Form 39
Flasche mit birnenförmigem Gefäßkörper und langem Hals  

Form 39a Flasche mittlerer Größe

Vgl. Form Isings 101; Trier 79a

Kat. 171 Flasche, Inv. 67,1034

Grab 114

H. 14,8 cm.

Glas grünlich. Schlieren. Freigeblasen.

Birnenförmiger Gefäßkörper. Boden nach innen hoch gestochen. Langer, enger Hals, unten eingeschnürt. Rand nach außen gebogen und knapp wieder zurückgefaltet.

Teil des Randes verloren.

Lit.: unpubliziert.

Abb. 225. Form 39a. Kat. 171. Inv. 67,1034.
Abb. 225. Form 39a. Kat. 171. Inv. 67,1034. M. 1:2.

Form 39b Grosse Flasche

Vgl. Form Morin-Jean 26; Nida Nr. 27

Kat. 172 Flasche, Inv. L 418

Grab 57

H. 21,3 cm.

Glas farblos. Freigeblasen.

Birnenförmiger Gefäßkörper. Boden kegelförmig nach innen gestochen. Zylindrischer Hals, unten eingeschnürt. Rand horizontal nach außen gebogen und wieder zurückgefaltet. Auf der Randoberseite Eindrücke eines Werkzeuges.

Aus Bruchstücken zusammengesetzt, unvollständig.

Lit.: Hagen 1906, 410–411, Taf. 24 Abb. 39f–g[731].

Abb. 226. Form 39b. Kat. 172. Inv. L 418.
Abb. 226. Form 39b. Kat. 172. Inv. L 418.
Abb. 227. Form 39b. Kat. 172. Inv. L 418. M. 1:2.

Kat. 173 Flasche, Inv. L 419; verloren

Grab 57

H. noch 14 cm.

Glas und Form wie Inv. L 418.

„Hals und Mündung abgebrochen“ (Inventarbuch).

Lit.: Hagen 1906, 410 f. Taf. 24 Abb. 39f–g.

Kat. 174 Flasche, Inv. L 685

Grab 50

H. noch 12 cm.

Glas farblos, dickwandig. Freigeblasen.

Birnenförmiger Gefäßkörper mit Ansatz des eingeschnürten Halses. Boden kegelförmig nach innen gestochen.

Hals mit Rand verloren.

Lit.: Hagen 1906, 409 Taf. 24 Abb. 38e (Form zeichnerisch ergänzt).

Abb. 228. Form 39b. Kat. 174. Inv. L 685.
Abb. 228. Form 39b. Kat. 174. Inv. L 685. M. 1:2.

Grabtypus und Fundlage: Die Gräber 57 und 50 sind Brandbestattungen. Die Glasbeigaben Kat. 172, Kat. 173 und Kat. 174 fanden sich innerhalb von Steinkisten. In Grab 114 war ein Kind beigesetzt; Kat. 171 lag bei seinen Füssen.

Form und Technik: Die freigeblasenen Flaschen Form 39 a–b haben einen birnenförmigen Gefäßkörper, der durch Einschnürung vom Hals abgesetzt ist. Der Boden ist zu einem spitzen oder stumpfen Kegel nach innen gestochen. Verwandt sind die Formen Isings 101 und Trier 79a, die meist ohne Einschnürung sind. Abgesehen von der Flaschengrösse unterscheiden sich die Formvarianten 39 vor allem in der Randgestaltung.

Bei Kat. 171 der Form 39a und vergleichbaren Kölner Funden ist der Rand nach außen gebogen und nur knapp wieder zurückgefaltet. Die Gefäße bestehen aus relativ dünnwandigem Glas. Die Flaschen der großen Formvariante 39b von der Luxemburger Straße sind dickwandiger und haben häufig einen breiten Rand. Zu den Beispielen zählt ein blaugrünes Exemplar von der Greinstraße/Luxemburger Straße mit einem ausgebogenen und horizontal wieder nach innen gefalteten Rand[732]. Bei Kat. 172 sind Vertiefungen in die Oberseite des Rands rund um die Mündung gesetzt. Da auf der Unterseite keine Werkzeugspuren vorhanden sind, scheint sich der Glasbläser keiner Formzange bedient zu haben. Auch bei einem Gefäß von der Aachener Straße/Richard Strauß-Straße wurde der Rand mittels eines unbestimmten Werkzeugs bearbeitet[733]. Für andere Gläser der Form 39b müssen ‚Stempel‘ verwendet worden sein. Dies lässt eine Flasche aus dem Friedhof von St. Severin schließen, die bis auf den Hals mit Rand verloren ist[734]. Er trägt die Buchstaben HM-MC-CH-MC, die von unterschiedlicher Größe sind und in keine formale Ordnung gebracht sind. Da sie auf dem Flaschenrand erhaben erscheinen, müssen sie aus ‚Stempeln‘ mit eingetieften Buchstaben stammen und einzeln eingedrückt worden sein. Eine weitere Flasche mit Stempelung lag in einem Steinsarg in Praunheim vermutlich vom Ende des 2. oder Anfang des 3. Jahrhunderts[735]. Auf dem Rand sind die erhabenen Buchstaben O-R getrennt durch ein Efeublatt zu sehen. Randstempelung ist auch bei einem gallischen Glasfund belegt. Im Museum von Saint-Germain-en-Laye befindet sich eine Flasche aus grünem Glas, die in Abbeville (Aisne oder Somme, F) gefunden wurde und in die Sammlung Jumel, Amiens gelangte[736]. Der Rand zeigt innerhalb eines gekerbten Kreises neun Buchstaben, die vermutlich IMPERATOR zu lesen sind. Eine schlüssige Deutung der Inschriften ist bisher nicht gelungen.

