2452.3. »We scolded him of course« – Afrikanische Bedienstete
zwischen Ermächtigung und Entmächtigung

Als die Thaws Kano verließen, war John, einer ihrer boys, unauffindbar und sie reisten ohne ihn ab. Der junge Mann sollte auf dem Markt einkaufen, hatte sich verspätet und fand bei der Rückkehr seine Arbeitgeber nicht mehr vor. Der britische Lieutenant von Kano entdeckte ihn jedoch und fuhr der Reisegruppe mit John hinterher. Die Thaws freuten sich zwar über das Wiedersehen, waren allerdings der Meinung, John sei für die ganze Aufregung verantwortlich. In ihrem Tagebuch hielt Peggy fest: »We scolded him of course but he looked so delighted to be back home again that it was only halfhearted.«[1] Dieser kurze Satz fasst die weitverbreitete Einstellung wei246ßer Safariteilnehmer/innen zu ihren einheimischen Bediensteten gut zusammen. Peggy nahm sich und ihren Mann nicht nur als Arbeitgeber wahr, die über den jungen Mann verfügen konnten. Sie sah sich auch in einer erzieherischen Position gegenüber einem unmündigen Menschen. Dieser wiederum brachte den Thaws – zumindest Peggys Meinung nach – aufrichtige Zuneigung und naive Loyalität entgegen. Tatsächlich finden sich ähnliche Formulierungen etwa in Carl Akeleys Autobiografie, wenn er über seinen Gewehrträger Bill schreibt.[2] Afrikanische Bedienstete erschienen in den Erzählungen ihrer Arbeitgeber/innen wie in Spielfilmen zumeist als Kinder – nicht zufälligerweise wurden erwachsene Männer ständig als boys bezeichnet –, die einfältig, aber treu seien.[3]

Dass sich das Verhältnis zwischen weißen Kolonialbeamten, Entdecker/inne/n und Safaritourist/inn/en und ihren einheimischen Bediensteten jedoch wesentlich komplexer gestaltete, hat die jüngere Forschung mit Blick auf Afrika und andere koloniale Settings gezeigt. Übersetzer, Führer, niedrige Angestellte der Kolonialverwaltungen, Gewehrträger und Spurensucher wirkten als Vermittler zwischen Kolonisierenden und Kolonisierten und beeinflussten deren Interaktionen wesentlich. Mit ihrem wertvollen Wissen nahmen sie in Verhandlungen, Verwaltungsvorhaben und Expeditionen aktive Rollen ein, anstatt bloß Anweisungen zu befolgen. Schließlich trugen sie dadurch oftmals dazu bei, das koloniale Machtgefüge vor Ort zu stabilisieren.[4] Aus einer anderen Perspektive rückt dagegen Ann Laura Stoler in ihren wegweisenden Arbeiten Frauen stärker in den Fokus und untersucht die intimen Beziehungen, die sich insbesondere in häuslichen und sexuellen Kontexten zwischen Einheimischen und Vertreter/inne/n der Kolonialmächte entfalteten. Durch sexuelle Kontakte und ›gemischte‹ Ehen, das Zusammenleben mit Hausbediensteten oder die Erziehung durch einheimische Kindermädchen entstanden Nahbeziehungen, die einerseits von Machtasymmetrien, Zwang und Gewalt geprägt waren. Andererseits fanden genau hier Transgressionen statt, die ›rassische‹ Normen überschritten und verschoben.[5] Zugespitzt auf ein intimes und körperliches Zusammentreffen erweist sich hier auch Pratts »Kontaktzone« als anschlussfähig. Vor die247sem Hintergrund sollte schließlich ein drittes historisches Forschungsfeld nicht außer Acht gelassen werden: die Arbeiten zu (europäischen) Dienstbot/inn/en. Studien in diesem Kontext betonen, dass die Beziehungen zwischen Dienstnehmer/inne/n und Dienstgeber/inne/n oftmals Standes- bzw. Klassengrenzen überschritten und in ein komplexes Kräftegeflecht eingebunden waren. Das tägliche Miteinander im Haushalt und die räumliche und körperliche Nähe konnten durchaus zu gegenseitiger Solidarität und emotionalen Verbindungen führen. Darüber hinaus mochten aber auch ein höheres Alter und ein größerer Erfahrungsschatz der Bediensteten die Hierarchien stören.[6] Als sich Ende des 19. Jahrhunderts schließlich die rechtliche Stellung des Hauspersonals änderte und die Diener/innen zu gefragten Angestellten wurden, vertraten diese auch zunehmend selbstbewusst ihre eigenen Interessen gegenüber der Herrschaft.[7]

