Die Thaws verfolgten damit im Grunde ein ähnliches Ziel wie die Dioramen im American Museum of Natural History: Sie wollten den Tierkörper so authentisch wie möglich darstellen. Während es bei der Taxidermie allerdings darum ging, den Tod des Tieres zu verschleiern und insbesondere die Haut intakt zu halten und Verletzungen zu kaschieren, wählten die Thaws den entgegengesetzten Weg.
262So bedienten die Aufnahmen drittens die Lust an Gewaltdarstellungen, die auch andere zeitgenössische Afrikafilme prägte. Zugleich stellten sie eine Überschreitung westlicher Normen dar, die in Afrika jedoch möglich war. Wie Norbert Elias am Beispiel des Zerlegens von Tieren im 19. Jahrhundert erläutert, wurde der Anblick von Tod und Verletzung »hinter die Kulissen des gesellschaftlichen Lebens« verlegt und so der Zivilisierungsprozess vorangetrieben. Auf diese Weise erschien Afrika erneut als ein Ort, der außerhalb der westlichen Zivilisation stand.
Diese medialisierte Perspektive auf die Großwildjagd blendet allerdings aus, dass nicht jede Jagd unvermeidlich mit dem Tod eines Tieres endete und dieses ausschließlich eine Opferrolle einnahm. Oftmals bemerkten die Elefanten, Löwen und Gazellen, dass sie verfolgt wurden, und flohen. Peggy war zudem keine besonders gute Schützin und verletzte ihre Beute manchmal nur, sodass sie entkommen konnte. Darüber hinaus hatte Peggy Angst vor Raubtieren und Elefanten. Tatsächlich brachten sich die Thaws auf der Elefantenjagd einmal in eine gefährliche Situation, als ein Bulle die Gruppe angriff. Schließlich kostete es Peggy zumindest zu Beginn der Jagd große Überwindung, überhaupt auf ein Tier zu schießen, wie sie in ihrem Tagebuch berichtete.
Dass sie es doch tat, lag sicherlich daran, dass es in den 1930er Jahren schlicht zum Standardprogramm für reiche Europäer/innen und Amerikaner/innen gehörte, in Afrika auf Großwildjagd zu gehen. Wichtiger als die Trophäen war aber wohl die Medialisierung durch den Film und später durch die Gesellschaftsberichterstattung. Diese verpflichtete die Thaws geradezu, Tiere zu erschießen und sich mit ihnen vor der Kamera zu präsentieren bzw. Maury Paul in einem Brief über die erfolgreiche Jagd zu berichten. Diesen Zusammenhang brachte auch der Cholly Knickerbocker 1935 auf den Punkt, als er verkündete:
Back from »Darkest Africa« with many throphies and – what is much more important to them – cans and cans of motion-picture film, the Lawrence Copley Thaws are giving a series of dinners at their oppulent-looking town house […] as a prelude to the showing of their latest safari […] »Peggy« and »Larry« Thaw have become old hands at blazing trails from Cairo to Capetown, and in between aiming at »big game« and making maps, they film the »thrills« of their jaunts.
263So stellten die Thaws die Köpfe, Stoßzähne und Füße auch nicht in ihren Apartments aus. Wichtig für sie waren nur die medialisierten Trophäen. Die Originale bekam der schicke Sportausstatter Abercrombie & Fitch als Dekoration. Das Geschäft an der Madison Avenue hatte bereits Theodore Roosevelt für seine Safari ausgerüstet und nach ihm unter anderem Charles Lindbergh und Amelia Erhart. Auf diese Weise gelang es den Thaws zudem, die eigentlich abenteuerliche und gefährliche Großwildjagd im Nachhinein mit distinktivem Konsum und dem High Society-Lebensstil zu verknüpfen.
Vor dem Hintergrund, dass Peggy die schlechtere Schützin war und sie immer wieder Gewissensbisse plagten, ist es schließlich bemerkenswert, dass die Thaws in »From Cairo to Cape« als gleichwertige Großwildjäger auftraten. Auch wenn es in den 1930er Jahren unter den amerikanischen und europäischen Touristinnen auch Frauen gab, die auf die Jagd gingen, war die Großwildjagd doch nach wie vor deutlich männlich codiert. Das zeigt nicht nur Osa Johnsons Rolle, sondern auch Filme wie »Tarzan« und »Trader Horn«. Jane erweist sich zwar zu Beginn von »Tarzan the Ape Man« als exzellente Schützin, kann sich im weiteren Verlauf jedoch nie selbst verteidigen und bleibt angesichts der Gefahren des Dschungels für den Rest des Films auf männliche Hilfe angewiesen. Auch in »Trader Horn« verwandelt sich Nina, sobald sie ihr Dorf verlässt, von der mächtigen Stammespriesterin in ein hilfloses Mädchen, das den Strapazen der Reise nicht gewachsen ist. Osa schließlich ist zwar mehrfach zu sehen, wie sie angeblich Tiere erschießt, den Filmen zufolge tut sie dies allerdings nur aus Notwehr. Zudem gleichen die Filme, wie erwähnt, die Bilder der wehrhaften Frau durch Osa in ihrer Hausfrauenrolle aus. Dieses zeitgenössische Ungleichgewicht rechtfertigt es jedoch nicht, wie Edward Steinhart Frauen ganz aus einer Untersuchung zur Großwildjagd auszuschließen. Ihrer Stellung in der High Society entsprechend inszenierten sich die Thaws auch in Afrika als Paar, in dem der Frau ein sichtbarer und handlungsmächtiger Part zukam. Der Cholly Knickerbocker griff diese Konstellation in seinem Bericht auf und konzentrierte sich sogar besonders auf Peggy.
In »Black Majesty« verschob sich zwei Jahre später der Fokus von der Großwildjagd auf ›Haustiere‹, die sogenannten jungle pets. Weil die Thaws und ihr Kameramann den Film kommerziell verwerten und ein möglichst großes Kinopublikum erreichen wollten, verzichteten sie wohl mit Blick auf die Zensur auf besonders explizite Gewaltdarstellungen. Stattdessen sollten mithilfe der Tiere amüsante Szenen entstehen, wofür die Thaws im Zoo von Yaoundé in Kamerun einen Schimpansen kauften und später in Kribi ein Gorillababy.
264Das wichtigste Vorbild für diese Art von Tierdarstellungen boten sicherlich Martin und Osa Johnson. Denn die Johnsons zeigten in ihren Filmen regelmäßig, wie sie mit den unterschiedlichsten Tieren zusammenlebten. Dadurch ließen sich komische Situationen für die Kamera inszenieren, etwa wenn sich ein Affe in »Baboona« über den Zuckervorrat der Johnsons hermacht oder ein zweiter Osas Handspiegel stibitzt. Meist handelte es sich allerdings um angeblich verwaiste Jungtiere, derer sich Osa liebevoll annahm. Auf diese Weise nahm sie eine Mutterrolle ein, die verknüpft mit ihren Auftritten als Haus- und Ehefrau eine konservative Weiblichkeit zur Schau stellte. In der folgenden Szene aus »Baboona« gibt sie etwa jungen Raubkatzen Milch aus einer Flasche und hält sie wie Kleinkinder im Arm (Szene 127).
Szene 127 »Baboona«, R: Osa und Martin Johnson, USA 1934, 106 Min., Osa and Martin Johnson Museum.