeta spielte, wurde im Verlauf der Tarzan-Filmreihe sogar selbst zum Star.[36]

Szene 129 »Tarzan the Ape Man«, R: Woody Van Dyke, USA 1932, 140 Min., Metro-Goldwyn-Mayer.

 

Darüber hinaus zielte Akeleys African Hall im New Yorker Naturkundemuseum ebenfalls auf die Konstruktion von Familienbildern ab. In den Dioramen waren die Tierexponate als Kernfamilien, bestehend aus Mutter, Vater und Kind, gruppiert. Hier spielte freilich noch ein eugenischer Gedanke mit hinein, handelte es sich doch, wie bereits erwähnt, um die jeweils ›besten‹ Exemplare einer Spezies.[37] Für die Johnsons knüpften sich jedoch auch ganz konkrete Vermarktungsstrategien an die jungle pet-Szenen. Diese machten die Filme neben einem erwachsenen Publikum auch für Kinder und Jugendliche interessant. Osa erkannte die Nachfrage und 265schrieb zwei Kinderbücher über ihre Haustiere im Dschungel.[38] Peggy wiederum ging mit ihren Söhnen ins Kino, um »Tarzan the Ape Man« anzusehen.[39]

Vor diesem Hintergrund ist es umso überraschender, welche Handlung sich die Thaws für ihren Schimpansen ausdachten. Denn Larry und Peggy inszenierten gerade keine Familienszene, sie kreierten für den Affen vielmehr einen High Society-Kontext (Szene  130).

Szene 130 »Black Majesty«, Margaret und Lawrence Thaw, 1936/37, 90 Min., Imperial War Museum.

 

Wie Peggy in »A Motor Honeymoon« rauchte er und trank Alkohol, sodass der Off-Sprecher eine Parallele zu einer New Yorker Debütantin ziehen konnte und kommentierte: »He smokes the cigarette like a debutante!« Der Schimpanse übernahm damit stellvertretend für das Paar typische High Society-Verhaltensweisen, die Larry und Peggy bewusst aus den Afrikafilmen ausklammerten, um deren Abenteuercharakter nicht zu untergraben. Zumindest der Affe erinnerte hier aber an das angesagte Leben, das die Thaws normalerweise führten. Bei der Aufnahme von der Whiskeyflasche handelte es sich zudem um eine bezahlte Produktplazierung des Herstellers. Da Kinder darüber hinaus kaum eine Rolle in der Gesellschaftsberichterstattung spielten, legten die Thaws auch in ihren Afrikafilmen keinen Wert darauf, das Thema Familie mithilfe von Tieren zu visualisieren. Noch deutlicher zeigt sich diese inhaltliche Ausrichtung im Fall des Babygorillas. Obwohl Thomas Hogan den kleinen Affen filmte, schafften es die Aufnahmen nicht in »Black Majesty«.[40] Tatsächlich scheint das Gorillababy recht zahm gewesen zu sein. Was Peggy zudem in ihrem Tagebuch berichtet, legt den Schluss nahe, dass man mit ihm ähnliche Szenen hätte drehen können, wie die Johnsons es mit Snowball taten. Sie schrieb: »He is very sweet and has gotten to know us all well & takes us by the hand & kisses us.«[41] Als der Gorilla erkrankte, pflegte Peggy ihn aufopferungsvoll: »[I] fed him a tea spoon of each every five minutes or so and he held my hand very weakly and altogether was so like a baby and so very sweet that it was heartrending.«[42] Gerade ein hilfloses Jungtier hätte Peggy aber in eine Mutterrolle gerückt, die ihrer Vorstellungswelt nicht entsprach. In diesem Zusammenhang galt es wohl besonders, das Selbstbild dem Fremdbild der Gesellschaftsberichterstattung anzupassen. Trotz dieser Unterschiede inszenierten die Thaws wie die Johnsons aber letztlich mithilfe der Tiere zwei unterschiedliche Varianten von westlicher Zivilisation, die ihren jeweiligen medialen Rollen entsprachen.