Diese drei inhaltlichen Schwerpunkte liefern gleichermaßen wichtige Ansatzpunkte, um die Rolle der afrikanischen Bediensteten in den Filmen der Thaws zu untersuchen. Larry und Peggy stellten 1934/35 vierzehn kenianische Männer an, von denen 1936/37 noch einmal elf für die Thaws arbeiteten und sie jeweils über mehrere Monate begleiteten. So muss also erstens nach deren konkreten Tätigkeiten, den Formen des Zusammenlebens mit den Thaws, den jeweiligen Abhängigkeiten und Hierarchien sowie den Nahbeziehungen gefragt werden. Welchen Einfluss hatten die Dreharbeiten darauf? Wie wirkte sich außerdem der High Society-Hintergrund der Thaws auf das Verhältnis aus? Zweitens soll mit der sogenannten porter safari eine ganz bestimmte Darstellungsweise von einheimischen Bediensteten in den Blick genommen werden, die in Afrikafilmen der 1930er Jahre sehr beliebt war und an der sich auch die Thaws orientierten. Die Stimmen der Kenianer hörbar zu machen, ist dabei schwierig, weil nur mittelbare Zeugnisse über sie überliefert sind.[8] Dennoch lässt sich mit Blick auf das Filmmaterial fragen, über welche Medienkompetenz sie verfügten, wie sie mit den Drehsituationen umgingen und wie die Thaws das Material im fertigen Endprodukt deuteten.

Wie sich die konkreten Arbeitsbedingungen gestalteten, ob die Kenianer etwa auch freie Zeit hatten oder wie viel sie verdienten, ist nicht bekannt.[9] Was die Män248ner tun mussten, ist dagegen in den Filmen und Peggys Tagebüchern überliefert. Sie übernahmen klassische Hausarbeiten wie Kochen und Wäschewaschen, waren Peggy bei der Körperpflege behilflich, begleiteten die Thaws als Gewehrträger auf die Jagd, fuhren die Autos und führten Reparaturen durch. Kurz: das Paar war von seinen Bediensteten abhängig. Hätten sich die Thaws in Europa wohl auch ohne ihren Chauffeur bis zum nächsten Grandhotel durchschlagen können, waren sie in Afrika darauf angewiesen, dass die Kenianer die Lager aufbauten, das Essen zubereiteten und die Vielzahl von Gepäckstücken verstauten und beförderten. Eine Afrikareise mag in den 1930er Jahren komfortabler gewesen sein, als die Thaws sie in ihren Filmen darstellten, dennoch waren sie aber von ihrem Personal abhängig. Wie beeindruckend schnell und effizient dieses arbeitete, hielt Peggy mehrfach in ihrem Tagebuch fest, wobei sie auch anschaulich beschreibt, welche Aufgaben anfielen und wie das tägliche Camp während der Großwildjagd aussah:

It is quite extraordinary to watch our boys erect a small village, cook a dinner, all in the space of an hour. First off the top of the lorry come the two big tents […]. In practically no time at all these are up […]. Each trunk and valise has an accustomed place, so that our room always looks the same and we know where to find things. The cook and his assistants have meanwhile gathered wood, built a fire, and food has been gotten out of the lorries and our sherry and whiskey. Water has been heated […] and I […] have had the warm bath and have changed for dinner.[10]

