Form 74
Gefäß in Tierform  

Vgl. Form Isings 95b.

Kat. 275 Kleines Schwein, Inv. Glas 549

Grab 53

H. 6,5 cm. L. 9,8 cm.

Glas opak dunkelblau. Freigeblasen.

Tierkörper in Gestalt eines walzenförmigen hohlen Gefäßes. Im Hinterteil eine ringförmig eingefaßte Öffnung. Am vorderen Teil der langgestreckte Kopf mit Resten der Schnauze. Kopf und Nacken durch zwei aufgelegte Fäden abgesetzt. Am Kopf die nach vorne gerichteten Ohren aus doppeltgelegten und flach gedrückten Glasfäden. Auf dem Kopf die runden Abdrücke verlorener Glastropfen, welche die Augen bildeten. An den Körper angesetzt vier gedrungene Beine aus gefalteten Glasfäden. Das untere Ende der Gliedmaßen flach gedrückt und zu ‚Hufen‘, auf denen das Schwein steht, winklig umgebogen. Auf dem Rücken ein ‚Borstenkamm‘ aus einem in Zickzackbögen aufgestellten Faden. Oberhalb der rückwärtigen Gefäßöffnung ein hochstehender kleiner Schwanz aus einem aufgebogenen Fadenstück.

Ein Fuß, ein Ohr und die Rückenborsten abgebrochen und wieder angesetzt. Schnauze weitgehend verloren. Sprünge in der Gefäßwandung.

Lit.: Kisa 1896, 53 Taf. 2,6. – Kisa 1908, Bd. 1, 211 Abb. 105; Bd. 2, 233; Bd. 3, 764. – Fremersdorf, Buntglas 46 Farbtaf. 85. – Fremersdorf, Geformtes Glas 21 Taf. 7. – Doppelfeld 1966, Abb. 103.

Abb. 367. Form 74. Kat. 275. Inv. Glas 549.
Abb. 368. Form 74. Kat. 275. Inv. Glas 549.
Abb. 368. Form 74. Kat. 275. Inv. Glas 549. M. 1:2.

Grabtypus und Fundlage: Grab 53 war in einem „Tuffsteinsarg“ niedergelegt, der sich als Aschenkiste identifizieren ließ. Die Fundlage von Kat. 275 ist nicht überliefert. Fragmente eines Reliefspiegels lassen auf eine weibliche Bestattung schließen.

Form und Technik: Der walzenförmige Tierkörper ist frei geblasen, die Gliedmaßen wurden anschließend angesetzt. Allerdings bestehen die Füße, der Schwanz, die Augen und Borsten nicht aus opakgelbem Faden, wie A. Kisa angibt[1102], sondern aus der gleichen dunkelblauen Glasmasse wie der Gefäßkörper. Auffällig ist die ringförmige Öffnung im Hinterteil des hohlen Tierkörpers. Damit unterscheidet sich die Glasfigur von anderen ‚Vierfüßlern‘, deren Hinterleib in eine gebogene Röhre übergeht[1103]. An der Schnauze befindet sich eine Fehlstelle. F. Fremersdorf nimmt an, dass der Gefäßkörper hier eine zweite, vordere Öffnung hatte[1104]. Dies scheint wenig wahrscheinlich, denn ein Ausguss an dieser Stelle hätte die stumpfe rüsselartige Schnauze des Schweines unkenntlich gemacht. Davon abgesehen besitzen die in Köln gefundenen Glastiere in der Regel keine Gefäßöffnung in der Schnauze bzw. im Maul. Eine in Form oder Glasmasse vergleichbare Tierfigur ist bisher aus Köln nicht bekannt. Auch die im östlichen Mittelmeergebiet verbreiteten Tiergefäße sind formal nicht vergleichbar[1105].

Verwendung und Gefäßkombination: Tierfiguren aus Glas werden als Gefäße oder Spielzeug gedeutet. Der gläserne Vierfüßler (Hund?) von der Jakobstraße mit einem hohlen Körper und einem massiven Kopfteil hat keine Öffnung. Er war daher sicher kein Gefäß, sondern wohl eine Spielzeugbeigabe für das im Grab bestattete Mädchen[1106]. Das kleine Glasschwein Kat. 275 hat dagegen eine sorgfältig gearbeitete Öffnung, durch die ein flüssiger oder viskoser Stoff in den hohlen Körper eingefüllt werden kann. Es ist somit als Gefäß benutzbar und diente vermutlich als Salben- oder Parfumbehälter.

Datierung: Das Grab enthielt weder Keramik noch Münzen. Nach der Zeitstellung vergleichbarer Brandgräber in Tuffsteinkisten ist Kat. 275 vermutlich im späten 2. oder in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts niedergelegt worden.