Form 46
Flasche mit kugeligem Gefäßkörper und Standring  

Form 46a Flasche mit weitem Hals

Vgl. Form Isings 104a; Gellep 705

Kat. 188 Flasche, Inv. L 869

Grab 49

H. 10,4 cm.

Glas farblos. Freigeblasen.

Kugeliger Gefäßkörper. Standring aus der Wandung gefaltet, innen hohl. Reste der Heftnarbe. Kurzer Hals sich trichterförmig erweiternd. Rand verrundet. Oberhalb des Standrings, auf der Schulter und um den Hals jeweils ein aufgelegter Fadenring.

Zusammengesetzt, größere Fehlstellen im Gefäßkörper und Boden.

Lit.: Hagen 1906, 408 Taf. 23 Abb. 37f. – Isings 1957, 123.

Abb. 243. Form 46a. Kat. 188. Inv. L 869.
Abb. 243. Form 46a. Kat. 188. Inv. L 869. M. 1:2.

Form 46b Flasche mit engem Hals

Kat. 189 Schlangenfadenflasche, Inv. 69,72.8

Grab 51

H. 12,5 cm.

Glas farblos. Fadenauflage aus farblosem Glas, z. T. mit Resten von Vergoldung, und aus blauem Glas. Freigeblasen.

Kugeliger Gefäßkörper. Auf dem Boden zwei aufgelegte konzentrische Fadenringe aus farblosem Glas, der äußere Standring überschneidet den Fadendekor. Enger Hals am Ansatz etwas eingesunken und nach oben sich erweiternd. Rand verrundet. Um die Halsmitte und auf der Schulter jeweils ein in zwei Windungen umlaufender Faden aus farblosem Glas. In den vier Längsachsen des Gefäßkörpers Blattstengel aus zickzackförmig aufgelegten blauen Fäden. Am oberen Fadenende jeweils ein nach links geneigtes Weinblatt aus farblosen Glasfäden. An die blauen Blattstengel auf jeder Seite drei sich windende Ranken aus farblosen Fäden angesetzt, von denen jeweils die beiden oberen in Weinblätter, die unteren in Herzblätter enden. Die Ranken und Blätter aus farblosem Glas einst vergoldet.

Unvollständig zusammengesetzt, einzelne Bruchstücke nicht anpassend. Teile der Wandung verloren.

Lit.: Doppelfeld 1970, 18 Nr. 8. – von Boeselager 1989a, 31 Abb. 9. – Follmann-Schulz 2010a, Nr. 17.

Abb. 244. Form 46b. Kat. 189. Inv. 69,72.8.
Abb. 244. Form 46b. Kat. 189. Inv. 69,72.8. M. 1:2.
Abb. 245. Kanne aus Cortil-Noirmont. Brüssel, Musées royaux d'Art et d'Histoire (Inv. B501).
Abb. 246. Flasche. Reggio Calabria, Museo Archeologico Nazionale.

Grabtypus und Fundlage: Die Flaschen Kat. 188 und Kat. 189 gehörten zur reichen Ausstattung von Tuffsteinkisten. Kat. 188 stand mit den übrigen Beigaben innerhalb der Kiste; Kat. 189 wurde außerhalb aufgefunden.

Form und Technik: Die Flaschen der Form 46a/b haben einen kugeligen Gefäßkörper und einen kurzen weiteren bzw. engeren Hals mit verrundetem Rand. C. Isings führt Kat. 188 unter ihrer Form 104a auf[797]. Ähnlicher ist Form Gellep 705 mit einem gedrückt kugeligen Gefäßumriss und umlaufenden Fadenringen[798]. Flaschen dieser Form wurden in Köln mit farblosen Fadenringen oder mit buntfarbigen Schlangenfäden gefunden. Dazu zählen die Exemplare Inv. N 6049 und 37,150 sowie heute in New York und Trier aufbewahrte Gläser aus Köln, deren Fundzusammenhang verloren ist[799]. Sie haben einen hohlen Standring. Das Fundstück Inv. N 119 von der Luxemburger Straße ist dagegen mit einem massiven Fadenring versehen[800].

Die Flasche Kat. 189 ruht auf zwei konzentrischen Fäden. Da der äußere Standring die blauen und farblosen Schlangenfäden überschneidet, ist er erst nach dem Aufbringen des Dekors angebracht worden. Die vegetabilen Motive wiederholen sich viermal, ohne in der Linienführung identisch zu sein. Offenbar sind sie mit großer Virtuosität freihändig aufgebracht worden. Die farblosen Auflagen – bis auf die Schulter- und Halsfäden – waren einst vergoldet, was die Kostbarkeit des Gefäßes deutlich macht. Einzelne Motivelemente kommen auch bei drei weiteren Gläsern ähnlicher Kunstfertigkeit vor: der sog. Pokal von der Aachener Straße (Inv. Glas 902)[801], die linsenförmige Flasche Kat. 263 von der Luxemburger Straße und die Kanne aus dem Tumulus von Cortil-Noirmont (Abb. 245)[802]. Auf der Kanne und der Flasche Kat. 189 finden sich vier vergleichbare Stengel aus blauen Fäden, die zickzackförmig von oben nach unten verlaufen und von einem Weinblättchen bekrönt sind. Die gleichen Weinblätter kommen auch auf dem Pokal von der Aachener Straße vor. An die blauen Stengel sind bei der Flasche seitliche Ranken mit Weinblättchen angesetzt, bei der Kanne von Noirmont hingegen sind es sechs gezackte Lanzettblätter. Diese Blätter finden sich außer auf der Kanne auch auf der linsenförmigen Flasche Kat. 263 von der Luxemburger Straße. Die motivischen und technischen Übereinstimmungen im Dekor der vier Gefäße sind so eng, dass man auf eine gemeinsame Provenienz schließen möchte. Dabei ist nicht notwendigerweise von einer ‚Schlangenfadenwerkstatt‘ auszugehen, sondern es könnten mehrere Glashütten, die in engem Kontakt standen, gewesen sein. Da das Produktionszentrum dieser Gläser seit langem in Köln vermutet wurde, hat F. Fremersdorf 1938 die Meinung vertreten, daß die Kanne von Noirmont ein Exportstück aus einer Kölner Glashütte sei[803]. Die erst 1969 geborgene Flasche Kat. 189 stützt nun diese Vermutung, da sich hier Motive des Kannendekors wiederfinden.

Verwendung und Gefäßkombination: Für den Verwendungszweck der Flaschen gibt es keine Anhaltspunkte.

Datierung: Grab 49 mit Flasche Kat. 188 ist aufgrund der keramischen Beifunde in das späte 2. oder frühe 3. Jahrhundert anzusetzen. Ein vergleichbares Exemplar wurde in Grab VI,19 bei St. Severin in Köln gefunden[804]. Es stammt aus einer Aschenkiste, die außer zahlreichen Gläsern auch eine Emailfibel enthielt und an das Ende des 2. oder in die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts datierbar ist. In Gellep lag die Flasche zusammen mit einer nicht näher bestimmbaren Münze des Commodus (183–192 n. Chr.) in Brandgrab 3918, das vermutlich in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts angelegt wurde[805].

Grab 51 mit der Flasche Form 46b ist in die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts datierbar. Ihr Dekor ist mit dem der Kanne aus dem Tumulus von Cortil-Noirmont vergleichbar, der wahrscheinlich kurz nach 200 n. Chr. errichtet wurde[806]. In die mittlere Kaiserzeit weist auch ein Grabfund aus Gioa Tauro im Museum von Reggio Calabria (I) (Abb. 246). Die Flasche mit Schlangenfadendekor wurde zusammen mit einer Münze des Commodus geborgen[807]. Beim bisherigen Forschungsstand der italischen Glasfunde bleibt zu klären, ob das Gefäß in Süditalien hergestellt wurde oder als Importstück dorthin gelangt ist.