1913.2. »A Caribbean Cruise« – Eine Zeitreise
Im Februar 1932 wichen Larry und Peggy von ihrer jährlichen Palm Beach-Routine ab und machten stattdessen eine Kreuzfahrt auf dem Luxusliner Britannic durch die Karibik. Von Nassau auf den Bahamas verlief die Route über Haiti, Jamaika, Panama und Kuba nach Palm Beach.[1] Dabei besuchte das Paar in erster Linie die großen Hafenstädte wie Port au Prince, Panama City und Havanna und machte darüber hinaus Tagesausflüge ins Landesinnere. In Panama fuhren Larry und Peggy außerdem mit dem Schiff den Panamakanal entlang. Mit dieser Kreuzfahrt verließen die Thaws die ›semi-tropische‹ Sicherheit Floridas und die Innenräume von Palm Beach und sahen sich mit einer wilden Natur und angeblich primitiven Gesellschaften konfrontiert. Hier ließen sich nackte und ungeschützte weiße Körper nicht mehr für die Kamera in Szene setzen. Der Film »A Caribbean Cruise« (31 Minuten auf zwei 16-Millimeter-Filmrollen) steht damit an der Schnittstelle zwischen den Amateurfilmen über Europa und Palm Beach einerseits und den Afrikafilmen der 1930er Jahre andererseits. Nun rückten die Reiseziele als genuin fremde Orte und ihre Bewohner/innen als Repräsentant/inn/en anderer Ethnien in den Blick der Kamera. Dieser war jedoch noch deutlich von den Palm Beach-Aufenthalten geprägt, die der Karibikreise als Rahmen und Folie dienten.
Der »Caribbean Cruise« führte die Thaws durch britische Kolonien und amerikanische Einflussgebiete. Hinsichtlich der Frage, ob Nordamerika um die Jahrhundertwende eine imperiale Macht vergleichbar etwa mit Großbritannien darstellte, betont die neuere Forschung, dass es bei der Bewertung kaum allein um eine direkte territoriale Herrschaft über Kolonien gehen könne: »Washington, through its global expansion after 1898, created a unique imperial state […]. […] the United States ruled its disparate arc of islands through a nimble nexus of public-private alliances […] only loosely articulated, in an institutional and a constitutional sense, within the U. S. system.«[2] Diese schwer fassbare Machtposition reflektiert auch der Film der Thaws; er visualisiert eine amerikanische und weiße Überlegenheit auf unterschiedlichen Ebenen, ohne sie jedoch in den Texttafeln sprachlich explizit zu machen. Das schlägt sich zum einen in den konkreten Szenen nieder, zum anderen aber auch in ihrer narrativen Anordnung.
Die einzelnen Stationen der Kreuzfahrt sind nämlich in die Erzählung einer Rundreise sowie einer Zeitreise eingebettet. Am Anfang und am Ende des Films ste192hen mit Nassau und Palm Beach zwar geografisch zwei unterschiedliche Orte, als luxuriöse Winterresorts symbolisierten sie allerdings gleichermaßen den etablierten High Society-Lebensstil. Nassau lag außerdem in unmittelbarer Nähe zu Miami und den USA. So unterscheiden sich die Bilder von den Bahamas (Abb. 38, obere Reihe) auch kaum von denjenigen aus Florida (untere Reihe). 1932 konnte sich die damals dreißigjährige Peggy offensichtlich auch noch bei einem kurzen Aufenthalt in Nassau amüsieren.