Form 67
Flasche mit traubenförmigem Gefäßkörper und Standplatte  

Vgl. Form Isings 91b

Kat. 254 Flasche, Inv. Glas 530

Grab 116

H. mit Henkeln 20,5 cm.

Glas grünlich, dickwandig. Zweiteilige Halbform.

Gefäßkörper in Traubenform mit kräftig ausgebildeten Beeren aus der Form. Auf dem Gefäßkörper und am Hals unten plastische Formnähte. Am Gefäßboden ansitzend runder Knauf und scheibenförmige Standplatte, ihr Rand nach unten gebogen. Standplatte auf der Unterseite in der Mitte hochgestochen; Heftnarbe. Hoher, zylindrischer Hals. Rand schräg nach außen gebogen und verrundet. Unter dem Rand sowie um den Hals ein sich verjüngender Faden in elf Windungen spiralig umlaufend. Zwei Rundstabhenkel zunächst auf die Schulter aufgesetzt, dann am Rand befestigt und die oberen Enden zu hochstehenden Schlaufen am Rand eingerollt. Unteres Henkelende mit der Zange flach gedrückt und zungenförmig nach außen gezogen.

Lit.: Kisa 1896, 52 Taf. 2,1. – Isings 1957, 109. – Fremersdorf, Geformtes Glas 73 Taf. 153. – La Baume 1965, 77 ff. Abb. 24. – Doppelfeld 1966, 46 Taf. 49. – Römische Kunst und Kultur 159 Nr. 317.

Abb. 327. Form 67. Kat. 254. Inv. Glas 530.
Abb. 329. Form 67. Seitenansicht von Kat. 254. Inv. Glas 530.
Abb. 327. Form 67. Kat. 254. Inv. Glas 530. M. 1:2.

Kat. 255 Flasche, Inv. Glas 531

Grab 116

H. mit Henkeln 19,6 cm.

Glas grünlich, dickwandig. Zweiteilige Halbform.

Traubenförmiger Gefäßkörper mit Knauf und Standplatte wie Kat. 254. Am Gefäßkörper und am Hals unten kräftige Formnähte. Auf dem Hals ein dünner Faden in vierzehn Windungen umlaufend. Das untere Fadenende tropfenförmig verdickt. Einer der beiden Henkel gelang erst beim zweiten Versuch: die Ansätze des verworfenen und des dann ausgeführten Henkels sitzen auf einer Schulter übereinander.

Oberer Teil des anderen Henkels und die Schlaufe verloren und mit Kunststoff ergänzt.

Lit.: Kisa 1896, 52. – Isings 1957, 109. – Fremersdorf, Geformtes Glas 72 Taf. 152. – Römer am Rhein 270 Nr. D 79.

Abb. 328. Form 67. Kat. 255. Inv. Glas 531.
Abb. 330. Form 67. Seitenansicht von Kat. 255. Inv. Glas 531.
Abb. 328. Form 67. Kat. 255. Inv. Glas 531. M. 1:2.
Abb. 331. Flasche aus Köln. New York, The Metropolitan Museum of Art, Gift of J. Pierpont Morgan (17.194.231).

Form 67 ohne Fundzusammenhang: Fremersdorf, Geformtes Glas 71 Taf. 145; 70 Taf. 142. – Fremersdorf 1965/66, 35 Taf. 18,2[1002].

Grabtypus und Fundlage: Grab 116 war mit einem heute verlorenen Sandsteinsarkophag ausgestattet. Die beiden Traubenflaschen standen zusammen mit anderen Gläsern außerhalb des Sargs, möglicherweise in einer nicht erkannten Wandnische.

Form und Technik: Der traubenförmige Gefäßkörper wurde mit dem Halsansatz in einer zweiteiligen Halbform geblasen, wobei deutlich sichtbare Formnähte entstanden. Abgesehen vom Hals scheinen auch der Knauf und die Standplatte nicht angesetzt, sondern aus dem Rest des Glaspostens gearbeitet. Der Rand ist mit einem dicken Faden versehen. Der benutzte Model hat wahrscheinlich aus Ton bestanden, in den die kugeligen Beeren auf der Innenseite eingetieft waren. Eine Tonform aus unbekanntem Zusammenhang im RGM Köln wurde als die Hälfte eines zweiteiligen Models für eine kleine Traubenflasche gedeutet[1003]. Auf der Innenseite sind unregelmäßige Rundungen sowie Ritzungen von Fellhaaren oder ähnlichem zu sehen; wahrscheinlich handelt es sich nicht um ein antikes Model. Eine andere Tonform, ehemals in der Slg. Chambon in Macquenoise (B), ist nach neueren Untersuchungen nicht antik[1004]. Bisher sind keine gesicherten römischen Traubenmodel aus den Westprovinzen bekannt.