Larry, Peggy und die Kenianer lernten sich während der beiden Reisen gut kennen, und Peggys Tagebucheinträge belegen, dass sie die Männer mochte und ihnen vertraute. Eine wichtige Voraussetzung dafür war sicherlich, dass die Kenianer aus einer britischen Kolonie stammten und Englisch sprachen. Darüber hinaus verbrachten die Thaws und ihr Personal viel Zeit gemeinsam auf engstem Raum. Das trifft zum Teil auch für die Chauffeure in Europa zu, die sich jedoch in Hotels oder auf den Transatlantikdampfern in abgetrennten Bereichen aufhielten.[11] Die Kenianer lebten dagegen auch in den Zeltlagern oder campten in unmittelbarer Nähe der Hotels. Schließlich hatte zwar der Großwildjäger Major Anderson die Gruppe 1934 in Kenia ausgewählt und sie auch 1936 nach Algier gebracht. Als sogenannter white hunter sollte er eine Führungsrolle gegenüber den einheimischen Helfern einnehmen und verkörperte damit die rassistischen kolonialen Hierarchien.[12] Gerade die Person Andersons führt aber vor Augen, wie instabil diese Position sein konnte. Während der zweiten Reise erkrankte er und musste die Thaws verlassen, die Kenianer allerdings blieben. Schließlich handelte es sich um professionelle Reisebegleiter, die selbst über das nötige Wissen verfügten, wenn sie sich nicht ohnehin besser 249als der Major auskannten.[13] Tatsächlich ist Anderson in »Black ­Majesty« nicht zu sehen, und Larry schnitt sogar seine Aufnahme aus dem Vorspann wieder heraus.[14] Vor diesem Hintergrund ist es umso bemerkenswerter, wie der Film die afrikanischen Bediensteten einführt (Szene 107).

Szene 107 »Black Majesty«, Margaret und Lawrence Thaw, 1936/37, 90 Min., Imperial War Museum.

 

Wie Larry und Peggy werden die Männer mit Vornamen vorgestellt.[15] Im Gegensatz zu den Thaws blicken sie zwar nicht von Anfang an direkt in die Kamera; außerdem sind sie bei der Arbeit zu sehen. Auf eine halbtotale oder halbnahe Einstellung folgt jedoch jeweils eine Nahaufnahme der Gesichter auf Augenhöhe, in der die Kenianer direkt in die Kamera lächeln. Diese Bilder gleichen nun denjenigen der Thaws vollkommen. Im Anschluss daran sieht man Larry und Peggy bei ihrer Ankunft in Algier die gesamte Gruppe mit Handschlag begrüßen (Szene 108).

Szene 108 »Black Majesty«, Margaret und Lawrence Thaw, 1936/37, 90 Min., Imperial War Museum.

 

Die Männer handelten hier sicherlich auf Anweisung, dennoch bewiesen sie aber, dass sie über eigene Medienkompetenz vor der Kamera verfügten. Vergleicht man diese Ausschnitte mit den Aufnahmen der Chauffeure aus den Europafilmen, fällt eine deutliche Diskrepanz auf. Diese vermieden es immer, in die Kamera zu sehen, die Drehsituationen waren ihnen offenbar unangenehm und sie wussten nicht, wie sie sich verhalten sollten. Als Teil einer Dienstleistung waren bis auf Kite außerdem ihre Namen bedeutungslos und sie erschienen austauschbar. Die Afrikaner dagegen traten im Vorspann als beinahe gleichwertige Hauptdarsteller auf. Weniger elaboriert, aber dennoch mit einer ähnlichen Stoßrichtung und recht ausführlich, führte bereits »From Cairo to Cape« die Kenianer zwei Jahre zuvor ein (Szene 109).

Szene 109 »From Cairo to Cape«, Margaret und Lawrence Thaw, 1935, 120 Min., Imperial War Museum.

