Form 48
Flasche mit birnenförmigem Gefäßkörper und Standplatte  

Vgl. Form Isings 93; Doppelfeld 1966, 55 Abb. e Form b

Kat. 191 Schlangenfadenflasche, Inv. L 473

Grab 59

H. 16,5 cm.

Glas farblos. Fadenauflage opakblau und opakweiß sowie farblos, einst vergoldet. Vergoldungsreste an den Voluten. Freigeblasen.

Birnenförmiger Gefäßkörper. Stengel und Standplatte angesetzt, auf der Unterseite tiefer Einstich, der bis in den Stengel reicht; Heftnarbe. Hals trichterförmig sich erweiternd. Rand verrundet. Um den Hals ein dünner blauer Faden in fünf bis sechs Windungen aufgelegt; unten am Gefäßkörper ein weiterer blauer Faden in 2½ Windungen umlaufend. Auf der Wandung dazwischen opakblaue Fäden abwechselnd mit opakweißen, die als Wellenmotive von oben nach unten aufgelegt sind. Am oberen Fadenende jeweils ein ‚Blatt‘. Der Faden bei den blauen Auflagen unten zu einer ‚Volute‘ nach rechts eingerollt, bei den weißen in einer Wellenlinie endend. Die Oberfläche der Fäden mit einem Instrument breit gedrückt und gekerbt. Zwischen den buntfarbigen Auflagen je ein dünnerer Faden aus farblosem Glas in kurzen Winkelzügen ‚zinnenmäanderartig‘ von oben nach unten geführt, das obere Ende spiralig eingerollt. Die farblosen Glasfäden ursprünglich vergoldet.

Zusammengesetzt. Fehlstellen mit Kunststoff ergänzt: ein Teil der Wandung mit drei Windungen des opakweißen Fadens sowie zwei der vier farblosen Fadenmuster.

Lit.: Hagen 1906, 406 Taf. 23 Abb. 35d. – Isings 1957, 110. – Fremersdorf, Schlangenfadenglas 45 Taf. 31. – Römer am Rhein 263 Nr. D 40.

Abb. 249. Form 48. Kat. 191. Inv. L 473.
Abb. 248. Form 48. Kat. 191. Inv. L 473. M. 1:2.

Kat. 192 Schlangenfadenflasche, Inv. L 474

Grab 59

H. 12,8 cm.

Glas farblos. Fadenauflage opakblau und opakweiß. Freigeblasen.

Birnenförmiger Gefäßkörper. Stengel und Standplatte angesetzt; Heftnarbe. Hals trichterförmig sich erweiternd. Auf dem Hals ein dünner Fadenring aus opakweißem Glas. Auf der Wandung vier Schlangenfadenmotive aus opakblauem und opakweißen Glas im Farbwechsel aufgelegt. Die Fäden am oberen Ende nach links, am unteren nach rechts zu einer ‚Volute‘ eingerollt. Die Oberfläche der Auflagen teilweise fein gekerbt.

Zusammengesetzt. Etwa ein Viertel der Wandung verloren und ohne die Fadenauflage ergänzt.

Lit.: Hagen 1906, 406 Taf. 23 Abb. 35e[811]. – Isings 1957, 110. – Fremersdorf, Schlangenfadenglas 45 Taf. 30.

Abb. 251. Form 48. Kat. 192. Inv. L 474.
Abb. 250. Form 48. Kat. 192. Inv. L 474. M. 1:2.

Kat. 193 Schlangenfadenflasche, Inv. L 684

Grab 50

H. noch 11,1 cm (ohne die Ergänzungen).

Glas farblos. Fadenauflage opakgelb und opaktürkisblau. Freigeblasen.

Birnenförmiger Gefäßkörper. Hals trichterförmig sich erweiternd. Auf dem Hals ein türkisblauer dünner Faden in fünf Windungen umgelegt. Auf der Wandung vier Motive aus opakgelbem und türkisblauen Fäden im Farbwechsel aufgelegt. Die Wellenfäden oben zu einem ‚Blatt‘ flach gedrückt, unten zu einer einfachen bzw. mehrfachen ‚Volute‘ nach rechts eingerollt.

Zusammengesetzt. Stengel, Standplatte und Rand verloren und ergänzt.

