Form 75
Flasche in Fischform  

Vgl. Form Isings 95a.

Kat. 276 Fisch, Inv. L 983

Grab 60

H. noch 18 cm (ohne Ergänzung)

Glas farblos. Fadenauflage farblos und opakblau. Freigeblasen.

Ovaler hohler Gefäßkörper. Am vorderen Ende zwei herausgekniffene Spitzen, die das aufgesperrte Maul bilden, dieses jedoch ohne Öffnung. Das Hinterteil zu einem röhrenförmigen Schwanz verengt, durch den Flüssiges eingefüllt werden konnte. Zwei Schwanzflossen oben auf den Rücken und unten an den Bauch am Hinterteil angesetzt. Am vorderen Bauch zwei angesetzte kleine Kiemen. Auf dem Fischrücken eine gewellte Flosse aus einem farblosen Faden. Der Kopf durch einen in 2,5 Windungen aufgelegten blauen Spiralfaden vom Körper abgesetzt. Zwei blaue Glas­tropfen bilden die Augen. Die Bauchflosse und die beiden Kiemen sind zugleich die Standvorrichtung des Gefäßes.

Zusammengesetzt. Gefäßmündung (Schwanz) mit Spiralfaden und Teile der Schwanzflossen verloren und ergänzt.

Lit.: Hagen 1906, 413 f. Taf. 24 Abb. 43-l. – Fremersdorf, Geformtes Glas 20 Taf. 4.

Abb. 369. Form 75. Kat. 276. Inv. L 983.
Abb. 369. Form 75. Kat. 276. Inv. L 983.
Abb. 369. Form 75. Kat. 276. Inv. L 983. M. 1:2.

Grabtypus und Fundlage: Das Fischglas gehörte zu einem Brandgrab, das nach der Beigabe von Ohrringen zu schließen eine weibliche Verstorbene enthielt.

Form und Technik: Der Fisch ist einschließlich des Kopfes ein freigeblasenes Hohlgefäß. Das verlorene Schwanzende wurde in Form einer geraden Röhre ergänzt und mit einem Faden umwickelt[1107]. Die Rekonstruktion, die nach einem vergleichbaren Exemplar von der Brabanter Straße in Köln vorgenommen wurde, darf als gesichert gelten[1108]. Das aufgesperrte Maul ist ohne eine Öffnung, was auch für andere Fischgläser aus Köln zutrifft[1109]. Die nächste Parallele ist der Fisch Inv. Glas 234, der außer auf dem Rücken auch eine Fadenauflage am Bauch besitzt und sich insofern nur wenig unterscheidet. Die Übereinstimmungen sind so groß, dass die beiden Fische aus derselben Glashütte stammen dürften. Die übrigen Fundorte römischer Fischgefäße sind weit gestreut[1110]. Einige stammen aus dem östlichen Mittelmeerraum[1111]; eine bedeutende Gruppe von ca. 40 Fischen wurde im ‚Schatzhaus‘ des Palastes der Kushana in Begram (Afghanistan) ausgegraben[1112]. Aus einer westlichen Werkstatt stammt ein Fischgefäß aus Meyzieu (Rhône, F), das in Lyon aufbewahrt wird[1113]. Im Vergleich zu diesen Funden bilden die Kölner Stücke eine eigene qualitätvolle Gruppe, die durch ihren farbigen Fadendekor mit den Werkstätten der Kölner Schlangenfadengläser in Verbindung steht.

Verwendung und Gefäßkombination: Das Glas gehört nach Form und Verzierung zu den aufwendigen Ziergefäßen. Es war wie eine Flasche zu benutzen, wobei das röhrenförmige Schwanzende die einzige Öffnung bildete, durch die Flüssiges eingefüllt und ausgegossen werden konnte. Die Kiemen und Bauchflossen sind so angebracht, dass sich der Fisch horizontal aufstellen läßt und eine eingefüllte Flüssigkeit nicht ausläuft. Die Kölner Fundstücke sind ohne Inhalt überliefert. Es wurde vermutet, dass sie als Parfümbehälter dienten. Form 75 wurde mit weiteren Glasformen Taf. 90 gefunden.

Datierung: Beim Grabkomplex 60 kann eine irrtümliche Vermischung von Fundstücken nicht ausgeschlossen werden. Geht man davon aus, dass das Fischgefäß Kat. 276 gleichzeitig mit der gut erhaltenen Münze des Severus Alexander in Grab 60 gelangt ist, ergibt sich ein terminus post quem von 222/231 n. Chr. Die übrigen Fischgefäße aus Köln sind ohne Fundzusammenhang und können zur Datierungsfrage nichts beitragen.