Verwendung und Gefäßkombination: Die Gläser Kat. 171, Kat. 172 und Kat. 174 sind ohne Gefäßinhalt erhalten. In Grab 57 fanden sich mit Kat. 172 und Kat. 173 ursprünglich zwei gleiche Flaschen. In einem Steinsarg an der Aachener Straße lagen sogar vier Exemplare. Gläser der Form 39 wurden demnach auch sonst in mehrfacher Ausführung ins Grab gegeben. P. La Baume berichtet, daß bei der Auffindung des Sarkophags ein Gefäß mit einer gelben wachsartigen Masse und zwei mit einer rötlichen Masse gefüllt waren[737]. In einer der Flaschen, die mit einem Holzstopfen verschlossen ist, sind Salbenrückstände noch vorhanden[738]. Bei einem Exemplar aus dem Sarkophag von Rheinbach-Flerzheim war ein Verschluß aus Pflanzenfasern eingesetzt. In der Flüssigkeit wurde ein Anteil von Olivenöl festgestellt, das vermutlich mit Duftstoffen angereichert als Salböl diente[739]. Auch eine Flasche aus Grab 141 an der Jakobstraße in Köln wurde untersucht und ihre Inhaltsreste als Most oder junger Wein bestimmt[740]. Gefäße der Form 39 wurden also in verschiedenen Bereichen verwendet und dienten nicht ausschließlich als Salbflaschen.

Datierung: Grab 50 mit Flasche Kat. 174 wird durch Münzfunde sicher nach 180/183 n. Chr. datiert und dürfte am Ende des 2. oder in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts angelegt worden sein. Grab 57 mit Kat. 172 ist in die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts datierbar. Das Exemplar Kat. 171 der Form 39a stammt aus Grab 114 der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts.

Weitere Flaschen der Form 39 aus Friedhöfen der CCAA sind fundgesichert. Der Sarkophag von der Aachener Straße/Melatengürtel[741], der vier große Exemplare enthielt, ist durch die Beigabe einer abgegriffenen Münze nach 218/222 n. Chr. datiert[742]. Die Flaschen aus dünnem, grünlichen Glas haben einen ballonartigen Gefäßkörper mit kegelförmig hochgetriebenem Boden und einen schmalen Rand. Am Höninger Weg lag ein Gefäß mit tief eingestochenen Boden in einem Sarkophag, für den Münzen einen terminus post quem von 223 n. Chr. liefern. Wahrscheinlich ist das Glas in der zweiten Jahrhunderthälfte als Beigabe verwendet worden[743]. Ein Körpergrab an der Bonner/Sechtemer Straße mit einer Flasche wird durch eine Münze nach 244/249 n. Chr. datiert[744]. Im Friedhof an der Jakobstraße wurden drei Exemplare ausgegraben: Die Gläser aus Grab 141 und 187 sind nach U. Friedhoff im Zeitraum von der Mitte des 2. bis zur Mitte des 3. Jahrhunderts in den Boden gekommen; Grab 45 mit dem dritten Beispiel setzt er nach der Mitte des 3. Jahrhunderts an[745]. Die ältesten Flaschen der Form 39 im Kölner Fundmaterial stammen somit aus dem 3. Jahrhundert. Im 1. Jahrhundert, in das F. Fremersdorf das Exemplar aus Grab 45 der Jakobstraße datiert hatte, ist die Form noch nicht nachweisbar[746].

Die Chronologie der birnenförmigen Flaschen läßt sich durch weitere fundgesicherte Beispiele stützen. Ein Körpergrab in Neuss mit einem Exemplar wird von G. Müller der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts zugewiesen[747]. Eine Flasche mit hochgestochenem Boden lag in einem Sarkophag aus Rheinbach-
Flerzheim[748]. Er enthielt Münzprägungen bis 160/180 n. Chr., wurde aber nach den übrigen Beigaben erst im letzten Viertel des 3. Jahrhunderts beigesetzt. In Dorweiler entdeckte man drei birnenförmige Gefäße aus dünnwandigem grünlichem Glas in einem Sarkophag, den W. Haberey um die Mitte des 4. Jahrhunderts angesetzt hat. Nach den übrigen Funden, u. a. ein Messerfutteral in opus interrasile-Technik, könnte die Bestattung bereits in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts erfolgt sein[749].