 

In »From Cairo to Cape« sowie in »Black Majesty« findet sich eine Reihe von Aufnahmen, in denen die Bediensteten kochen, Zelte aufstellen, Autos beladen oder die Thaws sogar über einen Fluss tragen. Vor allem letztere visualisierten die unterlegene Stellung der Kenianer und schrieben sie zugleich fest (Abb. 40).

 

Abb. 40 Larrys und Peggys kenianische Bedienstete in »From Cairo to Cape«, 1935, und »Black Majesty«, 1937, Imperial War Museum.

 

Nichtsdestotrotz drehten Larry und Thomas Hogan aber auch bewusst Bilder, die auf ein gutes Miteinander zwischen Arbeitgebern und Dienstpersonal abzielten. Im Winter 1936 inszenierten sie beispielsweise, wie Peggy die Männer zu Weihnachten beschenkt (Szene 110).

Szene 110 »Black Majesty«, Margaret und Lawrence Thaw, 1936/37, 90 Min., Imperial War Museum.

 

Diesen Akt der Zuwendung im Weihnachtskontext zu verorten und auch noch Peggys festlich geschmückte Palme zu filmen, sug250gerierte freilich, die Thaws brächten zivilisatorische Werte und christliche Traditionen in den Dschungel, die ihren Bediensteten fremd seien. Zugleich aktualisierten und produzierten Larry und Peggy mit den Geschenken und dem Film das hierarchische Verhältnis zu ihrem Personal, indem sie sich einerseits demonstrativ um die Kenianer kümmerten, sie damit aber andererseits zu Treue und Loyalität verpflichteten.[16] Allerdings zeigt sich auch in dieser Szene die Medienkompetenz der Männer, die problemlos ›mitspielten‹. Man muss sogar noch einen Schritt weitergehen und festhalten, dass diese Inszenierung herrschaft­licher Güte und Fürsorge ohne die Aufführung der Afrikaner gar nicht funktioniert hätte.

Ebenso waren die Thaws bereits 1934 auf die Mithilfe ihres Personals angewiesen. Als Peggy einen Löwen erlegt hatte, nahmen die Kenianer sie auf ihre Schultern und tanzten mit ihr durch das Lager (Szene 111).

Szene 111 »Black Majesty«, Margaret und Lawrence Thaw, 1936/37, 90 Min., Imperial War Museum.

 

 

Dabei handelte es sich keineswegs um eine spontane Zuneigungs- und Respektbekundung. Vielmehr hatte sich dieses Verhalten bei afrikanischen Bediensteten als Standard nach einer erfolgreichen Löwenjagd etabliert; ebenso zum Standard gehörte aber auch, 251dass der/die Jäger/in für den Jubel Geld bezahlte.[17] Um den scheinbaren Freudentaumel auf Film festzuhalten, musste darüber hinaus alles abgesprochen werden, und die Männer durften sich mit Peggy nur im Sichtfeld der Kamera bewegen.

 

Neben diesen gestellten Aufnahmen gibt es schließlich auch Szenen in den Afrikafilmen, in denen die Thaws offenbar spontan Wert darauf legten, gemeinsam mit ihren Bediensteten aufzutreten. In »From Cairo to Cape« etwa sind Larry oder Peggy nach einer erfolgreichen Jagd oftmals mit ihrem jeweiligen Gewehrträger und der Beute zu sehen. Den Kenianern kam dabei meist die Aufgabe zu, die erlegten Tiere für die Kamera aufzurichten. In einem Ausschnitt fordert Peggy ihren Träger jedoch dazu auf, sich zentraler im Bild zu positionieren (Szene 112). So stehen sie schließlich nebeneinander und lächeln direkt in die Kamera, während beide ein Gewehr in den Händen halten. Die Kamera schuf hier eine Kontaktzone, die zumindest für den Moment eine vertraute und symmetrische Beziehung herstellte.

Szene 112 »From Cairo to Cape«, Margaret und Lawrence Thaw, 1935, 120 Min., Imperial War Museum.

 

Vor diesem Hintergrund erweisen sich die Duschszenen nicht nur als Aufnahmen, die körperliche Reinlichkeit verhandeln und ethnische Unterschiede herstellen. Zugleich inszenieren sie auch eine auf Intimität beruhende Verbindung zwischen Peggy und ihren beiden Helfern, unterstützten diese Peggy doch bei einer Handlung, die normalerweise alleine und im privaten Badezimmer stattgefunden hätte. Gerade im Zusammenhang mit Körperlichkeit scheint die Beziehung zwischen Peggy und ihrem personal boy Kombo eine intime Dimension gehabt zu haben, die die Hierarchien zwischen Dienstgeberin und Dienstnehmer sowie die ethnischen Grenzziehungen unterlief. In ihrem Tagebuch hielt Peggy fest, dass sich Kombo beispielsweise um ihr Aussehen sorgte: »After dinner Kombo brought me my makeup box and setting it before me said ›Memsahib, you put face‹ this with gestures of powdering the nose. We all shouted with laughter and I said ›Do I need it as much as that?‹ and looking in the mirror agreed he was right. But he is getting a bit of a tyrant in his funny stupid way.«[18] Darüber hinaus kümmerte er sich auch um ihre Gesundheit: »Kombo spoiled my rest by appearing with a grim looking bottle on which was written muscle, bone and blood builder for man or beast and said ›Memsahib, you forget to take medicine‹ and with a wry face I dutifully choked down a spoon full.«[19] Peggy mag diese Begebenheiten erfunden oder nur festgehalten haben, um klischeehafte Anekdoten erzählen zu können. Dennoch ließ sie dabei aber den Kenianer in ihrem Tagebuch selbst zu Wort kommen.

Erstaunlicherweise unterschieden sich die Filme von Osa und Martin Johnson in dieser Hinsicht deutlich von denjenigen der Thaws. Obwohl die Johnsons in ihrer Wohnsiedlung am Lake Paradise in Kenia ein Heer von Einheimischen beschäftig252ten, waren diese in ihren Filmen kaum sichtbar. In den seltenen Aufnahmen inszenierten sie ihr Personal darüber hinaus nicht einfach, wie es seine Pflichten erfüllte, sondern wie ihm die Arbeit misslang (Szene 113). Am Anfang von »Simba« beispielsweise folgt Osa eine mit toten Vögeln beladene junge Frau. Als eines der Tiere zu Boden fällt, weist Osa ihre Begleiterin, ärgerlich mit ihrem Gewehr gestikulierend, zurecht.

Szene 113 »Simba«, R: Osa und Martin Johnson, USA 1928, 109 Min., Osa and Martin Johnson Museum.

 

In ihren zahlreichen Zeitungsartikeln beschreibt Osa ihre afrikanischen ›Dienstmädchen‹ oder Köche zwar als loyale Helfer/innen, zugleich betont sie jedoch stets die Fehler, die ihr Hauspersonal machte, bevor sie ihm erklärte, wie man etwa den Backofen oder ein Stück Seife richtig benutzte.[20] Warum wählten die Thaws nun im Zusammenhang mit ihren Bediensteten eine andere Visualisierungsstrategie als die Johnsons? Die Johnsons verkörperten traditionelle Geschlechterrollen, und insbesondere Osa stellte für die Filme eine liebende und sorgende Hausfrau dar. Dieses Bild wäre ins Wanken geraten, hätte eine andere Person vor der Kamera ihre häuslichen Pflichten erledigt. Als High Society-Paar kam es dagegen für Larry und Peggy nicht in Frage, tatsächlich oder auch nur für die Filme Hausarbeiten zu übernehmen. Die High Society prägte hier nicht nur die Geschlechterperformances der Thaws, sondern damit verwoben auch das Verhältnis zu ihrem Dienstpersonal. Entscheidend dürfte nicht zuletzt gewesen sein, dass die Kenianer zu einem Großteil die körperliche Reinlichkeit der Thaws gewährleisteten, indem sie kochten, Wäsche wuschen und die Badevorrichtungen bedienten. Darauf zielt auch die Vorstellung der Expeditionsteilnehmer/in in »Black Majesty« ab, zeigt sie neben dem Automechaniker und dem Gewehrträger doch auch drei Männer mit einer faltbaren Badewanne, einem Bügeleisen und Kochgeschirr.

»Trader Horn« dagegen dürfte im Zusammenhang mit den Bediensteten eine wichtige Vorbildfunktion für die Thaws gehabt haben. Der Elfenbeinhändler und sein Gewehrträger Rencharo stehen sich im Film sehr nahe. Rencharo bedient einerseits das Stereotyp des loyalen Dieners und folgt Horn etwa gegen dessen Willen, um sich gemeinsam mit seinem Herrn Gefahren zu stellen. Hier galt das Motto: »You die then me die«.[21] Als er dann tatsächlich tödlich verwundet in Horns Armen stirbt, ist es aber Rencharo, der das hierarchische Verhältnis aufhebt und seinen Herren »my brother« nennt.[22] Am Ende des Films erscheint dem trauernden Horn sogar das lächelnde Antlitz des Verstorbenen am Himmel über den Weiten Afrikas. Auch dieses gute Verhältnis beruht, so demonstriert der Film, auf körperlicher und emotionaler Intimität: In einer recht frühen Szene entfernt Rencharo seinem Herrn einen Splitter unter dem Zehennagel, was die Kamera in einer Großaufnahme fest253hält (Szene 114). Der Gewehrträger, so erläutert Horn dabei, sei für ihn »half bulldog, half watchful mother«.[23]

Szene 114 »Trader Horn«, R: Woody Van Dyke, USA 1931, 120 Min., Metro-Goldwyn-Mayer.

 

Sowohl in den Filmen der Thaws als auch in »Trader Horn« schufen die Aufnahmen von afrikanischen Bediensteten ein spannungsvolles Wechselspiel aus Nähe und Distanz, das zumindest das Potenzial hatte, die binäre Unterscheidung zwischen dienenden Afrikanern und befehlenden weißen Amerikanern zu unterlaufen.

Neben diesen Bildern der täglichen Aufgaben und des Zusammenlebens von afrikanischem Personal und Arbeitgeber/inne/n gab es die klassische Aufnahme von einheimischen Bediensteten schlechthin, die in keinem Afrikafilm der 1930er Jahre fehlen durfte: die sogenannte porter safari. Hier waren typischerweise lange Reihen von Afrikanern zu sehen, die hintereinander durch den Dschungel gingen und allerlei Gepäck von weißen Jagd- oder Expeditionsteilnehmer/inne/n trugen. Diese Szenen waren zumeist nicht handlungstragend für den Plot, sie standen vielmehr sinnbildlich für die Safari in Afrika und brachten zugleich die Machtasymmetrie zwischen Kolonisierten und Kolonisierenden optisch auf den Punkt. Bemerkenswerterweise ersetzte in den 1930er Jahren zwar zunehmend das Auto die menschlichen Träger; so kam man schließlich wesentlich schneller und bequemer voran.[24] Nichtsdestotrotz hielten die Filme aber an den ikonischen Safariszenen fest. In »Trader Horn« etwa finden sich mehrere dieser Aufnahmen, die kaum zur Handlung beitragen, aber dennoch außergewöhnlich lang sind (Szene 115).

Szene 115 »Trader Horn«, R: Woody Van Dyke, USA 1931, 120 Min., Metro-Goldwyn-Mayer.