Verwendung und Gefäßkombination: Die Traubenflaschen zählen zu den ‚Schaugefäßen‘ in Form von Früchten. Neben den kleinen Dattelflaschen sind Gläser in Traubenform in den nordwestlichen Provinzen und Gallien relativ verbreitet[1005]. Grab 116 waren zwei Pendantstücke beigegeben, eine Sitte, die auch durch die Aschenkiste aus Heerlen[1006] und zwei Gräber in Praunheim belegt ist[1007]. Die beiden Flaschen Kat. 254 und Kat. 255 wurden zusammen mit Kat. 256, einer Muschelflasche Form 68, gefunden (Taf. 160161).

Datierung: Kat. 254 und Kat. 255, bisher ins 3. Jahrhundert datiert, wurden mit Resten eines Metallscriniums mit frühchristlicher Darstellung gefunden. Dies spricht dafür, dass der Sarkophag frühestens in der ersten Hälfte oder in der Mitte des 4. Jahrhunderts in den Boden gekommen ist. Im Anschluß an die beiden fundgesicherten Exemplare ist die sehr ähnliche Flasche aus grünlichem Glas, ehemals in der Sammlung Disch in Köln, heute in New York (Abb. 331), in die erste Hälfte bis Mitte des 4. Jahrhunderts einzuordnen[1008]. Eine formale Ähnlichkeit besteht auch zu der blauen Traubenflasche im RGM mit einer Standplatte, opakgelben Schlaufenhenkeln und einem dicken Randfaden[1009]. Gegen die bisherige Datierung ins 3. Jahrhundert spricht abgesehen von der Randbildung die Buntfarbigkeit der Flasche. Eine entsprechende Farbkombination von dunkelblauem Gefäßkörper verziert mit opakweißen und -gelben Fäden zeigen auch kleine Krüge aus einem Grab des 4. Jahrhunderts von der Jakobstraße[1010].

Traubenflaschen kamen auch in Kölner Gräbern der mittleren Kaiserzeit zutage. Das im Krieg zerstörte Exemplar aus St. Severin war aus schwach blaugrünem Glas ohne Standplatte und Henkel gefertigt. Der lange Hals endete in einen einfachen ‚Horizontalrand‘. Die zugehörige Tuffsteinkiste IV,6 enthielt Beigaben des späten 2. bis frühen 3. Jahrhunderts[1011]. Eine einhenklige Traubenflasche aus farblosem Glas wurde 1913 an der Luxemburger Straße ausgegraben[1012]. Auch sie ist ohne Standvorrichtung und nur mit einem einfachen Rand versehen. Zur heute verlorenen übrigen Grabausstattung gehörte u. a. eine „Tonlampe“. Da die Sitte der Lampenbeigabe im 4. Jahrhundert nicht mehr üblich ist und nur noch in Ausnahmen vorkommt, ergibt sich zumindest ein chronologischer Anhaltspunkt.

In Rheinbach-Flerzheim wurde eine Traubenflasche aus farblosem Glas gefunden, die eine Standplatte, zwei Henkel und einen einfachen Rand aufweist[1013]. Die Aschenkiste, die Keramik des Niederbieber-Horizonts und einer Münze von 190/191 n. Chr. enthielt, ist in die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts datierbar. Weitere Traubenflaschen sind aus der Belgica und aus Gallien bekannt, die aus Aschenkisten oder Busta der mittleren Kaiserzeit stammen. Sie bestehen meist aus grünem Glas, haben zwei Henkel, einen einfach gefalteten Rand und sind durchweg ohne Standplatte[1014]. Es scheint, dass Traubenflaschen mit einfachen Rand mehrheitlich aus der mittleren Kaiserzeit stammen und Exemplare mit dicken Randfäden erst im 4. Jahrhundert auftreten.