Lit.: Hagen 1906, 409 Taf. 24 Abb. 38i. – Isings 1957, 110. – Fremersdorf, Schlangenfadenglas 46 Taf. 32–33. – Doppelfeld 1966, 57 Taf. 111.

Abb. 253. Form 48. Kat. 193. Inv. L 684.
Abb. 252. Form 48. Kat. 193. Inv. L 684. M. 1:2.

Kat. 194 Flasche, Inv. 69,72.7

Grab 51

H. noch 18,5 cm. Wandstärke 0,5–6,0 mm.

Glas farblos, sehr dünnwandig. Fadenauflage farblos. Freigeblasen.

Birnenförmiger Gefäßkörper. Stengel und Standplatte angesetzt; Heftnarbe. Hals röhrenförmig, relativ eng. Auf der Wandung acht von oben nach unten verlaufende Schlaufen aus dünnen farblosen Fäden. Relief der Fadenauflage im oberen Wandungsteil stärker als im unteren.

Zusammengesetzt. Fehlstellen. Rand verloren.

Lit.: Doppelfeld 1970, 18 Nr. 7.

Abb. 254. Form 48. Kat. 194. Inv. 69,72.7.
Abb. 254. Form 48. Kat. 194. Inv. 69,72.7. M. 1:2.
Abb. 255. Flasche aus Köln. Barcelona, Slg. Amatller.

Form 48 ohne Grabzusammenhang: Slg Niessen 1911, 114 Taf. 9. 42. – Fremersdorf, Schlangenfadenglas 48 Taf. 40–41. – Römer am Rhein 263 Nr. D 41 Farbtaf. 9 oben.

Grabtypus und Fundlage: Die Flaschen stammen aus Brandbestattungen in Steinkisten. In Grab 59 standen die beiden Exemplare Kat. 191 und Kat. 192 zusammen in einer der beiden Kistenfächer. Bei Grab 51 war die Flasche Kat. 194 neben der Steinkiste aufgestellt. Die Beigaben von Schmuck bzw. von einem Glasspiegel in den Gräbern 50 und 59 lassen auf weibliche Personen schließen.

Form und Technik: Die Flaschen haben einen birnenförmigen Gefäßkörper mit angesetzter Standplatte. Die Verzierung besteht aus farblosen, opakweißen und -blauen Fäden, die offenbar freihändig aufgelegt sind. Die türkisblaue Auflage von Kat. 191 unterscheidet sich vom Blau der übrigen Fadengläser im Grab, die das typische ‚Kornblumenblau‘ Kölner Schlangenfäden zeigen. Die Motive des Dekors der Flaschen Form 48 sind auch auf anderen Glasformen belegt. So entspricht die Verzierung von Kat. 192 und Kat. 193 dem ‚Dekor 1‘ auf den Kannen und Griffschalen Form 72 und 73. Das Winkelmuster von Flasche Kat. 191 kommt als ‚Dekor 4‘ ebenfalls auf diesen beiden Formen vor. Die Fadenverzierungen der Flaschen Form 48 und der Garnituren Form 72 und 73 sind so ähnlich, daß sie vermutlich in denselben Werkstätten hergestellt wurden.

Bei der Flasche Kat. 194 ist das Fadenrelief oben stärker als unten. Offenbar war das Glas nur angeblasen, als der farblose Faden aufgelegt wurde. Beim Ausblasen wurde der Fadendekor mit dem Gefäßkörper in die Breite gezogen. Bei einer anderen Flasche der Form 48 aus Köln wurde die Glasblase mit den Auflagen beim Ausblasen gedreht, so daß die Fadenschlaufen schräg verlaufen[812].

Verwendung und Gefäßkombination: Für die Verwendung der Flaschen gibt es kaum Anhaltspunkte. Kat. 194 war wegen seiner extremen Dünnwandigkeit für den praktischen Gebrauch kaum geeignet und scheint eigens für den Grabritus hergestellt worden zu sein. In Grab 59 lagen zwei ähnliche Exemplare unterschiedlicher Größe. In Grab 50 waren Flaschen mit Standplatte und mit Standring, Form 48 und Form 47, kombiniert (Taf. 74). Es fällt auf, daß dies weibliche Bestattungen sind und die kostbaren Flaschen in mehrfacher Ausführung beigegeben wurden. Auch im Frauengrab 5 von Esch lagen drei Flaschen der Form 48.

