1312.3. Camera! Action! - Filmische Interaktionen
Wie man sich vor einer Fotokamera verhalten musste und Körper, Kleidung und Accessoires in Szene setzte, wusste Peggy bereits, als sie 1924 ihre Hochzeits-Filmreise antrat. Vor einer Filmkamera kam es allerdings nicht darauf an, eine statische Pose einzunehmen, hier galt es stattdessen, den eigenen Körper in Bewegung zu präsentieren, eine kurze Handlung aufzuführen und dabei innerhalb des Kamerasichtfeldes zu bleiben. Die Europafilme bieten sich besonders an, um diese spezifische Medienkompetenz in den Blick zu nehmen, denn hier traten viele unterschiedliche Akteure auf: Anhand von Peggy, Larry, den Freund/inn/en des Paares, Peggys Eltern und Söhnen sowie den Haustieren der Thaws lässt sich zeigen, wie bestimmte Praktiken erlernt oder zumindest angestoßen werden konnten. Hier soll ein analytisches Instrumentarium vorgestellt werden, mit dem sich die Amateurfilme untersuchen lassen und das die Materialität, Visualität und Performativität der Quellen hervorhebt. Die Gefilmten waren dabei stets in eine Interaktion mit dem Filmenden eingebunden und agierten in einem Spannungsfeld aus Ermächtigung und Entmächtigung – zwischen freiwilliger und unfreiwilliger Sichtbarkeit. Die Frage von Handlungsmacht und Medienkompetenz beschränkt sich jedoch nicht auf die Amateurfilme, sondern ist ebenso zentral im Kontext der späteren Afrika- und Indienfilme, als zunehmend Angehörige anderer Ethnien in den Fokus rückten.
Peggy
In den Europafilmen war Peggy überwiegend alleine oder mit amerikanischen Freund/inn/en zu sehen. Betrachtet man Peggy über den Zeitraum von acht Jahren, 132werden unterschiedliche Verhaltensweisen vor der Kamera sichtbar, die von einem selbstbewussten Auftritt bis zur vollkommenen Verweigerung reichen. Die Filme stehen dabei nicht isoliert für sich, sondern in einem engen Zusammenhang mit Peggys High Society-Karriere. Unterscheiden lassen sich zwei Gruppen: die Szenen, in denen Peggy kooperierte, und diejenigen, in denen sie gegen ihren Willen gefilmt wurde oder sich zumindest gespielt widerwillig gebärdete. Im Folgenden sollen zum einen die visuelle Dimension der Filme über die Kameraeinstellungen und -perspektiven, der Raum vor der Kamera und die Blickbeziehungen beleuchtet werden. Zum anderen eröffnen Erving Goffmans Arbeiten einen Ansatzpunkt, um die filmischen Interaktionen zu analysieren.
Wenn Peggy freiwillig solo auftrat, führte sie meist ein Repertoire von kleinen Handlungen für die Kamera auf, die den Verlauf der Szene konstituierten. Beispielhaft dafür ist die Frühstücksszene im ersten Film, in der Peggy in der Zeitung blätterte, mit dem Geschirr hantierte, ihren Ehering vorzeigte und immer wieder lächelnd direkt in die Kamera blickte (vgl. Szene 6). Ähnlich zeigte sie sich etwa 1924 bei der Überfahrt nach Europa, wo sie für die Kamera den Kopf drehte, lächelte und eine kleine Grimasse zog (Szene 15) oder 1927 am Strand von Deauville entlang ging (Szene 16). Entscheidend waren, so wird bereits hier deutlich, Bewegungen.