 

Ebenso wenig kamen »Tarzan the Ape Man« oder die Filme der Johnsons ohne die langen Reihen der Träger aus. So überrascht es nicht, dass auch die Thaws 1934/35 ähnliche Szenen für »From Cairo to Cape« drehten. Für eine Elefantenjagd heuerten sie fünfzig Afrikaner an, die sie tatsächlich brauchten, um ihr Gepäck zu transportieren, als sie die Elefanten über mehrere Tage durch die Wildnis verfolgten (Szene 116).[25] Die Träger beförderten jedoch nicht nur Koffer und Kisten, sondern auch Peggy auf einem tragbaren Stuhl – ein Bild, das die angebliche weiße Superiorität umso deutlicher in einer Einteilung von oben und unten visualisierte. Indem Larry zudem die Träger einmal an der Kamera vorbeigehen ließ und dann die stehenden aufgereihten Männer mit einem langen Rechtsschwenk aufnahm, hob er die Größe der Gruppe hervor, die, so suggeriert es der Film, nur dazu da war, den Thaws zu dienen.

Szene 116 »From Cairo to Cape«, Margaret und Lawrence Thaw, 1935, 120 Min., Imperial War Museum.

 

Während ihrer zweiten Afrikareise 1936/37 bewegten sich die Thaws ausschließlich mit ihren Autos fort. Thomas Hogan stellte eine entsprechende porter safari-Szene deshalb eigens in der Nähe der Stadt Kribi nach. Zu diesem Zeitpunkt war 254Larry unterwegs in die nächste größere Stadt, um Ersatzteile für eines der Autos zu besorgen, sodass nur Peggy als Protagonistin auftreten konnte. In ihrem Tagebuch beschreibt sie den Filmdreh und gibt noch einmal einen Einblick in das Authentizitätsverständnis des Kameramanns:

Yesterday Tom wanted to film what he calls a ›safari sequence‹, a picture of native porters carrying loads on their heads through the jungle and over streams etc. […] For Tom insists that the kind of shot shall be staged with perfect lightening instead of photographing us when we are actually trekking when the light might be wrong etc. He says the most natural looking pictures are always those which are carefully staged and rehearsed. So six times we crossed the river.[26]

Die rund zweiminütige Szene zielt mit einer Kombination aus Nahaufnahmen und weiten Einstellungen ebenfalls auf die große Anzahl der Träger ab (Szene 117). Die Nahaufnahmen der nackten Oberkörper der Träger inszenierten zudem deren angebliche Unzivilisiertheit und machten zugleich die körperliche Anstrengung besonders gut sichtbar.

Szene 117 »Black Majesty«, Margaret und Lawrence Thaw, 1936/37, 90 Min., Imperial War Museum.

 

Was auf den ersten Blick klare Hierarchien abbildet – halbnackte Afrikaner schleppen Koffer, einen Kühlschrank und eine weiße Frau durch den Urwald –, erwies sich beim Dreh selbst als kompliziert und konflikthaft. Der Gouverneur von Kribi hatte Peggy einen einheimischen Soldaten zur Seite gestellt, der rund fünfzig Männer fand, die die Lastenträger darstellen sollten. Diese arbeiteten allerdings auf einer Kakaoplantage und verdienten verhältnismäßig viel Geld, sodass sie Peggy und Thomas Hogan gegenüber recht selbstbewusst auftraten und ihren Eigen-Sinn bewiesen.[27] Als der Kameramann verlangte, dass sie ihre Kleidung auszögen, um primitiver – und in seinen Augen authentischer – zu wirken, weigerten sie sich mit der Begründung, sie seien keine »naigres [!]«[28] Erst nachdem der Soldat einschritt, zogen sie sich aus und ließen sich filmen. Später am Tag überbrachten jedoch zwei der Männer Peggy einen Brief des lokalen Häuptlings, der sie in holprigem Französisch aufforderte, seine Männer nicht nackt zu filmen, sie seien schließlich keine Affen: »Que mes types me dissent vous voulez les photographier en corps sans les vêtements. Je vous prie de les laissé [!] puisqu’ils ne sont pas les singes pour les prendre en corps dans le photo«.[29] Peggy fand die Situation so kurios, dass sie den gesamten Brief in ihr Tagebuch übertrug. Außerdem fuhr sie nach Kribi, wo sie dem Gouverneur von dem Vorfall berichtete, der wiederum den Chief zurechtwies. 255Als der Dreh am nächsten Tag weiterging, zogen sich die Männer nun ohne Protest aus und spielten ihre Rollen.[30]