Datierung: Für Grab 59 liefert ein stark abgegriffener Sesterz einen terminus post quem von 138/161 n. Chr. Die Bestattung enthielt keine Keramik außer einer späten Firmalampe. In Grab 50 gibt ein etwas abgegriffener Sesterz des Commodus von 180/183 n. Chr. einen chronologischen Anhaltspunkt. Grab 51 ist nach Ausweis von zwei Keramikkrügen wahrscheinlich in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts in den Boden gekommen.

Außer den Beispielen von der Luxemburger Straße sind mindestens sechs weitere Flaschen mit farbiger Fadenauflage aus der CCAA bekannt, die heute in Köln, Amsterdam und Barcelona aufbewahrt werden (Abb. 255). Zwei Exemplare ehemals in Berlin gelten bisher als Kriegsverluste[813]. Zwei weitere Gläser, die den Kölner Funden gleichen, wurden in Bonn-Graurheindorf und Düren ausgegraben[814]. Da sämtliche Grabkontexte verloren sind, bietet keiner der Funde Anhaltspunkte für die Datierung.

Eine Flasche Form 48 wurde im ‚Sarkophag I‘ in Stein (Limburg, NL) ausgegraben[815]. Der Fundkomplex wurde von C. Isings für die Datierung der Schlangenfadengläser herangezogen und 1957 zunächst am Ende des 2. Jahrhunderts angesetzt[816]. Später kam Isings wegen der Fragmente eines Muschelbechers im selben Grab zu der Überzeugung, dass die Gläser an das Ende des 3. Jahrhunderts zu datieren seien[817]. Ausschlaggebend hierfür war das Körpergrab vom Kartäuserhof in Köln mit dem Muschelbecher[818]. Wie bereits unter Form 16b dargelegt, ist der Muschelbecher älter als das zugehörige Grab, das erst nach 313/317 n. Chr. in den Boden kam und liefert insofern keinen Fixpunkt für die Chronologie der Schlangenfadengläser. Bei dem ‚Sarkophag‘ von Stein sprechen die Bestattungsform der Einäscherung und die übrigen Beigaben eindeutig gegen eine Datierung an das Ende des 3. Jahrhunderts oder das 4. Jahrhundert[819]. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Flasche aus Stein und die Kölner Fadengläser dem gleichen Zeithorizont angehören.

Zwei weitere Flaschen mit Standplatte und farblosen bzw. buntfarbigen Auflagen stammen aus Brandgrab 5 eines Tumulus in Esch (Brabant, B). Die Gläser, insgesamt 17 Exemplare, und die übrigen Beigaben waren mit der Asche in einem Holzkasten niedergelegt. Die Bestattung kann auf Grund eines Kunkels als weiblich bestimmt werden[820]. Während C. Isings 1971 auch für diese Funde eine Datierung in das späte 3. Jahrhundert vorgeschlagen hatte[821], gelangte der Bearbeiter der Tumulifunde zu einem früheren Zeitansatz. Grab 5 enthielt außer einem abgegriffenen As des Antoninus Pius von 140/143 n. Chr. zwei Keramikbecher des Niederbieber Horizonts, die für eine Datierung in das späte 2. Jahrhundert oder die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts sprechen[822].

Abgesehen von Gläsern mit farbigen Auflagen wurde in Köln auch eine Reihe von Flaschen mit farblosen Schlangenfäden gefunden, die jedoch wiederum ohne Grabzusammenhang erhalten sind[823]. Lediglich das fadenverzierte Halsfragment einer verlorenen Flasche ist fundgesichert. Es stammt aus Grab I,6/7 bei St. Severin, das Münzprägungen bis 170/171 n. Chr. enthielt und in das letzte Drittel des 2. Jahrhunderts datierbar ist[824]. Die Fundkomplexe aus Stein, Esch und Köln, St. Severin stützen die für die Gräber 50, 51 und 59 der Luxemburger Straße gewonnene Datierung in das ausgehende 2. Jahrhundert oder die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts.