2092. Afrika als ethnologischer Themenpark

Szene 80 »Black Majesty«, Margaret und Lawrence Thaw, 1936/37, 90 Min., Imperial War Museum.

 

Afrika legte den Thaws im wahrsten Sinne des Wortes Steine in den Weg. Die Fortbewegung mit dem Auto glich einer Tortur, die von einer erzwungenen Unterbrechung zur nächsten führte. Straßen waren nicht vorhanden oder in äußerst schlechtem Zustand, Flüsse mussten durchquert und Gräben überwunden werden (Szene 80). Übernachtungen fanden darüber hinaus nicht mehr in Grandhotels, sondern in Zelten statt, und lokale Lebensmittel erwiesen sich für die New Yorker als wenig bekömmlich oder gar ekelerregend. Schließlich bedrohten allerlei gefährliche Tiere das Leben der Thaws. So zumindest stellen die Afrikafilme des Paares den Kontinent dar. Denn nach Europa und Palm Beach änderte sich mit den Afrikareisen 1934/35 und 1936/37 erneut der Fokus der Filme. Konsum von Gütern und Dienstleistungen erschien nun als äußerst problematisch, und statt sportlicher weißer Körper konstruierten die Thaws deren vermeintliches Gegenteil: dunkelhäutige Menschen, deren Körper, Kleidung und Sexualität nicht den westlichen Hygienestandards entsprachen. Mit Blick auf westliche Afrikabilder im 19. und frühen 20. Jahrhundert erkennt auch Paul S. Landau eine »[a]mazing distance« und vergleicht Afrika mit Edward Saids diskursiv konstruiertem Orient.[1] Wenn im Folgenden vom ›Westen‹ die Rede ist, meint dies im Anschluss an Jürgen Martschukat und Olaf Stieglitz nicht den nordatlantischen Raum, sondern vielmehr »eine historisch spezifische Konfiguration, die sich seit dem 16. Jahrhundert entfaltet und dabei […] den Anspruch formuliert hat, Modell und Maßstab für ›den Rest‹ zu sein.«[2]

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, warum die Thaws diese Strapazen überhaupt zweimal freiwillig in Kauf nahmen. Darauf gibt es zwei Antworten: Erst dieses neue Thema bot Larry und Peggy den richtigen Ansatzpunkt, um ihre Filmkarrieren weiter voranzutreiben und größere Öffentlichkeiten zu erreichen. In zeit210genössischen Spiel- und Dokumentarfilmen, in Naturkundemuseen und Weltausstellungen war Afrika ein überaus beliebtes Thema, sodass die Thaws in den 1930er Jahren diesem Trend folgten. Zweites beweisen Peggys Tagebücher, dass sich die Afrikareisen wesentlich komfortabler gestalteten, als es die Filme suggerieren wollten – eine Diskrepanz, auf die die Thaws ganz bewusst abzielten. In diesem Zusammenhang fordern jüngere Arbeiten zu Afrika inzwischen, nicht nur die diskursive Konstruktion von Dichotomien wie Schwarz/Weiß, Afrika/Westen oder Zivilisation/Wildnis aufzudecken. Denn dadurch würden diese oftmals einfach nur reproduziert; ebenso wichtig sei es zugleich, diese scheinbar binären Gegensätze aufzubrechen.[3] Im Folgenden soll zunächst ein Überblick über die Filme, den Afrikatourismus der 1930er Jahre und gängige Afrikadarstellungen gegeben werden. Daran anschließend lassen sich »From Cairo to Cape« (1935) und »Black Majesty« (1937) aus drei Perspektiven untersuchen, die die Filme besonders prägen und anhand derer die Bedeutung der High Society deutlich wird: Körper- und Hygienevorstellungen, die Stellung der afrikanischen Bediensteten im Film und die Rolle von Tieren.