Diese Begebenheit ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Erstens wussten die Lastenträger, was ein Film oder zumindest eine Fotografie war, und wollten dort nicht nackt abgebildet werden. Eine bestimmte Darstellungsweise abzulehnen, zeugt ebenso von Medienkompetenz wie ein gekonnter Auftritt. Die Bediensteten der Thaws wiederum, die ebenfalls mitspielten, durften ihre Kleidung anbehalten; sie waren dafür zuständig, einen Weg durchs Dickicht zu schlagen. Sieht man genau hin, erkennt man, dass die Kenianer in der Szene lachen, wussten sie doch, dass sie gefilmt wurden und alles nur gestellt war. Darüber hinaus berichtete Peggy mehrfach in ihren Tagebüchern, dass sich die Bediensteten der Thaws aufgrund ihrer Kleidung etwa den nackten Kongobewohner/inne/n überlegen fühlten.[31] In dieser Szene dürften sie sich aber wohl auch aufgrund ihres geübteren Umgangs mit der Kamera in einer dominanten Position gesehen haben.

Zweitens zeigt sich erneut, dass die Grenzen hier nicht binär zwischen Afrika und dem Westen, zwischen zivilisiert und rückständig verliefen. Die Lastenträger und die Bediensteten der Thaws verorteten sich vielmehr in einem Spektrum, das gerade nicht in einer simplen Schwarz-Weiß-Dichotomie aufging. Drittens handelt es sich um den seltenen Fall, dass die widerständigen Stimmen afrikanischer Bediensteter tatsächlich überliefert sind. Indem Peggy den Brief abschrieb, gestand sie ihm und seinem Verfasser Bedeutung und Handlungsmacht zu. Der Stammesanführer hatte außerdem die Sprache der Kolonisierenden gelernt und nutzte sie dazu, seinen Unwillen auszudrücken. Freilich saß Peggy aber am längeren Hebel und konnte auf die Unterstützung der Kolonialverwaltung zählen. Dennoch nahm sie die Situation als ein Kräftemessen ernst. Nachdem sie Larry unterstellt hatte, als Regisseur bei den Drehs Gott zu spielen, schrieb sie nun in ihr Tagebuch: »I can hardly wait for Larry to return so I can boast that I too have been playing god.«[32] Auch wenn der fertige Film viertens das widerständige Verhalten der afrikanischen Träger rundweg unterschlägt, muss doch betont werden, dass er Ungleichheit nicht einfach dokumentierte, sondern in einem Aushandlungsprozess erst herstellte.

Einerseits ist es überraschend, wie ermächtigend die Aufnahmen der Kenianer oftmals sind und beide Filme ein ambivalentes Bild der Bediensteten zeichnen. Andererseits wollten Larry und Peggy nicht auf die entwürdigenden Darstellungen von Trägern verzichten, was noch einmal die prägende Wirkung der zeitgenössischen Afrikafilme vor Augen führt. Tatsächlich hielten die Thaws und ihr Kameramann 256die porter safari-Szenen für so zentral, dass sie diese für den Vorspann von »From Cairo to Cape« wie auch von »Black Majesty« verwendeten und damit den kolonialen Blick als dominante Perspektive auf das übrige Filmmaterial vorgaben (Abb. 41).

Abb. 41 Standbilder aus dem Vorspann von »From Cairo to Cape«, 1935, und »Black Majesty«, 1937, Imperial War Museum.